Konfetti - Die Kolumne

Konfetti! Und außerdem … VAG’s Castle

Sonntags hat unsereins ja die Wahl, in narzisstischem Einklang mit sich selbst auf der Couch zu ruhen und sich in sich selbst verliebt Träubchen in den Mund zu stippen, ab und an den Blick zum Fenster zu richten und den durchs Haar wehenden Wind der Freiheit zu imaginieren. Oder sich versuchsweise sozial zu betätigen. Entschied mich für letzteres. Großer Ausflug, Reise, Gaudiwurm, aufgeregte Bescheidenheit. Ein schlauerer Mensch als ich es bin hätte die Zeichen richtig zu deuten gewusst, als ihm im Eingangsbereich des Busses ein frischgepflanztes Gänsedefäkat seine Aufwartung machte, doch mir erhöhte das nur die Abenteuerlust. Wie mutmaßlich die meisten Nürnberger empfinde ich gegenüber der heimischen Verkehrsaktiengesellschaft tiefe Liebe und Zuneigung. Tu felix norimberga, und ein Schelm, wer „Stockholm-Syndrom“ dabei denkt!

Und anlässlich des kaum verstrichenen „Habberlestages“, wie eine Freundin zu sagen pflegt, hatte eben jener Spaßverein sich passend zur lustigen fünften Jahreszeit ein Liebesgeschenk der ganz besonderen Art ausgedacht – nicht extra für mich, iwo, dafür aber für alle Beingodiks, die der Idee anheimgefallen waren, man könnte den sonnigen Tag für einen innerstädtischen Ausflug missbrauchen und den am Rathenauplatz beginnen, weil der ÖPNV infrastrukturell hier in puncto Abdeckung seinesgleichen sucht. Nach Vorbild des japanisch-intellektuellen Fernsehformats „Takeshi’s Castle“ ward also ein Parcours errichtet, der geistig wie körperlich anregend und charakterformend wirken sollte. Es gab Rätsel zu lösen („Ah, die Außer-Betrieb-Anzeige des Aufzuges ist gar nicht außer Betrieb, man muss nur eine Handhöhle bilden, um das Lämpchen zu entdecken, anstatt weitere zehn Minuten vergeblich zu warten!“), Schikanen zu überwinden („Cool, Treppen rauf und runter einbeinig hüpfen, wie im Kindergarten damals, ich fühl mich gleich viel jünger!“), Sozialkompetenz unter Beweis („Ach Sie ärmste alte Dame, seit einer halben Stunde warten Sie hier schon auf Hilfe und wissen nicht, wie Sie zur U-Bahn gelangen sollen mit Ihrem Rollator? Moment, das haben wir gleich!“) sowie sich selbst mit odsysseus’scher Schläue dem Endgegner zu stellen („Dreibeinig auf diese mörderische Rolltreppe schildkröten, um mich vierteilen und skalpieren lassen? Nicht mit mir! Ich hol mir jetzt ein Taxi!“).

Nach nur gut einer halben Stunde an diesem an architektonischer wie landschaftsgärtnerischer Pracht kaum zu überbietendem Ort, der mutmaßlich der einzige der rund 80 U-Bahnhaltestellen ist, an dem Teleportation noch nicht einwandfrei funktioniert, verließ ich ihn als Sieger und überholte im hellgelben Triumpfwagen übermütig klatschend auch noch den Gaudiwurm, um ihn anschließend in all seiner Pracht bewundern zu können. „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern, keine Angst, keine Angst, VAG!“

/ Text: Katharina Wasmeier. Bild: Hannah Rabenstein /

~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa!“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten ~