Diskotanz
Konfetti - Die Kolumne

Konfetti! Und außerdem … Regentänze

Meine süßen Rotznasen, was bin ich froh, dass ich euch nicht persönlich sehen und begrüßen muss! Nicht dass ich euch nicht irre gern persönlich sehen möchte, aber begrüßen? Nein, bitte lieber nicht. Ich bin schon vollauf damit beschäftigt, um nicht zu sagen: überfordert mit meinen alltäglichen Kontakten und dem Begrüßungszeremoniell, dass sich da andauernd in aller Öffentlichkeit abspielt. Früher hast du dich gesehen und dann so „Hey!“ und dann so je nach Kontext Highfive, Bussibussi, Drückerle, Händedruck oder verhaltenes Nicken. Jetzt so: Man sieht sich aus der Ferne, zeitgleich steigt ein erstes leises Gefühl von milder Fläue bis Panik im Bauch auf. Eine Stimme schreit dir im Ohr „Dreh um! Bind dir den Schuh! Verliere etwas! Hab etwas vergessen!“ doch leider kommt sie mit dem Tipp zu spät, du hast bereits gelächelt oder zumindest irgendwo das Gesicht in Erkenntnis aufzucken lassen. Du straffst die Schultern, überwindest die letzten Meter tapfer und dann beginnt der Servus-Dance: eine Abfolge bewährter wie neuer Begrüßungsrituale, eingeleitet von einer angedeuteten Umarmung – nur leider wegen völliger Überforderungen und individueller Präferenzen in völlig unchoreographiert, weswegen die vermeintlich harmlose Begrüßung zu einer Mischung als Wrestling, Capoeira und Schuhplattler gerät. Oder Regentanz, anders kann ich mir die sintflutartigen Sturzbäche nicht erklären, die aus blauem Maihimmel derzeit über uns hereinbrechen als hätt der Niagarafall sich über Nürnberg teleportiert. Nein, es sind nur viele viele Menschen, die den ganzen Tag Begrüßungstänze aufführen und dabei froh sind, im Knäuel aus Ellbogencheck, Bro-Fist, Umarmung und Heel-Drop keine blutigen Nasen davon zu tragen. Früher, als man noch schwer maskiert auf die Straße gehen durfte, war das alles besser. In Sicherheit verborgen unter dickem Atemschutz konnte man anonym und unbehelligt durch die Ladenzeilen streifen und sich darauf verlassen, dass zwar der Aushilfskassier im Stammsupermarkt dich auf zehn Meter Entfernung nur an den Augenschlitzen erkennt, nicht aber die Ex-Chefin, der du dich wohlig schauernd auf 30 Zentimeter nähern und dann im Schutz der Maskerade schwungvoll die Zunge blecken konntest. Heute bist du zurückgeworfen auf dich, deine Reaktionsfähigkeit und soziale Kompetenz, die jedoch ohnehin zur Disposition steht, wenn du dich beispielsweise erst zwei Stunden beim Konzert schwitzend an Fremdkörpern gerieben und später von diesen per Fernfaustschlag verabschiedet hast. Ebenfalls bemerkenswert: Sich erst distanziert begrüßen und nach zwei Stunden Ratsch und Gaudi feste in den Arm nehmen weil omnia vincit amor – und corona vincit amor sowieso.

// Text: Katharina Wasmeier / Bild: Hannah Rabenstein //

~~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ~~