Konfetti - Die Kolumne

Konfetti! Und außerdem … Kidnapping

Der Tag hätte so schön sein können. Draußen Schnee und Sturm aus allen Richtungen, der Himmel  verdrießlich und grau wie die Gesichter der Menschen, ich drinnen und frei von Terminen und dringlichen Aufgaben. Herrlich, dachte ich, der perfekte Tag für einen Ausflug in eine Therme! Müßiggang und kuscheliges Frottee, während der Pöbel in Arbeit und Kita verräumt ist – das mach ich!, und schnürte im Geiste schon mein Bündel aus Buch, Proviant und Faulheit, als sich plötzlich aus dem Nichts der Mann vor mir materialisierte, wild mit den Armen ruderte und das Schlimmste sprach: Ich verspräche seit Jahren, mich um „die Situation“ zu kümmern, die er lange geduldet, doch nunmehr für unerträglich befunden habe. Es sei heute „das perfekte Wetter dafür“ und ich habe ja „ganz offensichtlich eh nichts Besseres zu tun“. Er stünde nun persönlich Wache, damit ich das Haus nicht verließe, bis „das Thema restlos abgehakt“ sei und nein, er wolle jetzt nichts von „deinem Saustall im Keller hören“, da das eine mit dem anderen „rein gar nichts zu tun“ habe. „Du“, drohte der Mann, „mistest jetzt ENDLICH deinen Kleiderschrank aus!“ – „DAS IST KIDNAPPING!“ schrie ich und wälzte mich auf dem Boden, „HILFE!“, doch niemand half. „DAS IST DAS SCHLIMMSTE!“, weinte ich und warf mich ihm zu Füßen, „bitte bitte tu mir das nicht an!“, doch er blieb unerbittlich. „Ich fühl mich plötzlich gar nicht wohl, ich hab so Kopfweh und mir ist auch ein bisschen schlecht“, gestand ich und legte mich eilig ins Bett, doch Herr Gnadenlos ließ sich nicht erweichen … Auf zwölf Kubikmetern Schrank lagere textiler Unrat, von dem ich nicht mal wisse, dass es ihn gäbe, geschweige denn dass ich ihn anzöge. Es sei dem jetzt ein Ende zu bereiten! Zu allem Überdruss muss ich sagen: Er hat ja nicht direkt Unrecht. In meinen Schränken sind keine Klamotten, sondern meine persönliche Altkleidersammlung. Was von außen aussieht wie unendliches Chaos aus zum Bersten gefüllten Schubladen und Regalen mit neben- und hintereinandergestapelten Türmen ist in Wahrheit ein brillant austariertes System höchster Ordnung, thematisch und funktional sortiert. Es gibt da Teile für jeden Anlass (festlich, sportlich, Karneval). Es gibt Teile, die mir passen, solche für den Fall einer spontanen Wiedererschlankung sowie die für den umgekehrten (Not)Fall. Es gibt Stapel für Umzug, Streichen, Gartenarbeit, jedes meteorologisch denkbare Phänomen und Frivoles für den (unwahrscheinlichen) Fall eines journalistischen Rechercheeinsatzes auf einer Fetischparty. Und dann gibt es noch winzige Häufchen aus Klamotten, die ich wirklich und tatsächlich täglich trage – und von denen der herz- und gewissenlose Grobian denkt, sie seien die einzigen Teile mit Aufenthaltsrecht … Oje, jetzt kommt er mich holen! Schönen 1. Advent!

// Text: Katharina Wasmeier / Foto: Unsplash //

~~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa“ in der Freitagsausgabe Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ~~