Konfetti - Die Kolumne

Popkultur trifft Handicap Festival 2017

„POP! FÜR ALLE“ lautet das allgemeine Motto von POP! ROT WEISS, der Initiative des Bezirk Mittelfranken zur Förderung der lokalen Popmusikszene. Dass Pop für alle aber leider nicht stattfinden kann, wissen manche nur zu gut. In der Disko abfeiern, auf Konzerte gehen, mit Freunden um die Häuser ziehen ist für Menschen mit Behinderung alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Um auf die damit einhergehende Ausgrenzung am kulturellen Leben aufmerksam zu machen und durch Workshops und Diskussionen einen nachhaltigen Erfahrungsprozess in der gesamten mittelfränkischen Kulturszene anzustoßen, hat „Pop! Rot Weiß“ eine kunterbunte, lehrreiche, fröhliche und nicht zuletzt musikalische Festivalwoche ins Leben gerufen: das „Popkultur trifft Handicap“-Festival, das vom 9. bis 14. Januar städteübergreifend in Nürnberg, Fürth und Erlangen mit einem breitgefächerten Programm aufwartet.

Und, betont Andreas Jäger, Populärmusikbeauftragter des Bezirks Mittelfranken, zwar sensibel Austausch und gegenseitige Öffnung herstellen soll, doch in erster Linie ein Musikfestival ohne Berührungsängste für alle Musikbegeisterten sein. „Pop für alle eben!“ Wie wichtig Inklusion als in der Öffentlichkeit angekommenes Thema ist, weiß der Bezirkstagspräsident von Mittelfranken Richard Bartsch zwar eigentlich, darf es aber bei der Pressekonferenz direkt am eigenen Leib erfahren, als Gebärdendolmetscherin Silke Weßling ihn bittet, langsamer zu sprechen und Pausen zu machen. Doch es ist genau dieses Maß an Umsicht und Achtsamkeit, auf das die Aktion, in die Richard Bartsch als „Eisbrecher für Mittelfranken“ große Hoffnungen setzt, aufmerksam machen will.

Denn „Barriere“ kann so viel bedeuten: Entsprechende Zugangsmöglichkeiten oder sanitäre Anlagen für Rollstuhlfahrer, die Gestaltung und Handhabe von Kommunikationsmitteln wie Webseiten oder Flyern, bei denen beispielsweise darauf zu achten ist, dass Schrift groß und Sprache einfach gehalten ist. Oder die Verfügbarkeit von Hilfen, die einen Kinobesuch für jedermann und –frau ermöglichen. Eine solche Hilfe ist die App „Greta&Starks“, wie Elnaz Amiraslani von der Veranstaltungsagentur „Parvenue“ begeistert erzählt. Denn anstatt für einen Kinobesuch für blinde oder taube Menschen teure Gerätschaften zu organisieren, können diese sich mithilfe der App Untertitel und Audiodeskription im Vorfeld ganz bequem und vor allem kostenlos herunterladen. So sind Beschaffung und Handhabe solcher Hilfen teil des breiten Programms der Festivalwoche, die gleichsam eine „allumfassende popkulturelle Kampagne mit inklusivem Ansatz“ ist. Die im Dialog Möglichkeiten entwickeln, Chancen aufzeigen, Lern- und Denkprozesse anstoßen will. Um Menschen mit Behinderung nicht länger auszugrenzen, sondern „Brücken zu bauen und sich gegenseitig befruchtend neues zu schaffen“, wie Dr. Michael Kläver  von der Sparkasse Nürnberg, betont: „Grenzen gibt es nur in den Köpfen.“

Und die dürfen im Laufe der Festivalwoche ruhig ein wenig rauchen, gibt es doch haufenweise zu lernen und erleben bei den 15 Veranstaltungen zwischen Konzert, Workshop und Podiumsdiskussion, die im Erlanger E-Werk, dem Fürther Con-Action und in Nürnberg in Z-Bau und Kulturwerkstatt auf AEG stattfinden. Die Musikgruppe „Blind & Lame“, deren Name schon so viel verrät, gibt eine Jamsession und erzählt aus ihrem Alltag als Band mit Handicap. Die blinden Speed-Skater des 1. FCN Roll- und Eissport e. V. machen alle fit für die Rollerdisko. Lena Dobler, Aushängeschild der mittelfränkischen Musikszene, lässt ein komplettes Konzert von Laura Schwengber, Deutschlands bekanntester Musik-Gebärdendolmetscherin, übersetzen. „Wie barrierefrei ist unsere Kulturlandschaft?“ wollen Kulturschaffende und –konsumenten mit und ohne Behinderung in einer Podiumsdiskussion erörtern.

„Jeder kann tanzen!“ weiß Tanzlehrer Rob Lawray und macht im Workshop Musik und Bewegung für Gehörlose, Hörgeschädigte und Hörende erfahrbar. Und so geht es munter weiter und weiter. Am Ende der Woche steht der krönende Abschluss in Form eines kunterbunten Musikfestivals: Sieben Bands und Künstler treten im Z-Bau auf die Bühne und machen, was sie am besten können. Inklusive Bands (Stereomat), blinde (Vokuz) und gehörlose (Deaf Kat Night) Rapper, die weltkleinste Dragqueen Baybijane geben sich die Ehre, der bayerische Spitzenrapper Fatoni ist auch dabei. Sie alle werden von Gebärdendolmetscherin Laura Schwengber komplett übersetzt und die Zuschauer vom „asymmetrischen Commedian“ Martin Fromme schwarzesthumorig durch den Abend geführt.

„Popkultur trifft Handicap Festival“, 9.-14. Januar 2017, N / F / Er; Anmeldungen unter inklusion@pop-rot-weiss.de, weitere Infos HIER; Tickets für Lena Dobler & das Abschlussfestival an allen bekannten Vorverkaufsstellen

 

// Text: Katharina Wasmeier / Bild: PR //