Live / REIN & RAUS

Konzertbericht: Nürnberg.Pop 2018

Da wir in diesem Jahr irgendwie alle in irgendeiner Funktion beim Nürnberg.Pop als Helfer tätig waren, aber auch nicht auf einen Nachbericht verzichten wollten, haben wir uns durch ein wochenlanges (2 Tage vorher gefragt) Auswahlverfahren gequält (hat direkt zugesagt) und uns schlussendlich nach stundenlangem Grübeln (hatte als einzige Zeit) für Lisa entschieden.

Hier also der Nürnberg.Pop Nachbericht unserer Gastautorin Lisa.
Viel Spaß.

Ein knappes Jahr mussten wir wieder warten bis zum wohl schönsten musikalischen Ereignis, das Nürnberg so zu bieten hat – das mittlerweile 8. Nbg.Pop-Festival.

Waren am ersten Nbg.Pop noch 25 Acts auf acht Spielstätten verteilt, so waren es dieses Jahr doppelt soviele Künstlerinnen und Künstler in 20 Spielstätten, darunter einige neue wie das Harlem, das Korn’s und durch den Wegfall des K4 bedingt der Heilig-Geist-Saal. Wie im vergangenen Jahr gab es auch wieder ein Rahmenprogramm mit verschiedenen Panels und musikalischem Speeddating, um die musikalischen Netzwerke auszubauen und die Zukunft der Pop-Musik zu diskutieren.

Schon das nach und nach bekanntgegebene diesjährige Line-Up mit Acts wie Leoniden, Milliarden, Drangsal und Fil Bo Riva bereitete im Vorfeld so große Vorfreude, dass die Furcht vor dem Timetable und möglichen Überschneidungen von den vorher ins Auge gefassten Lieblingsacts ziemlich groß war und natürlich dann auch wieder zu Kompromissen bei der Auswahl führen musste.

Der Plan sah also nach Auschecken aller für mich interessanter Bands wie folgt aus:

Beginn 15 Uhr im Monoton mit Akustik-Sets von Hannah & Falco,
All the Luck in the World und Rikas, Zwischenstopp im Adina zu
Kaffkönig, Open AIr Sets von Your Careless Spark und No But The Frog vor dem Bruderherz bzw. Wurstdurst, Leoniden im Heilig-Geist-Saal, Wolf & Moon im Blutsgeschwister, Yukno im Stereo, Drangsal im Korn’s, Fil Bo Riva im Heilig-Geist-Saal, Pish im Neuen Museum, Milliarden im Korn’s, All the Luck in the World in der Klara-Kirche, Your Careless Spark im Neuen Museum und dann das Übliche – Stereo bis Ende Gelände zur Aftershow Party.

Hier also mein sehr subjektiver Nachbericht zum Nbg.Pop
2018:

Die Voraussetzungen hätten wettertechnisch mit über 20 Grad und Sonne nicht besser sein können, gerade für die Open Air Gigs, und so ging es um 15 Uhr dann tatsächlich im Mono-Ton Schallplattenladen mit dem ersten Act des Festivals, dem Würzburger Pärchen und Singer-Songwriter-Duo Hannah & Falco los. Sie hatten zwar auch den Rest ihrer Band mit dabei, die auch am späteren Abend im Blutsgeschwister mit zum Einsatz kam, sind aber aus Platzgründen nur zu zweit mit einer Gitarre und Mundharmonika aufgetreten. Neben schönen folkigen Balladen, gab es in ihrem 20-minütigen, vom Radiosender PULS präsentierten Set aber auch politische Töne im Stile der American Folk Songs, da es laut Sänger Falco aktuell wieder genug Dinge gibt, gegen die es sich lohnt zu protestieren.

Neben diesen eher ernsteren Tönen, gab es aber durchaus auch viel zu Schmunzeln – etwa über den quietschenden Bar-Stuhl, auf dem
Sängerin Hannah Platz nahm, der unvermeidlich an ein altes
Federkernbett erinnerte, sowie ihr Song „Blind for the Moment“, der mit der Textzeile „We had dreams when we were young, now I’m already 21“ beginnt und die im Durchschnitt etwa in ihren dreißigern befindliche Zuhörerschaft doch sehr zum Lachen brachte.

Fazit: sehr sympathisches Duo, das mit ihren Folk-Pop-Songs deutlich Lust auf mehr gemacht hat.

hannahfalco

Nach einer halben Stunde Pause kamen kurz vor knapp vier irische Jungs mit ihren Instrumenten um die Ecke und haben sich zu Beginn ihres Sets gleich entschuldigt, dass sie die Zeit etwas verplant hatten, dafür ging es dann auch gleich los mit den wunderschönen Folk-Balladen von All the Luck in the World, die zwar mittlerweile seit einem Jahr in Berlin leben, aber noch kaum Deutsch sprechen. Während der Drummer bis zum Abend in der Klara-Kirche pausieren durfte, gaben die anderen vier ausgestattet mit zwei Gitarren, einer Geige und vier sehr gut aufeinander abgestimmten Stimmen einen kleinen Ausblick auf das was da am Abend in der Kirche zu erwarten war.
Der Laden war bis zum Ausgang hin voll und das Publikum durch die Bank weg begeistert.

Nachdem Rikas krankheitsbedingt den Akustik-Gig zu Gunsten des später stattfindenden Sets im Stereo absagten, sprangen kurzfristig unsere Local Heroes von Me & Reas ein – sehr löblich. Wir schenkten uns den Gig dann trotzdem, sehen uns ja spätestens an der alljährlichen Me & Reas-Weihnachtsfeier im Stereo bestimmt, und zogen weiter – Sorry Andi! 😉

Nach den sanften Tönen aus Irland ging es mit dem Kontrastprogramm à la Punk im Adina-Hotel weiter. Mitunter auch dank der geschickten Werbe-Strategie von Florian „Henne“ Hennefarth, Freibier und Brezen auszugeben, war auch die Lobby des Hotels schon um 17 Uhr voll und die Stimmung bei der „Goldenen Hochzeit“ der stets in weiß gekleideten Zwei-Mann-Punk-Kombo um Sänger Julian und Drummer Marcel mehr als
ausgelassen. Natürlich fand sich dort zumindest die Hälte der üblichen Verdächtigen des Klara-Kellers, die auch bei ihrem letzten Gig inklusive Stromausfall im Stereo am Start waren. Es wurde mit den Hüften gewackelt, gesprungen und mehr oder weniger textsicher mitgegrölt, so dass der Glasleuchter zumindest metaphorisch ins Zittern geriet. Bis zum Einsturz kam es dann zum Glück nicht.

Spätestens jetzt kam ein richtiges Festival-Feeling auf. Nachdem sich die anschließend dort spielenden LIONLION dann leider mit den Leoniden überschnitten, zogen wir dann auch zur nächsten Location.

Nach dieser ersten schweißtreibenden Leibesertüchtigung ging es wieder mit eher ruhigeren Tönen weiter und zur Abkühlung bei lauen 20 Grad unter freiem Himmel – zunächst noch ein paar Songs von Your Careless Spark vor dem Bruderherz und anschließend No But the Frog vor dem Wurstdurst.
Zugegebenermaßen waren dort so viele bekannte Gesichter
anzutreffen, dass die Musik etwas in den Hintergrund geriet, aber
nichtsdestotrotz die letzten Sonnenstunden verschönert hat, bevor es frühzeitig auf den etwas längeren Marsch Richtung Heilig-Geist-Saal zu meinem ersten Must-See des Abends, den Leoniden, ging.

ycs

Dort angekommen war schnell klar, dass wir nicht die einzigen waren, die die Leoniden sehen wollten und am Ende Glück hatten trotz kurzen Toiletten-Stopps im Keller noch in den Saal zu kommen und besser noch, uns bis in die erste Reihe vorzukämpfen, allerdings zu Lasten meiner Ohren direkt vor die Lautsprecherboxen – das leichte Dröhnen ist immer noch da. Dennoch hatten wir beste Sicht auf die funky Dance-Moves von Sänger Jakob, seine und Djamins ekstatischen Trommeleinlagen und die verrückten Gitarren-Wurf-Künste von Gitarrist Lennart. Neben meinen all-time Favourites wie „Nevermind“, „1990“ und „Sisters“ hatten sie auch einige Songs von ihrem in gut einer Woche erscheinenden neuen Album dabei, wie „Kids“ und die neue Single „Alone“. Auch bei den neuen Songs
blieben sich die Kieler Jungs treu und liefern ohrwurmtaugliche, up-beat Tanznummern – Gute-Laune-und-platte-Füße-Garantie!

