Gehört / Live / Meinung / Musik

Best of 2021?!?

Eigentlich wollten wir hier unser musikalisches Jahr 2021 zusammen fassen. Aber… nun ja…

[guesswhoisbad]
Was soll man über das musikalische Jahr 2021 überhaupt Worte verlieren, wenn  sowohl die Lust auf als auch die Freude an Musik hier in Bayern gerade mal sieben Wochen Zeit bekommen haben, um sich mehr oder weniger komplett zu entfalten? Oh sorry, es geht hier ja um unsere liebsten Konzerte und Songs, nicht um unseren Corona-Frust. Dann listen wir einfach mal ein paar Sachen auf und alle sind glücklich? Wir könnten diese Listen doch einfach mal ausfallen lassen. Jede schreibt, erzählt oder postet stattdessen sein schönstes (pop)kulturelles Erlebnis 2021. Wenn das nicht zufälligerweise innerhalb der oben genannten sieben Wochen war, ein trauriges Stück Schei*ße.

Mitte September auf dem Hamburger Reeperbahnfestival, diesem Date, an dem sich die Musikbranche trifft, sich tagsüber Biere und Lächeln ausgibt, am Vorabend zwischen Preisverleihung und Kegelbahn schwankt und dann zusammen mit dem begeisterten Nicht-Fachpublikum die Konzertbühnen der Festivalmeile auf St. Pauli einnimmt, um die besten Acts von morgen zu sehen. Heuer war das abends anders, weil die Veranstalter:innen sich für 3G entschieden hatten und es ein dazugehöriges Regelwerk gab. Man stand mehrere Bier lang in viel zu großen Schlangen für viel zu kleine Kapazitäten. In einen 1000er Club wurden 143 Menschen rein gelassen. Mit Maske und Abstand. Wer sich vom bodenmarkierten Platz weg bewegte, wurde direkt von der (freundlichen) Security dazu aufgefordert, wieder zurück zu gehen. Wer einen Drink in der Hand hatte  – das war erlaubt – fühlte sich wie ein Schwerverbrecher, wenn er die Maske zum Trinken abnahm. Nach dem Konzert ging es direkt wieder raus. Dass einige dieser Konzerte trotz allem grandios waren (zum Beispiel die von Dillon und Balbina), machte einen im Nachgang noch fertiger. Den letzten Schluck gab es im Hotelzimmer, Bars waren keine mehr auf um Mitternacht.

Anfang Oktober auf dem Nürnberg Pop Festival. Wir sind nun innerhalb dieser oben genannten sieben Wochen. Die Veranstalter:innen hatten sich für 2G+ entschieden. Die Maske konnte beim Betreten einer Spielstätte abgenommen werden. Es gab keine Abstände. Die Prognosen der Hemmschwellen-Forscher:innen liefen zu 110% ins Leere.  Es gab keine Hemmschwellen. Es standen Künstler:innen auf der Bühne, es wurde gesungen, getanzt, gefeiert, … zu Jeremias in der Kathariennruine Purzelbäume geschlagen, bei BLVTH im KORN´S gab es quasi einen Nonstop Moshpit, Tribe Friday aus Schweden spielten nach ihrem Auftritt im Stereo vor dem Club einfach nochmal akustisch einen auf, Elena Steri in der Klarakirche hatte standing ovations von Menschen, in deren Gesichter sie blicken konnte. Es war ein Rausch der Glückseligkeit. Für sieben Wochen. Als sich die Menschen ein paar Erlebnisse später bei den letzten Partys und Konzerten in den Armen lagen, hatten sie Tränen in den Augen. Aus Wut und Trauer, Verständnis und Frust.

