Konfetti! Und außerdem … Bibliophilie
Hallo Hilfe! Situation! Ich muss meine Privatbibliothek auflösen, weil „jemand“, der hier einen gewissen Anteil der Miete bezahlt und deswegen gelegentlich Ansprüche auf die bezahlte Fläche erhebt, findet, es sei unzeitgemäß und lebensfeindlich, 20 Kubikmeter Wohnung mit ausgelesenem Papier aus 35 Jahren Leseleben zu besetzen. Und ich finde, dass da vielleicht ein Fünkchen Wahrheit drin ist. In meinem sogenannten Arbeitszimmer, das eigentlich Wasch- und Trockenraum, (deswegen auch) Gewächshaus für Anzuchtsaaten, Werkstatt, Museum, Lager und Transitzone (Dinge, die die Wohnung verlassen sollen, aber das aus irgendwelchen Gründen nicht zeitnah tun) ist, befindet sich eine Bücherwand. Die wäre gerne einmal ein Bücherraum geworden mit meterhohen Decken, Leitern zum lustigen Herumsausen zwischen den Abteilungen und einem rotsamtenen Lesesessel, ist aber aus Gründen auf dem Entwicklungsstatus „Ansammlung von Billys“ stehengeblieben und sammelt dennoch unbefangen weiter und weiter Bücher an, die spätestens seit der letzten Verdichtungsmaßnahme (200 Bücher raus, Effekt = 0) gänzlich unsortiert sind, sich mir aber in luzider Klarheit als papierne Zeitzeugen meines Lebens darstellen: Bei diesem Buch ging es mir gut, bei diesem schlecht, bei diesem war ich in Kroatien, bei jenem im Elternhaus, und hierbei hab ich immer dieses Lied gehört. Doch ich sehe ein, es muss etwas passieren, denn es kommt die Wand bedrohlich näher und der Mitbewohner auch. Jetzt Situation: Aus vier Regalmetern energischen Aussortierens habe ich dank mehrreihiger Aufbewahrung sechs Kubikmeter Bücherstapel generiert, was i.e. einem Zehntel dessen entspricht, was noch bevorsteht, und wenn ich das alles aus der Wohnung entferne, wüsst ich noch nicht einmal, wohin. Man hatte bereits Ideen, von denen mir diejenige am besten gefiel, die einen eigenen Bücherschrank vor dem Haus vorschlug: Da ich oft das Gelesene eilig wieder vergesse, könnte ich mich mit dem Inhalt dieses Schrankes immer wieder selbst neu überraschen und mich freuen über die fremde Person mit dem ausgezeichneten Buchgeschmack. Aber ist das zielführend? Nein. Vielleicht ein Privatflohmarkt? Vorbeikommen und bestens erhaltene Leseware jeglichen Umfangs und Genres durchstöbern und ihr gegen schmales Geld ein neues Zuhause geben, um dort selbst zu lesen oder dem kargen Heim einen intellektuellen Anstrich zu verpassen (individuelle Beratung inklusive, von Fitzek würd ich in dem Fall eher abraten)? „Langenscheidts Handwörterbuch Englisch-Deutsch mit rund 220 000 Stichwörtern auf 1528 Seiten in 20,04kg“ ist aus mir unerfindlichen Gründen offiziell überhaupt nicht mehr zum Kauf verfügbar – für Liebhaber hätt ich’s aber hier in garantiert unbenutzt zum Vorzugspreis.
// Text: Katharina Wasmeier / Foto: Unsplash //
~~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ~~