Konfetti! Und außerdem … Engelschöre
Soeben hab ich mir die Ohren verstöpselt. Das ist schön, hör ich doch jetzt ein lautes Meeresrauschen, das mich vergessen lässt, dass ich nicht am Strand, sondern am Schreibtisch fläze und das wiegende Geräusch von meinem erhöhten Blutdruck rührt. Noch schöner aber ist, dass ich leider überhaupt gar nicht mehr die göttergleichen Engelsgesänge hören kann, die seit dem frühen Morgen an mein wundes Ohr herangetragen werden. Die Engel sind zwischen fünf und zehn Jahre alt, drei Stück an der Zahl, schaffen es aber dank irgendeines evolutionären Fortschritts, den sich zu durchdringen ich mich noch nicht hab entschließen können, zu klingen wie ein ganzes Bataillon. Wenn ich es mir recht überlege, bin ich mir doch gleich gar nicht mehr so sicher, ob da von einem Fort- oder nicht gar doch eher einem Rückschritt zu sprechen sei, zumindest, wenn man sich die doch sehr rudimentäre Kommunikation des Trios betrachtet. Denn anstatt miteinander zu reden so wie unsereins das tut, sprich wohlgeformte Laute zu klingenden Worten aneinanderzureihen und aus denen kluge Sätze zu bilden, verständigt sich die herzöffnende Dreifaltigkeit ausschließlich brüllend, so dass ich gelegentlich aus dem Fenster schauen und mich vergewissern muss, dass nicht, man weiß ja nie, was unserer lieben SÖR grad einfällt, über Nacht plötzlich ein Affengehege im Hof errichtet worden ist. Aktuell dröhnt seit geschätzt fünf Minuten ein einziger langgezogener Kreischlaut durchs Karree, das akustisch so wohlmeinend gestaltet ist, dass man sagt, vielleicht sollten da die Architekten wegen der neuen Meistersingersache einmal einen Tag hineinhorchen und sich eine Inspiration abholen. Der Kreischlaut sagt, so viel hab ich schon herausgefunden, etwas wie „Der Dings hat mir meinen Lieblingsast weggenommen!“ oder „Ich hab meinen Tretroller / Schokoriegel / Schlagstock in die Hecke geworfen und krieg ihn jetzt nicht mehr so gut raus.“ oder „Scheiße ich hab Konfetti aus geklauten Briefen gemacht aber das fliegt nicht gescheit.“ oder „Mama mein Sunkist ist leer jetzt hab ich es zwar auf den Boden geschmissen und zerfetzt aber es wird trotzdem nicht wieder voll.“ Manchmal schaut die Mama dann zum Fenster raus und dann aber lieber schnell wieder hinein. Die Affen testen auch ganz fleißig, wie viel ihre Umgebung wohl so aushält, zum Beispiel, wie viel Steine man werfen muss, bis eine Scheibe zerbirst – ein Beweis der expeditiven Tätigkeiten ruht strahlend auf meinem Fensterbrett. Neulich hat einmal wieder eins herausfinden wollen, wie dolle man ein Glasgefäß auf die Straßen schmettern kann, ohne dass es zerspringt. Ich sag mal so: Das wird wohl noch geübt werden müssen, so wie auch im Anschluss unter meiner wohlwollenden Aufsicht geübt werden musste, praktischerweise deutlich erkennbare rote Scherben sorgsam aufzulesen, auch aus der Hecke und dem Rasen, wohinein sie kurzerhand verstaut worden waren. Ich find Kinder ja toll. Die Stöpsel tu ich aber vielleicht trotzdem erst wieder raus, wenn ich an einem echten Strand liege. Was bald ist. Ätsch! „30 Jahre Kassandra“ (Desi, Brückenstr), „TotenCult Resurrection“ (Dooser Str), „King Kong Kicks“ (Stereo, Klaragasse), „[Unaussprechlicher Veranstaltungsname]“ (Z-Bau, Frankenstr) und am Samstag „90s Trashgalore“ (Hirsch, Vogelweiher), „Abrakadabra“ (Rakete, ebd), „Tekkworkxx“ (4hertz, Königstr), „Soulnight“ (Z-Bau), „Education in Roots“ (Z-Bau). A propos Engelsgesang: Der weltallerschönste Karaokeschuppen unweit des Hallertors macht am Samstag nach ungefähr 49307 Jahren die Schotten dicht. Wenn ich ihr wär, tät ich hingehen und mit meinem Gesang getreu dem Motto „Nicht so schön, aber dafür schön laut“ Abschied nehmen. Und der Chefin den goldenen Ohrstöpsel verleihen.
// Text: Katharina Wasmeier / Bild: Hannah Rabenstein //
~~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ~~