Lockdown. Wieder. Wer nicht von Lockdown redet, lügt sich was in die Tasche. Oder sind 25% mit Maske, Abstand, sitzend und mit zusätzlichem Test kein Lockdown? Das war es mit der Kultur für dieses Jahr und für mindestens den Beginn des kommenden Jahres. Vielleicht sollte man Kulturdemos in Kulturorten, Clubs, Theatern, Kinos, Bars, … organisieren. Denn bei Demos geht ja scheinbar alles. Ohne Maske, ohne Abstand. Gerade wieder hier in Nürnberg erlebt, wo am vergangenen Wochenende laut Presseberichten 12´000 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert haben. Zuzüglich jeder Menge rechter Sprüche und Hetze. Polizei? War da. Zwei Wochen davor übrigens auch, aber um einiges aktiver, als mit SEK Support und großem Aufgebot die Geburtstagsfeier eines Clubbetreibers in seinem Club in der Altstadt amtlich auseinander genommen wurde. Bleiben wir auf dem Boden, an so was sind in der Regel zwei Seiten (mit)schuld. Aber ist das verhältnismäßig? Es wird erwartet, auf alles, was für uns sehr wohl systemrelevant ist und auch Spaß macht, zu verzichten, uns an Regeln zu halten, Masken zu tragen und die, die sich dagegen weigern, können machen was sie wollen? Danke dafür, dass wir uns saumäßig verarscht fühlen. Und am Montag danach unseren Kids ne Maske für Schulweg und Klassenzimmer mitgeben müssen? F*ckt euch, ihr habt es noch nicht begriffen, dass auch eure Kinder vielleicht keine Maske mehr bräuchten wenn ihr alle geimpft wärt oder? Wenn ihr das schon nicht für euch (und uns) macht, macht es wenigstens für eure (und unsere) Kinder.

Dann hätte die Presse wenigstens mal was Gescheites zu berichten. Impfgegner:innen lassen sich impfen wegen ihren Kindern. Wie würde unsere kleine Welt ausschauen, wenn ein viel zu großer Teil der Presse jeden Tag die Menschen, die sich impfen lassen, so feiert wie die Impfverweigerer? Und auch mal versucht, positiv dabei mit zu helfen, dass sich noch mehr Menschen impfen lassen? Quo Vadis Presse? Du stehst nicht auf der richtigen Seite. Aus deiner Sicht der Dinge (Kasse vor der Pandemie schon leer, jetzt auch nicht viel besser aber eben auch nicht viel schlechter) hast du vielleicht Recht. Aber wie ist es aus moralischer Sicht? Vollversagen.

Darauf ein Stück Musik. Nicht mehr.

[Simon]

Starten wir meinen Jahresrückblick doch einfach mal mit ’nem Zitat. „Wenn sich alle so aufführen, dann können wir sowas wie Corona halt nicht mehr machen.“ – Verfasser unbekannt.

Der unbekannte Verfasser hat damit aber sowas von Recht.
Wenn es diese egomanischen Arschgeigen nicht gäbe, dann hätten wir die ganze Scheiße wahrscheinlich schon hinter uns. Würden uns an den Wochenenden wieder in den Armen liegen. Würden zu unseren Lieblings-DJs tanzen. Am Tag darauf uns und den Alkohol verfluchen, bevor es am nächsten Wochenende wieder genauso läuft. Was wäre das schön…
Aber es war ja nicht alles schlecht. In den wenigen Wochen der Freiheit gab es schon geile Sachen. Ich hatte nen verdammt geilen Geburtstag. War zum ersten Mal auf Reeperbahn Festival, welches eindrucksvoll gezeigt hat, wie man während einer Pandemie kein Festival veranstaltet. Zwei Wochen später beim Nürnberg Pop wurde dann genau das Gegenteil gezeigt. Hach, was war das schön. Musik, Freunde, gute Laune, tolle Menschen. Aber dazu wurde eigentlich schon genug geschrieben.
Musikalisch hat dieses Jahr mit den Alben von Danger Dan, Akne Kid Joe, IDLES, Gisbert zu Knyphausen & Kai Schumacher, den Sleaford Mods und vielen mehr auch echt ordentlich was auf dem Kasten gehabt. Geiler wäre aber gewesen, wenn man zu den Songs auch im Club hätte tanzen können. Denn wie ich im neuen Lockdown feststellen musste, ist jemand im Nachbarhaus etwas lärmempfindlich und hat wohl die Polizei auf Kurzwahl. Ziemlicher Downer, der Typ. Da mag man sich dann auch zuhause keinen reinstellen, aus Angst, dass die Polizei mal wieder klingelt.