leoniden

Gut, dass man nun auf dem Weg zurück in die Luitpold-Straße etwas Zeit zum Abkühlen hatte und wieder ein paar ruhigere Töne auf dem Tableau standen – Wolf & Moon, die ich zwar schon vorher persönlich kannte, aber noch nie live gesehen hatte. Auch hier waren wir nicht allein und hatten am Eingang des Blutsgeschwister-Shops gerade noch den Moment vor dem Einlassstopp abgepasst. Jedoch war es in dem kleinen Lädchen so voll und warm, dass ich es nur ein paar Lieder dort aushielt. Das holländische, aber in Berlin lebende Singer-Songwriter-Pärchen im American Folk Fransen-Outfit lieferte unterstützt durch Gitarre und Piano/Synthie eine
Mischung aus Indie, Folk und elektronischen Elementen, von sphärischen Balladen bis zu tanzbaren Pop Songs. Vor allem die besonders gefärbte Stimme von Sängerin Stefanie brachte das Publikum zum Schwärmen.

wolfmoon

Leider war es einfach zu voll und warm um länger zu verweilen und zu lauschen, so ging es dann mit kurzem Zwischenstopp bei den Brüdern von Yukno mit ihren deutschsprachigen, elektronisch angehauchten Pop-Songs im Stereo weiter Richtung Korn’s, um einem möglichen Einlassstopp bei Drangsal zuvorzukommen. Was sich als sehr gute Idee herausstellte, nachdem doch noch eine recht große Schlange vor der Tür stand. Als ich so nach der Hälfte der Show weiterzog – nicht weil die Show etwa schlecht war, wenn auch der Sound nicht so brilliant war, aber ich sehe ihn eh in zwei Wochen auf Zores-Tour in München. Nach ein paar technischen Problemen mit Wackelkontakt zu Beginn, lief der Rest der Show reibungslos und das gut gefüllte Korn’s sang und tanzte ausgelassen zu Liedern wie „Turmbau zu Babel“, „Love Me or Leave Me Alone“ und
Magst du Mich“.

Drangsal

 

Ganz untypisch, wenn man seine üblichen Outfits oder Postings kennt, kam Drangsal alias Max Gruber in fast bieder-bravem, grauem Strickpulli und Stoffhose auf die Bühne und merkte an, dass er ja dachte, dass weniger kämen und er sich dann ja nicht so viel Mühe geben müsste; mit so vollem Haus, müssten sie sich aber jetzt wirklich anstrengen, eine gute Show abzuliefern. Von dem was ich gesehen habe, gelang das. Allerdings war die Atmosphäre im kleinen Stereo oder am PULS-Festival ausgelassener und die Show etwas extatischer, vielleicht waren aber auch einige wegen der Hitze und des steigenden Alkoholpegels (es werden hier keine Namen genannt, Drangsal-Fanboy! 😉 ) schon leicht sediert.

drangsal2

Weiter ging es zu FLUT – Achtung, aufgemerkt, der österreichischen
Indie-Kombo, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen etwas sehr experimentellen Jazz-Gruppe aus Nürnberg, die wir fälschlicherweise schon einmal genau aus diesem Grund als Vorband von 5KHD im Stereo gesehen hatten und leider wenig mit anfangen konnten. Auch hier war der Keller voll, das Publikum zum Teil etwas tanzmüde trotz des durchaus tanzbaren deutschsprachigen Indie-Gitarren-Sounds und den Mitsing-Nummern wie „Schlechte Manieren“ und dem wohl bekanntesten Song „Linz bei Nacht“, bei dem dann tatsächlich fast alle mitsangen und -tanzten. Sehr sympathisch diese Österreicher, die dann auch zu späterer
Stunde noch im Klara-Keller mitfeierten.

Das mit Fil Bo Riva hatte sich in der Zwischenzeit dann leider erledigt. Mit dem weiten Weg runter zur Museumsbrücke und dem Einlassstopp war da nichts zu machen. Aber gut, auch schon mal live gesehen. Weiter ging es nach einem kurzen Zwischenstopp im Harlem bei Koala Kaladevi in RIchtung Korn’s und dem Auftritt von Milliarden. Gerade noch so reingekommen bevor auch hier alles dicht war, konnte ich mich bis nach vorne durchkämpfen, wo zumindest auch ab und zu mal die Tür zur Terrasse frische Luft brachte und vor allem die Getränkequelle in unmittelbarer Nähe war.
Trotz irrer Hitze gaben sowohl Band als auch Publikum alles
und sangen, sprangen und tanzten wild drauflos. So wild, dass Sänger Ben sich fast in einem der Kabel verfangen hätte und sein lädiertes, ohnehin bandagiertes Knie das Ganze schnell beendet hätte. Aber wie er sagte, ist er gerade nochmal über die Schwelle rübergekommen und das Konzert kann weitergehen.

Nach gut der Hälfte des energiegeladenen 90-minütigen Sets
verabschiedete ich mich dann Richtung Pish und Neues Museum, Ähnlich wie bei Fil Bo Riva lief das dann auch bei Pish, den ich
wirklich sehr gerne solo gesehen hätte, nachdem Kakkmaddafakka schon immer eine verdammt gute Show abliefern. Aber auch hier stand ich dann mit einer stattlichen Gruppe von Menschen vor dem Museum statt vor der Bühne.
Nunja, das Programm gab ja noch einiges her und so ging es – mit
einem kurzen Zweischenstopp im Harlem beim sehr ungewohnt ruhigen, wenig eskalierenden, aber dennoch schönen Akustik-Set von Fuck Art Let’s Dance, das ich auch leider aufgrund der Hitze und Vielzahl an Schaulustigen recht bald wieder verließ – Richtung Klara-Kirche weiter und meinem persönlichen Highlight des Abends entgegen.

FALD

Die Kirche war brechend voll, so wie dieser Tage eher selten, aber
dennoch lauschte das Publikum so andächtig und leise den sphärischen Folk-Pop-Songs der nun vollzähligen, fünfköpfigen irischen Band All The Luck In The World, dass man wirklich eine Stecknadel hätte fallen hören können.
War der Auftritt am Nachmittag schon wirklich wunderschön, so
war dies verstärkt und in der besonderen Atmosphäre und Akustik der Kirche noch einmal eine immense Steigerung. Die Band war sichtlich gerührt von der großen Anzahl an Zuschauern, die sich in der Kirche einfanden, und wie leise sie den häufig vierstimmig gesungenen mit Gitarre, Bass, Klavier, Schlagzeug und Geige untermalten Songs lauschten („It’s so quiet here, cheers guys!“); und sie freuten sich über die Tatsache, dass sie tatsächlich Bier in einer Kirche trinken dürften „It’s not every day that you get to drink beer in a church“.
Als die ersten Töne von „Never“ anklangen, ging ein merkliches Raunen durchs Publikum und einige haderten sichtlich, ob sie den Drang lautstark mitzusingen unterdrücken sollten, um die andächtige Stimmung nicht zu stören. Einfach nur wunderschön und definitiv mein Highlight des Abends.

atliw

Nach einer Zugabe, tosendem Applaus mit teils Standing Ovations ging es für mich zum letzten Konzert des Abends und alten Bekannten – Your Careless Spark – ins Neue Museum. Bei einer Mischung aus schönen, melancholisch-sphärischen Klängen und energischen Gitarrenriffs und in stilvoll ausgeleuchteter Umgebung wurde so das Ende des musikalischen Programms des diesjährigen Nbg.Pop eingeläutet, allerdings noch lange nicht das Ende des Aftershow-Programms.
Pünktlich zum Nürnberg Pop
Festival kündigte das Nürnberger Quartett ihr zweites Album und die damit in Zusammenhang stehende Crowdfunding-Aktion bei Startnext an. Über Unterstützung würden sie sich bestimmt freuen!

Endstation des Abends: wie so oft hat sich auch an diesem Abend wieder eines bewahrheitet: am Ende landen alle eh wieder im Stereo – eine bunte Mischung aus glückseligen, noch halbwegs energiegeladenen Festivalgängern, trink- und tanzfreudigen Bandmitgliedern von u.a. Rikas, FLUT, Fuck Art Let’s Dance, Leoniden und Pish sowie den sichtlich matten Helfern und Organisatoren des Nbg.Pop, die sich über ihr Feierabend-Bier nach einem Tag harter Arbeit freuten. Die Stimmung war bis in die frühen Morgenstunden ausgelassen und brachte das Festival zu einem runden Abschluss.

Fazit: Es war wieder ein gelungenes Nbg.Pop-Festival! Auch wenn es
schade ist, dass ich manche Acts letztendlich nicht sehen konnte, hat es sich wie immer gelohnt und ich freue mich schon auf das nächste! Danke an alle Organisatoren und Helfer, ihr seid spitze!

/ Text: Lisa Fuchs /
/ Bilder: Lisa Fuchs & Simon Strauß /