Schreibschwein © David Häuser
Konfetti - Die Kolumne

Konfetti! Und außerdem … Stadttourismus

Letzte Woche war ich in der Stadt. Ich finde es bemerkenswert, dass ich immer noch „in die Stadt fahren“ sage. In der ersten Hälfte meines Lebens war das durchaus zutreffend: Im östlichen Speckgürtel wohnhaft waren Ausflüge in die City etwas Besonderes, das zwar auch nur eine zehnminütige S-Bahnfahrt nötig gemacht hatte, wofür man sich aber brav herausgeputzt und für die große Reise fein gemacht hat. Heute lebe ich innen mitten drinnen im zentralsten Zentrum, habe lange mit mir gerungen, bis ich soweit war, mich für einen schnöden Besuch beim Discounter um die Ecke nicht extra in den edlen Ausgangszwirn zu kleiden, sondern mit großer zur Schau getragener Egaligkeit zum Einkauf auch mit Jogginghose und Unfrisur zu begeben, und trage diesen Gammellook seit langem stolz als Zeichen echten Urbanismus vor mir her, derweil ich herausgeputzte Menschen in der Innenstadt verächtlich als offensichtlich Auswärtige identifiziere. Deren viele schlenderten an besagtem Tag durch die Gassen und Winkel und störten mein Auge durch blanke Anwesenheit. Nicht so sehr wegen des Herausputzes, sondern weil sie mein Vorhaben zerstörten, als wahre Bohemienne mitten am schönsten Werktag durch bedauernswerte Arbeitstierchen zu flanieren und nach links und rechts großzügig mitleidige Blicke zu verschenken an all diejenigen, die das Flair nur kurz in einer Mittagspause genießen durften, derweil ich frei von Zeit und Raum einfach tun und lassen konnte, was ich wollte. Doch weit gefehlt: In der ganzen Innenstadt wimmelte es nur so vor Müßiggängern, denen man den Stadttouristiker schon von weitem ansah – die protestantische Feiertagsextraregelung macht’s möglich. Meiner Exklusivität beraubt befiel mich ein Verdruss, und ich wandte mich ab von all der obszön zur Schau gestellten Freizeit, um heimwärts zu kehren und im stillen Kämmerlein ganz für mich alleine meine Freiheit zu zelebrieren. Doch wie es der Zufall will wandte ich mich nicht etwa dem Heimweg zu, sondern versehentlich einem riesengroßen gelben Bus, den ich kurzerhand bestieg und damit meine Heimkehr um gut zwei Stunden nach hinten verschob … In dieser Zeit habe ich viel geschaut, primär nämlich über Mauern, über die man sonst nie schauen kann und hinter denen sich hübsche Gärten und unerwartete Friedhöfe verbergen. Außerdem viel wichtiges über die Stadt gelernt und ebenso viel wieder vergessen (bis auf die sehr wichtige Info, dass die beiden roten Hasen des örtlichen Energieversorgers „Sitz und Flitz“ heißen) … Zwei Stunden dauert es nämlich, mit der hiesigen „City Line“, einem riesigen gelben Doppeldecker-Bus durch die Noris zu kreuzen und diese einmal ernsthaft aus Touristenperspektive zu erfahren. Den Bus hatten wir quasi für uns alleine: Während die Touris herausgeputzt die Gassen durchstriffen, saßen wir im urbanistischen Gammellook im Oberdeck und schauten ihnen beim Wuseln zu. Öfter mal Tourist in der eigenen Stadt sein? Klare Empfehlung! Dafür kann man sich dann schon auch mal rausputzen.

// Text: Katharina Wasmeier / Foto: David Häuser //

~~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ~~