Live / Musik

Nachbericht: Yaenniver im Hirsch

Yaenniver, die Sängerin der Band Jennifer Rostock, war im Rahmen ihrer Tour zu ihrem zweiten Solo-Album am 14. November zu Gast im Nürnberger Hirsch. Wir waren vor Ort und hier sind unsere Bilder und der Nachbericht.


„Wir ham‘ Bock zu streiten und ihr habt jetzt ein Problem“ schreit der ausverkaufte Hirsch, während sich die Energie zwischen Bühnenperformance und begeistertem Publikum zu einem Powercocktail mischt.

Aber von vorne: YAENNIVER gastierte am 14. November im Nürnberger Hirsch. Im Oktober veröffentlichte die Künstlerin ihr zweites Soloalbum „angry woman“ und war im November auf gleichnamiger Tour. In den 2010er Jahren prägte die Sängerin mit ihrer Band Jennifer Rostock die deutsche Musiklandschaft nachhaltig und ist nun seit über vier Jahren als Solokünstlerin unterwegs. Im vergangenen Mai erschien mit „NACKT – Mein Leben zwischen den Zeilen“ außerdem ihre Biografie.

Thematisch knüpft Jennifer Weist, die jetzt als YAENNIVER wieder die Club- und Festivalbühnen des Landes bespielt, dort an, wo sie mit Jennifer Rostock von 2008 bis 2018 ein Sprachrohr für viele Menschen bildete. Es geht um gesellschaftliche Themen, Liebe und nun besonders verstärkt um das Frau-Sein und die Rolle als FLINTA*-Person in unserer Gesellschaft: Gleichberechtigung, Selbstliebe, Wut und die Kritik am Patriarchat.

Als Support betritt an diesem Abend LILA SOVIA die Bühne in Nürnberg. Beats, Rap und Sprechgesang und klare Ansagen lassen das Publikum in Jubel verfallen. LILA SOVIA zeigt sich dankbar und klar in den Messages, die von den Besucher:innen gefeiert werden.

Um kurz vor 21 Uhr begrüßt der ausverkaufte Hirsch YAENNIVER dann mit großem Jubel. Mit dem ersten Song „Pretty Vacunts“ wird das Energielevel sofort von 0 auf 100 gehoben, jedes Wort wird vom Publikum laut mitgesungen. Die Liveband besteht aus Elmar Weyland (u.a. Produzent, “Bloodhype“) und Christopher Kohl (u.a. „Jennifer Rostock“, „Bloodhype“). Weiter geht es mit „angry women“, wo wir wieder am Anfang dieses Berichts angekommen sind. „Wir woll’n uns nicht beruhigen, wir woll’n uns nicht beneh’m. Wir ham‘ Bock zu streiten und ihr habt jetzt ein Problem“ – der besagte Powercocktail kocht und über den Besucher:innen schwebt ein Mix aus Energie, Wut und Begeisterung. „Pfirsich Emoji“ und „Danke Tschau“ sind die nächsten Tracks und YAENNIVER zeigt mit ihrer Performance, wofür sie das Publikum voraussichtlich schon seit Jennifer Rostock Zeiten liebt und schätzt: Ehrlichkeit, kein Blatt vor dem Mund, geraderaus und unendliche Energie.

Für den Track „Neue Männer“, ebenfalls vom aktuellen Album, sucht sich die Künstlerin einige Menschen aus dem Publikum. Auf der Studioversion des Songs ist ein Chor zu hören, den nun ausgewählte Zuschauer:innen gemeinsam auf der Bühne performen. Tosender Applaus folgt. Jener Applaus geht dann in frenetischen Jubel über, als das Intro des nächsten Songs durch den Club schallt: „Hengstin“, ein Jennifer Rostock Song (Album: „Genau in diesem Ton“, 2016). Nostalgische Gefühle mischen sich mit der Kraft und Dynamik des Tracks und die rund 800 Besucher:innen rufen gemeinsam Zeilen wie „Ich glaube nicht daran, dass mein Geschlecht das Schwache ist. Ich glaube nicht, dass mein Körper meine Waffe ist. Ich glaube nicht, dass mein Körper deine Sache ist. (…) Ich bin kein Herdentier, nur weil ich kein Hengst bin, ich bin ’ne Hengstin“.

Von ihrem Solo-Debütalbum „NACKT“ spielt YAENNIVER die Tracks „Intro“, „Mädchen Mädchen“, „Sag deiner Freundin“ und „Halb so ich“. Weitere Songs auf der Setlist sind „Männer LOL“, „Lieb mich“, Oxytocin“, „Wenn sie kommt“ und „Alles außer cool“.

Mit „Halb so ich“ endet das reguläre Set, aber die „Zugabe“-Rufe lassen nicht lange auf sich warten und kurze Zeit später betreten YAENNIVER und ihre Band erneut die Bühne. Mit „Ich setz dir ein Zeichen“ und „Die Goldene Zeit“ beendet die Künstlerin ein energiegeladenes und ausgelassenes Konzert im ausverkauften Hirsch.

Neben den musikalischen und gesanglichen Höhepunkten und einer wirklich starkenPerformance bleibt an diesem Abend besonders die Atmosphäre und Energie in Erinnerung. Die Themen, die YAENNIVER in ihren Songs verarbeitet, stoßen auf 100 Prozent Verständnis. Im Publikum ist viel „Female Rage“ und gleichzeitig Empowerment spürbar, vorrangig vonFLINTA*-Besucher:innen. Da ist viel Wut über das Patriarchat, der Wunsch nach Veränderung und Zerschlagen von Strukturen und viel Hoffnung, dass man mit Gedanken, Sorgen und Unsicherheiten nicht alleine ist. Die Übergänge zwischen den Songs nutzt die Künstlerin für verschiedene Themen. Sie spricht über ihre Liveband und die Dankbarkeit, die sie sowohl für die beiden Musiker und Freunde auf der Bühne als auch für das Publikum vor der Bühne verspürt. Ebenso betont YAENNIVER, wie wichtig ihr die Zusammenarbeit mit FLINTAPersonen während der Albumproduktion als auch auf der Tour war und ist. In der Musikindustrie ist der Anteil von FLINTAs in allen Bereichen noch immer viel zu gering.

// Text: Sarah Weinberg / Bilder: hdiyl //