Konfetti! Und außerdem … Nostalgietüte
Ich hab alles versucht, ich schwör’s! Ich hab gekämpft und mich gewunden, mich geekelt und geschämt, ich war im inneren Dialog verhaftet, habe mir gut zugeredet, aber es war stärker, der Kampf von vornherein verloren. Wehrlos musste ich dabei zusehen, wie mein inneres Kind freudestrahlend ins Regal griff und sich holte, was es wollte. „Nostalgie-Tüte – Süßigkeiten aus der Kindheit“ las ich, und mein Magen vollführte einen Krampf, das innere Kind Freudensprünge. Ich befinde mich jetzt also im zweifelhaften Besitz von Widerwärtigkeiten wie beispielsweise Leckmuscheln, PFUI DEIFI! Am besten zieh ich gleich noch los und jage Hubbabubba aus der Tube, Magic Gums mit grünknisternden Aliens und halt all das, wofür man seinerzeit die Pfennige ausgegeben hat, die einem die Oma vor dem Tiergartenbesuch zusteckte „damit du dir was Schönes kaufen kannst“, und dabei an Äpfel dachte. Aber man darf ja sonst nichts mehr.
Wenn’s Glück hat, darf ein Kind Kind sein, bis es sich im Alter von circa vier Jahren der Zucht und Ordnung der Zivilisation zu unterwerfen hat und den damit einhergehenden Restriktionen und Verhaltenskodizes. Nicht umsonst gehört zu einem meiner allerliebsten Lieblingssätze das von Renate Lohse mit Verve und unerreichter Elégance gesprochene „Wenn ich jetzt noch einmal Birne Helene höre, werfe ich mich hier auf den Boden und beiße in die Auslegeware!“ Chapeau, ich mache mit! Wie schön wäre eine Welt, in der sich Erwachsene mit Anlauf in Pfützen stürzen statt um sie herum zu tippeln. Wie wunderbar wäre es, zu sehen, wie sich ein gereifter Mensch nicht etwa im stillen Gebet davon abhält, an der Supermarkt-Kasse allen 17 dargebotenen Schoko-Riegeln zum Opfer zu fallen, sondern in lauter Unvernunft rot anzulaufen und mit sich selber in Wutgeheule auszubrechen.
Herr Ober, können Sie mir das Entre Côte bitte in mundgerechte Stücke schneiden und die Prinzessböhnchen frisurenförmig anrichten, dann schmeckt’s mir gleich noch besser. Natürlich leuchtet mir ein, dass sich das auf den gesamtgesellschaftlichen Geräuschpegel eventuell beungünstigend auswirken könnte, schließlich haben ja sehr viele Erwachsene sehr oft irgendwas. Aber mal kurz vorstellen kann ich’s mir ja. Und auch, wie die Leute beim Feinkost Albrecht wohl geschaut hätten, wenn ich das Kunststück vollbracht hätte, den Wagen an der Nostalgie-Tüte vorbei zu schieben und mich gleichzeitig über den Boden schleifend mit den Fäusten trommelnd Rotzblasen werfend und Flüche speiend gewaltsam aus dem Laden zu entfernen.
/ Text: Katharina Wasmeier. Bild: Hannah Rabenstein /
~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa!“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten ~