Konfetti! Und außerdem … Hundsgrübbl, verregder!
Im Jahre 2003 n. Chr. kam es in einer mittelalterlichen Innenstadt zu einem folgenschweren Ereignis. Die verschlungenen Wege meines Schicksals und dem eines älteren Bürgers kreuzten sich unvermittelt, und nur durch eine geschickte Kombination flink-graziler Ausfallschritte konnte ich das Schlimmste vermeiden. Meine Erleichterung war grenzenlos, die des Bürgers nicht. Er drehte sich um und sprach die magischen Worte, mit denen sich meine bis dato unbeschwerte Welt plötzlich verdunkelte. Seitdem wanderte ich durch das tiefe Tal der Trübnis, grämte mich, wachte nächtens auf und frug mich ohne Unterlass: „Warum nur hat der Mann mich eine ‚bläide Sunna‘ genannt?“ Unlängst fand die Qual ein jähes Ende. Eine Freundin, sprachlich sozialisiert im fränkischen Umland, klärte mich auf. „Blöde Sonnenblume“, lernte ich staunend, sei eine gängige Beschimpfung der hiesigen Lexik. Seitdem bin ich erleichtert, das Leben hat wieder einen Sinn, ich hüpfe singend durch die Wiesen und trage Käfer über die Straßen. Schimpfwort! Toll! Und viel zu selten bemüht!
Dabei erstreckt sich doch gerade die fränkische Beschimpfungslandschaft beinahe endlos bis zum Horizont: Doldi, Dulln, Bridschn – wie viel klangvoller kann man einem Menschen denn seine ganze Verachtung ins Gesicht speien? Mit „Du, ich find dich eigentlich nur so mitteldufte, weißte“ eher nicht. Lieber so: Ruuzlöffl! Grampfbeudl! Keeszibfl! Hundsfregger! Laggl! Blousoarsch! Brunzkübl! Rahmsau! Hundsgnochn! Blunsn! Oarschmannskoarla! Dreegschleider! Hiernheiner! Bimerlaswichtig! Dullnramer! Gsichdsgrapfn! Bauernzwedschgn! Diddlergrabscher! Greinmeicherla! Graddler! Blooßoarsch! Simbl! Bridschlerbadscher! oder mein persönlicher Favorit: „Du elendiche Rechimendssau!“ Wer das aus dem Effeff beherrscht, der weiß auch, wo der Barthel den Most holt.
Jetzt müsste man nur noch wissen, was diese ganzen phonetischen Schönheiten wohl zu bedeuten haben. Meine nachdrückliche Empfehlung lautet: Feldversuch! Gehet hinaus und widmet euch den Exerzitien! Mit ein bisschen Glück findet ihr direkt jemanden, der euch dann schon erklärt, was ihr ihm fröhlich ins Gesicht gebelfert habt. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass infolgedessen sehr viele Menschen ins gleiche Elend gestürzt werden wie ich seinerzeit. Das wird prima, und deswegen erweitere ich, freilich südlich der Benrather Linie bleibend, nicht dass mir jetzt einer mit „Dösbaddel“ kommt, die Königsklasse um zwei Beschimpfungen, denen ich mich biographisch sehr verbunden fühle: Zwiderwurzn und Bißgurn! So! Auf auf, und dass mir hinterher keine Klagen kommen von wegen es wär wieder nur der böse Alkohol schuld an der Schlägerei! Nein, ab heut wird sich geprügelt mit fränkischem Stil!
/ Text: Katharina Wasmeier. Bild: Hannah Rabenstein /
~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa!“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten ~