So war: Jamie Cullum
Jamie Cullum live: Ganz groß!
Welche Musik hörst du gerne? Jazz? Rock? Aber auch Pop und Soul? Muss man sich überhaupt auf ein Genre festlegen? Nein – jedenfalls nicht mehr seitdem es Musiker wie Jamie Cullum gibt. Er kennt musikalisch keine Grenzen und mixt, worauf er gerade Lust hat. Und was passiert, wenn sämtliche Genres miteinander kombiniert werden? Größte Ekstase – so wie beim 27. Jazz & Blues Open in Wendelstein. Für sechs Tage verwandelt sich der kleine fränkische Ort „Markt Wendelstein“ in der Nähe von Nürnberg zu einem Treffpunkt für Jazzbegeisterte aus der ganzen Region. Und das normalerweise jedes Jahr.
Doch nun war zwei Jahre lang Pause. Zwei Jahre warten auf einen der erfolgreichsten Jazz-Musiker Englands. Zwei Jahre warten auf Jamie Cullum. 1 672 430 monatliche Hörer*innen auf Spotify. Und dieser Jazz-Musiker, dieser Jamie Cullum darf natürlich nicht fehlen, wenn die Crème de la Crème das Beste aus Jazz und Blues abliefert. Auch in Wendelstein nicht. Wir gehen hin. Keine Maske, keine Kontrollen – wie sich das anfühlt? Ungewohnt, aber überraschend gut. Hauptsache endlich wieder Live-Musik. Das Publikum in Wendelstein: eher älteres Semester – und mittendrin ein paar jüngere Fans.
„Guten Abend Wendelstein, ich heiße Jamie Cullum“ – sagt der ungefähr 1,64 große Mann in Britischem Deutsch mit einem verschmitzten Lächeln. Die Zauselfrisur lässt vermuten, dass er gerade erst aus dem Bett gefallen ist. Es geht los. Völlige Anspannung, weil keine Ahnung was jetzt passiert. Er startet mit dem Song „Taller“ an seinem Piano und wirkt gleich viel größer. Seine Stimme, rauchig-weich, füllt den Konzertsaal. Das Publikum so begeistert, dass sofort rhythmisch mitgeklatscht wird. Dass das in diesem Moment nicht passt, merken die Klatscher zum Glück schnell selbst. Bitte einfach nur zuhören und genießen. Es folgen die nächsten Songs und schnell wird klar: Nein, ein ruhiger Abend wird das nicht. Stattdessen zwei Stunden Augenschmaus mit einer grandiosen Live-Performance von ihm und seinen Bandkollegen.
Jamie Cullum ist einfach mitreißend – am Flügel oder sogar darauf, er haut in die Tasten und springt wild herum. Singt hervorragend. Läuft wie ein Tiger von rechts nach links – hyponotierst das Publikum. Tanzt fesselnd und fordert das Publikum immer wieder laut auf: „Jump with me!“ Teilweise sorgt man sich etwas um das Klavier – nicht zuletzt auch um seinen Klavierhocker, den er im Rausch der Gefühle in die Ecke pfeffert. Seine Bandkollegen und er gehen völlig energiegeladen zur Sache – mit fantastischen instrumentalen Solos und Tanzeinlagen. So verschwitzt wie Jamie Cullum ist auch das Publikum. Tanzen und Schwitzen. Man hat völlig vergessen, wie gut sich das anfühlt. Neidisch auf die Fans, die in der ersten Reihe stehen. Denn er kommt ganz nah.
Die zwei Stunden verfliegen – keiner will, dass diese herrliche Mischung, dieses großartige Gefühl aufhört. Balladen rühren zu Tränen – spätestens bei seiner Interpretation von „High and Dry“ haben alle feuchte Augen. Kurze Erholung und weiter geht es mit hüpfen, schwitzen tanzen und ganz viel Emotionen – bis zum Schluss. Wer übrigens vor dem Konzert noch kein Fan von Jamie Cullum war, ist es währenddessen mit Sicherheit geworden. Und spätestens beim Verlassen des Konzerts ist auch jedem klar, was man in den letzten zwei Jahren so vermisst hat: genau so einen grandiosen Abend!
Text: Yasmin Pohl / Foto: Danny North