Was bleibt uns also? Fangen wir wieder an uns via zoom zu treffen? Werden Streams wieder der neue Clubabend? Da Claus schon wieder fleißig aus seinem Wohnzimmer streamt, rechne ich damit, dass es wohl wieder so werden wird, wie 2020. Same shit, different year. Die Stereo-Streams und Claus dem Wohnzimmer Abende werden Lichtstrahlen im Dunkel der Pandemie sein. Das Sozialverhalten wird sich weiter verschlechtern. Ach, langsam hab ich echt keinen Bock mehr auf die Scheiße. Können wir jetzt einfach aufhören mit Pandemie? Ich hätte nix dagegen.
Ich wünsche mir vom Christkind einfach ein 2022, das uns positiv überrascht.

[Jens]

Das ist immer das Problem, wenn man als Letzter schreibt. Vieles meiner Vorschreiber würde ich auch so unterschreiben. Natürlich ist es frustrierend, was jetzt gerade wieder der aktuelle Stand ist. Vielleicht sogar noch schlimmer als beim ersten Mal. Die Hoffnung war da, das es endlich vorbei ist. Wir wieder in den Alltag zurückkehren können. Wir haben 7 Wochen lang in dem Glauben gelebt, dass alles wieder gut ist. Haben mit Nürnberg.Pop ein wunderbares und entspanntes Festival gehabt. Hatten bei uns im Stereo großartige Konzerte und vor allem auch Feiern. Und dann wurde uns alles wieder weggenommen. Man fühlt sich wie ein kleines Kind, dem man sein Spielzeug, das man unbedingt haben möchte, kurz gibt und dann wieder wegnimmt.

Aber ich bin es leid und vor allem viel zu müde, um immer wieder seit mittlerweile fast 2 Jahren immer nur zu jammern oder rumzuheulen wie schlecht und deprimierend das alles ist. Wie sehr einem alles fehlt und wie dringend man das alles wieder haben möchte und auch braucht. Natürlich ist das so. Das ändert sich auch nicht. Und das hab ich jetzt schon tausendfach gesagt, geschrieben und erklärt. Mir gehts beschissen!! Aber trotzdem versuch ich positiv in die Zukunft zu sehen. Irgendwann muss das alles vorbei sein. Irgendwann wird wieder alles gut. Irgendwann werden wir wieder volle Konzerte, Festivals und Feiern erleben. Ganz sicher!

Zu meinem Konzert-Jahr: Nun, natürlich war Nürnberg.Pop DAS Highlight. Auch wenn ich da nicht alles bzw. viel gesehen habe von den Bands, war es wunderbar so viele glückliche Menschen zu sehen. Dieses Festival-Gefühl war endlich mal wieder da. Und rausheben muss ich da dann doch den guten Fortuna Ehrenfeld, mit dem man einfach immer Spaß hat, wenn er da ist. Gut, dass wir in nächstes Jahr gleich zweimal bei uns zu Gast haben dürfen. Mein einziges Sitz-Konzert während dem Lockdown war Olli Schulz in Erlangen. Auch das war wunderbar und sehr emotional. Der Mann hats Live einfach drauf! Unser Konzert von Provinz im Z-Bau muss hervorgehoben werden. Und jetzt vor Kurzem natürlich auch noch der kurze Ausflug mit Me & Reas zu ihrem Konzert nach Hamburg. Auch das hat gut getan.

Wir sind ja ein Musik- und Kulturblog, deshalb leiden auch wir hier extrem unter den Beschränkungen. Wir können keine Konzert- oder Festival Vor- bzw. Nachberichte schreiben. Und auch Interviews, die oft genug vor Ort passieren, sind aktuell Mangelware. Nur Musik kommt zum Glück auch noch weiterhin massig raus. Und darüber können wir auch schreiben. Vermutlich mach ich Anfang 2022 noch ein Best-Off Neue Musik 2021. Deshalb schreib ich hier nicht viel über Musik. Nur so viel: Mein Highlight dieses Jahr musikalisch war das Comeback von Abba. Schön, dass die vier aus Schweden noch mal ein neues Album aufgenommen haben.

Und jetzt freuen wir uns einfach auf 2022. Das Jahr, in dem wir wieder zur Normalität zurückkehren und wir wieder jede Menge Konzerte und Feiern erleben werden. Ganz bestimmt…