Konfetti! Und außerdem … Onlinezerberus
Alles klar, Leute, mein Tag ist gerettet, heut kann mir keiner mehr was, ich hab mich vor fünf Minuten in Siegerpose geworfen, Schultern zurück, Brust raus, und so ein kleines Hockerl zum Umschnallen, damit ich immer und jederzeit ein Bein in antiker Heldenmanier hochstellen kann, beim Bäcker beispielsweise oder dann auch beim Metzger, und dann blendet der Heroenglanz in alle Richtungen und dann Aerosol, aber halt mit Liebe, also so wie der alte Grenouille damals mit dem Bacchanal-Parfum; wobei da fällt mir ein, da haben die Betörten den Helden am End verspeist, das wär mir dann doch nicht recht. Mir würd langen, wenn der Metzger mir einfach blind ein Radl Gelbwurst rüberreicht, aber halt ein dickes, eher so Ranken. Woher der Stolz? Klare Sache: Bestellen im Internet und so, wir wissen’s, ist unethisch, unökologisch, ganz viel Wort mit „un“, nämlich über kurz oder lang auch un-erlässlich oder un-vermeidbar, zum Beispiel, weil ein äußerer Umstand dich zwingt, alle Prinzipien über Bord und in die Onlineshoppingmeile zu werfen, sagen wir, also rein zwengs der Anschauung: Schuhsonderangebote. Damit das alles nicht so leicht und mein Umgang mit der Angelegenheit nicht zu sorglos wird, habe ich einen privaten Aufpasser, meinen höchstpersönlichen Zerberus am Tor der Versuchung, der mich aufhorchen lässt, innehalten und kurz kalkulieren, ob das wirklich sein muss: Zitternd vor Furcht schwebt der Finger über dem finalen Klick. Denn es droht: Markus. Markus zeichnet sich aus durch überbordende Fröhlichkeit, ein beeindruckend loses Mundwerk sowie ein sagen wir mal wohlwollend: flexibles Grundverständnis dessen, was man landläufig unter „Höflichkeit“ versteht, was sich brisant kombiniert mit seinem Hang zur Frühschicht auch am Wochenende und dem unbedingten Willen, Pakete korrekt auszuliefern. Im Ergebnis hat sich über die Jahre eine platonische, doch durchaus den Odeur des Sadomasochisme verströmende stockholmsymptomatische Abhängigkeitsbeziehung entwickelt, wobei die Abhängigkeit klar auf meiner Seite zu verbuchen ist, weil es in dieser Liaison exakt eine Person gibt, die sich morgendlichen Unverschämtheiten aussetzen muss, deren Inhalte ich hier nicht wiedergeben kann, weil ich sag mal: meistens nicht ganz jugendfrei und in der Tendenz eher nicht so, dass man nachher sagt „Ach mei schön, so sollte jeder Tag beginnen.“ Sondern eher so, dass man am Freitagabend um 21 Uhr mit Gurkenmaske ins Bett geht, um tags darauf beim Hahnenschrei aufzuschrecken und sich in Feststaat zu schmeißen, inklusive Frisur und Abiballmakeup, weil eine Email die Ankunft des Pakets zwischen 8 und 16 Uhr angekündigt hat, was für mich bedeutet, es klingelt gegen 7. Sturm. Dann: Herzrasen, Tür, unflätiger Kommentar XY (Frisur, Nachtgewand, Schlaf), Tür, Herzrasen, Scham, Embryonalhaltung, Zittern, Atemübung. Seit heute neue Ära. 8.15 Klingel, ich: „Hallo mein Schatz, endlich kommst du! Ich warte seit zwei Stunden auf dich und überlege dabei, ob ich dir nicht mal einen Zeitungsbeitrag widmen sollte. Was meinst du?“ Die Antwort fiel ungewöhnlich wortkarg aus. Ich sag mal so: Ab heute leb nicht mehr nur ich in steter Angst … Muahahaa … Noch jemand Gelbwurst?
// Text: Katharina Wasmeier / Bild: Hannah Rabenstein //
~~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ~~