Konfetti - Die Kolumne

Konfetti! Und außerdem … Handyyoga

Am Wochenende hab ich mal die Stadt verlassen. Es war eine sehr aufregende Reise, die zwar nicht am Gleis 9 ¾ begonnen, sich aber ähnlich gut versteckt hat. Dann gab’s Zug und Zeug und Fährtenlesen und dann irgendwann auch überraschend eine Ankunft. Beglückt vom Nirgendwo hab ich mich direkt auch ein bisschen umgeschaut und bin in der Ferne einer Gestalt ersichtig geworden. Jetzt freilich Acker, wo du sagst: Vogelscheuche, aber trotz offensichtlicher Einbeinigkeit war es dann doch ein Mensch. Der hat Sachen gemacht. Den Arm hinauf und den Körper hinüber und das Bein hinterher und ganz langsam und verharren und dann doch noch ein bisschen weiterarrangiert und zweiter Arm und wieder Pause und so ist das eine Zeit lang gegangen. Hab ich direkt einen verschleierten Blick bekommen. Vielleicht ein bisschen wegen da staubt’s fei sauber umeinander, wenn so ein schuttbeladener Güterzug an dir vorbeidefiliert, und die Gülle, also wenn du das nicht gewohnt bist, dann kann das ganz schön zwicken im Respiratorischen. Aber ich hab tapfer weitergeatmet und dann also Schwämerei: Mei, schau, der Landbewohner, hab ich voller überromantisierter Bauersuchtfrauverklärung geseufzt, wie der in sich ruht! Da geht der einfach auf so einen Acker und dann macht er Tai-Chi und Yoga und was ihm halt gut tut und bestimmt hört er dazu noch eine schöne Musik und ist so ganz bei sich, da bin ich neidisch, das könnt ich ja nie, weil hab ich ja auch gar nicht die Gelegenheiten und Orte schon gleich gar nicht wegen überall ein Mitmensch und dann Schlagzeile am Tag drauf „Wasmeierin taichit zum Männleinlaufen – ist sie endgültig übergeschnappt?“ Nein. Ich hätt dann gern gefragt, was genau er da für autogene Übungen betreibt, aber man stört solche Kreise ungern. Aber später dann großer Zufall, weil Mensch in persona in einem Gehöft angetroffen. Sogleich hab ich ihn ansprechen und zu seiner ruralen Meditationsweise befragen müssen. Hat er gelacht. Wegen superentspannt, eh klar, hab ich gedacht. Dann aber erfahren, dass ich keinen Yogi vor mir hab, sondern vielmehr einen Jogi, oder zumindest Fan desselben, welcher verzweifelt versucht hat, auf dem Acker ein Internet im Handy zu finden, so dass mit dem Behelfsfernseher das Fußballspiel geschaut hätt werden können. Ja. Da hat’s der Homo Digitalis also weit gebracht. Ist er mordsstolz, dass er endlich nicht mehr daheim in der Stube mit der Antenne balancieren muss, um ein Bild zu haben, wo du sagst: Ist ok, Helmut, es ist nur so ein bisschen grieselig, und der Ton ist auch so dass man zumindest jedes zweite Wort versteht, besser als nichts, bleib doch aber jetzt bitte genau so stehen und hör auf zu maulen, im Indien gibt’s Männer, die lassen ihre Arme extra nach oben ausgestreckt verdörren wegen Religion! Und anstatt dass er jetzt daheim ins Fernsehen hineinschaut, springt er wegen Freiheit und Ungebunden und Mobil auf Äckern und Dächern und Baumwipfeln umeinander, weil König Marcus I. trotz langer Rede immer noch nicht das ganze Reich mit einem Supernetz durchwoben hat. Au weh! „Ost Anders“ (Fr&Sa, Z-Bau, Frankenstr), „Bandkarussell“ (MUZ, Fürther Str), „Funksoulbrother“ (KK, Königstr), „Slow Down Festival Aftershow“ (Stereo, Klaragasse), „Band your head“ (Cult, Dooser Str), „Latin Summer Fest“ (T90, Flughafen) und am Samstag „30 Jahre Ghettoblaster“ (Desi, Brückenstr), „Keller-Closing Party“ (KK), „Raptor Records Sommerfest“ (Z-Bau), „Container Love Aftershow“ (Hirsch & Rakete, Vogelweiher), „Lass zocken“ (Stereo). Wo ich’s grad so les: Man weigert sich ja aber auch heutzutage, einen schönen, alten Ghettoblaster irgendwo mit hinzunehmen, hat aber nichts dagegen, eine Bluetoothlautsprecherbox von der Größe eines Kleinwagens umeinanderzuschleppen. Aber das besprechen wir nochmal ausführlich.

 

// Text: Katharina Wasmeier / Bild: Hannah Rabenstein //

~~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ~~