Konfetti - Die Kolumne

Ausprobiert: Bluestanz

„You look very confused“, sagt Mikuláš. „Well, the more you explain, the less I understand“, antworte ich und versuche mich weiterhin auf das zu konzentrieren, was da vor mir geschieht: Vier Menschen stehen in einer Reihe, stellvertretend für einen Takt. Im Rhythmus müssen sie abwechselnd Kniebeugen machen. Auf den ersten, auf den zweiten Schlag. Oder auf das „und“. Mikuláš erklärt Offbeat. Mikuláš erklärt „Shuffle“. Ich verstehe: Bahnhof.

In einer Sporthalle haben sich rund 20 Personen eingetroffen, um an einem fröhlichen Samstagnachmittag den Workshop „Blues Tanz“ zu durchlaufen. Als ich das hörte, war für mich die Sache klar: Es ist Freitagnachmittag, im elterlichen Partykeller sind die Fenster mit Alufolie verdunkelt, zu Spezi und Salzletten läuft „Kuschelrock 3“, und Sinn und Zweck der Veranstaltung ist einzig, vom Schwarm aus der Klasse drüber aufgefordert zu werden, sich gegenseitig die Arme um den Hals hängend mit Trippelschritten zu Sinnead O’Connor in heißer Liebe zu entbrennen. Von wegen!

Der Blues Tanz hat sich in den 1920er Jahren innerhalb der schwarzen US-amerikanischen Bevölkerung entwickelt, parallel zum Swing, dem Tanz der Weißen, erklärt Andreas von Knobloch, Organisator des Workshops, begeisterter Bluestänzer und Mitglied des „1. Boogie Woogie Club Nürnberg e.V.“ Entstanden aus der Kultur der Afroamerikaner sind Jazz und Blues „der amerikanische Ausdruck, wie afrikanische und europäische Musik miteinander verschmilzt.“ Aus dem Elternkeller werden tropische Südstaatennächte, aus steifen Teenies schweißglänzende Körper, aus Sinead die schweren, tragenden Rhythmen des Blues. Der „Shuffle“ ist eine bestimmte Kategorie dieser Tanzform, und den sollen wir heute lernen – oder: „Technik üben, bis es schön ist“, wie Mikuláš sagt. Der 31-Jährige und Partnerin Katerina sind aus Prag angereist, um uns einzuweisen.

„Wir“, das sind vor allem Mitglieder besagten Clubs sowie ein paar andere Neugierige. „Da haste dir grade den richtigen Tag ausgesucht“, grinst Andreas. „Der Shuffle ist schon eher was Fortgeschrittenes.“ Na prima! Die meiste Zeit meines Lebens konnte ich jedwede Form von Tanzschulung erfolgreich um..ja…tänzeln. Während andere Discofox und Walzer lernten, übte ich mich in der Kunst des Pogo. Später hat sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema nicht mehr ergeben. Dafür jetzt umso ernsthaf… Moment, ich soll was? „Ihr seid faule Bären im Wald“, insistiert Mikuláš. Faul ist gut, schließlich haben wir grade eine Stunde damit verbracht, uns im Hopserlauf aufzuwärmen und Isolationsübungen zu machen. Für mich, die ich doch vor zehn Jahren erfolgreich den BZ-Kurs „Orientalischer Tanz (Anfänger)“ absolviert habe, natürlich ein Kinderspiel. Bären also. Der Bär dient dazu, den „Single-Step“ zu erläutern. Taps, taps durch die Halle. Doppelt so schnell: ein Hirsch, und nochmal schneller die Hasen.

Klingt kindisch? Ist auch so. Führt aber allemal dazu, jedwede Hemmung gegenüber den Mittänzern zu verlieren. Im Anschluss daran werden die lustigen Waldbewohner vom tollwütigen Fuchs gebissen, und siehe da: Plötzlich sind wir alle schleppend und taumelnd im Offbeat und damit im „Shuffle“ angelangt. Deutschlandweit gibt es nur vier Städte, in denen man den Blues lernen kann. Eine ist Nürnberg. Der Blues ist ein entspannter Tanz, bei dem der Fokus auf dem Spaß mit dem Partner liegt und nicht auf schön ausschauen, die Verteilung „Führender“ und „Folgender“ sehr lose, ein „emanzipierter Hippietanz“, sagt Andreas. Wir brauchen ein „kind of drunken feeling in your body“, sagt Mikuláš, loslassen, lockerlassen, fühlen. Ich fühle, dass alle meine bisherigen Tanzpartner eine schwere Rhythmusstörung haben. Oder ich.

Gleichzeitig weich mit dem Unterkörper schwingen – die Oberkörper bleiben relativ nah beieinander, der Partner wird nicht zur Bewegung „gezwungen“, sondern alles wird sehr viel gefühlt – und diesen verflixten Offbeat in die Beine zu bekommen, das kann schonmal Probleme bereiten. „Du tanzt doch nicht zum ersten Mal“, missmarplet Anke, Club-Mitglied und mich von meinen Rhythmus-Sorgen Erlösende. Nein, gestehe ich, ich hab das nur behauptet, um zu vermeiden, mich grenzenlos zu blamieren. Ätsch! Nacheinander lernen wir „Sailor Shuffle“ (angeschickert nach links bzw. rechts stolpern), „Choo choo“ (lustiges Beineverknoten mit Füßetreten) und „Rocks“ (lustiges Beineverknoten ohne Füßetreten).

Nach drei Stunden fühle ich mich zwar nicht direkt wie die designierte Blues-Weltmeisterin, jedoch auch weit nicht mehr so verstört wie zu Beginn, als Mikuláš mir den Kopf leererklärt und mir das Gefühl gegeben hatte, ich müsse direkt zur Physiotherapie und das Laufen neu lernen. „Du musst heute Abend unbedingt zur Party kommen und gucken, wie das dann in der Praxis aussieht“, findet Andreas. Finde ich eigentlich auch. Aber erstmal muss ich den „drunken sailor“ wieder aus mir rauskriegen.

https://www.youtube.com/watch?v=mXbiSL5jV4Q

// Text & Bild: Katharina Wasmeier //