Schluss mit Edel Extra?
Im Juli dieses Jahres gingen erstmalig Nürnberger auf die Straßen, um für ein Mehr an Band- und Kunsträumen in der Stadt zu demonstrieren. Während dieser Wunsch so laut wie ungehört geblieben ist, droht aus dem „Mehr“ zum Ende des Jahres ein „Weniger“ zu werden. „Das Edel Extra schließt“, kündigte Anfang September ausgerechnet derjenige Kulturverein an, in dem einige Mitglieder kurz zuvor noch mit dem Spezialpreis „Künstler als Kuratoren“ des Bayerischen Kunstförderpreises 2018 ausgezeichnet worden waren. Doch es gibt Rettungsmöglichkeiten.
„Unsere Kräfte sind beschränkt“, sagt Sybille Körner, einer der vier Initiatoren des „Vereins zur Förderung ästhetischer Prozesse“. Ein Zusammenschluss von kunstaktiven- und interessierten Menschen, die seit April 2014 einen Raum für ästhetische Auseinandersetzungen und Versuche bereitstellen – und vor allem auch „einen bewussten Gegensatz zu den Institutionen für Bildende Kunst“. Kein musealer Rahmen, keine typische Galerie, sondern eher ein Experimentierraum, in dem von Lesung über Konzert, von Malerei bis Installation die ganze Bandbreite künstlerischer und kultureller Akteure stattfinden durfte. Damit könnte es womöglich bald vorbei sein, denn was fehlt, sind engagierte Nachfolger, die Lust haben, den Kulturraum in der Gostenhofer Müllnerstraße weiter zu beleben. „Die vier Gründungsmitglieder, also diejenigen, die sich die Ziele und Statuten, die Gestaltung des Programms überlegt haben, können mittlerweile kaum mehr aktiv sein“, berichtet Claudia Holzinger, seit zwei Jahren im Vorstand. Lilly Urbat, Sybille Körner, Susanne Wohlfahrt und Bernd Pflaum sind weitergegangen auf ihrem Lebens- und Schaffensweg. Oder aus Frust?
„Es ist nicht erfüllend“, sagt Lilly Urbat. „Die Nürnberger Kunstszene ist schlecht organisiert und undankbar. Die Themen werden selten verhandelt, die Leute interessieren sich nur für Bier.“ Für ambitionierte Künstlerinnen und Künstler gebe es keine Jobs, zudem keine Medienlandschaft, keine innivativen Ideen, keine Wagnisse, „die ganze Stadt hat keine Visionen aber einen Arsch voll Angst.“ Man könne nie selber gestalten, kritisiert die Künstlerin, sondern „immer nur schlimmeres verhindern.“ Die Stadtpolitik würde kaum etwas befürworten, Interesse an Edel Extra nur im Zuge der Kulturhauptstadtbewerbung bekunden. Was Kultur und Kunst wirklich bedeute, so Urbat, würde gar nicht verhandelt. „Wie die Blaue Nacht im nationalen Vergleich von Kunstgroßveranstaltungen abschneidet, wie viele Off Spaces, Freiräume, Proberäume, Ateliers, Galerien es gibt“, gemessen an der Größe der Stadt? „Will Nürnberg wirklich eine frische, sexy, visionäre, mutige, kreative, witzige Stadt sein“, fragt Lilly Urbat, „oder glauben Lokalpolitiker, dass Felsenkeller und Stadtverführungen, die zum Shoppen anregen, den Begriff von Kultur im 21. Jahrhundert abbilden können?“ Dem entgegenzuarbeiten war eines der großen Bestreben des Vereins Edel Extra. Doch das kostet Kraft. Die schwindet.
„Die Mitglieder, die aktiv Zeit, Arbeitskraft und Organisationsaufwand in die Veranstaltung stecken, sind einfach zu wenige“, sagt Holzinger. Denn bei der Bespielung eines solchen Kulturraums braucht es viel Energie, die von der Öffentlichkeit unbemerkt im Hintergrund investiert wird. Bewerbungen müssen gesichtet, Künstlergespräche geführt, Konzepte erarbeitet werden. Newsletter und Werbemittel produzieren sich nicht von alleine, Räume, die immer wieder den buntesten Verwandlungen unterzogen werden, gilt es stets in einen Grundzustand rückzuversetzen. „Man muss immer da sein, auch, um einfache Hausmeisterarbeiten zu erledigen.“ Und sich dabei mit der Aufgabe identifizieren. Das, so scheint es, kann die kleine Anzahl Aktiver so nicht mehr weiterführen. „Wir haben immer versucht, neue, frische Leute in den Verein zu holen, Türen zu öffnen und einen sanften Generationenwechsel anzubieten“, so Sybille Körner. Das habe leider nicht geklappt. Die Frage nach dem Warum bleibt bislang unbeantwortet.
Möglich, dass ein „enges Bild“ entstanden ist, das neue Leute abschreckt. Doch das habe man nie gewollt, sondern ein Verein, der offen ist für Ideen, Veranstaltungen – auch und gerade von Externen. Die können jetzt zuschlagen. Vielleicht. „Wir wollen am 18. Oktober diskutieren, wie es mit dem Raum weitergehen kann – ob als Edel Extra oder anders“, sagt Sybille Körner und stellt Optionen zur Disposition: Neue Leute, die sich vorstellen können, sich aktiv in den bestehenden Verein einzubringen, sind eben so gefragt wie solche, die engagiert genug wären, ein ganz eigenes Konzept zu erarbeiten – und als neues Kollektiv mit neuem Programm den bestehenden Verein abzulösen und den mehrteiligen, verwinkelten Ort mit Schaufenster zu beleben. „Uns ist wichtig, den Raum als Kunst- und Kulturort zur Weiterführung anzubieten“, sagt auch Claudia Holzinger. In welcher Zusammensetzung, unter welchem Namen, das ist erstmal egal. Ein Angebot, das für alle gilt. Für ein Mehr an Kulturräumen. Nicht für Weniger.
„Edel Extra e. V.: Besprechung einer möglichen Übergangsphase oder Ablösung“ am 18. Oktober um 19 Uhr in der Müllnerstraße 22, edelextra.biz
//Text: Katharina Wasmeier / Bild: Edel Extra e. V. //