Interviews / Musik

Gefragt: Garda

Garda – klingt doch ganz nach Italienurlaub und einem melancholischen Rückblick auf leicht angestaubte, sepiafarbene Kindheitserinnerungen. Weniger sepiafarben, aber ähnlich melancholisch kommen hingegen die Musiker rund um Garda daher. Sechs ziemlich gute Freunde aus dem sächsischen Dunstkreis, die stetig zwischen Folk-, Americana- und Popstrukturen taumeln und ihr Wechselspiel aus bedrohlich klingender Enge und orchestraler Weite perfektioniert zu haben scheinen.

Mit ihrem dritten Album „Odds“ machen sie am 20. Februar im Club Stereo Halt. Im Vorfeld verrät uns Sänger Kai Lehmann unter anderem, was hinter der Platte steckt, welche Höhen und Tiefen bei der Entstehung durchlebt wurden und ob Crowdfunding die Zukunft junger Bands sein sollte.

HDIYL: Glaubt man dem Pressetext, ist „Odds“ ein nüchterner Rückblick auf eine gescheiterte Beziehung: es geht um Trennung, um Umzüge, ums Loslassen. Andererseits fließen nach deinen Angaben aber auch thematische Einflüsse von außen ein. Was ist’s denn nun?

Kai: Es ist eigentlich gar kein Beziehungsalbum, zumindest nicht das, was man zwischen zwei Menschen versteht. Es geht vielmehr um räumliche Trennungen und Veränderungen. Bei uns in der Band gab es in den letzten fünf bis sechs Jahren viele dieser Veränderungen: wir sind alle umgezogen und wohnen nun in unterschiedlichen Städten, einige von uns waren im Ausland, einige haben Kinder bekommen. Das ist eine komplett neue Welt für uns. Da war eher der Kampf, sich als Band wieder zusammen zu raffen. Wir hatten da ganz schöne Auseinandersetzungen. Früher war es so, dass man sich im Proberaum getroffen, an den Songs geschrieben und diskutiert, was verworfen und wieder neu gemacht hat und dann war es irgendwann fertig. Und bei diesem Album haben hier in Deutschland zwei Leute was gemacht und es an die anderen Leute in Amerika geschickt. Es hat dadurch immer alles ewig gedauert und dann kommt man an den Punkt, wo man sich nicht mehr sicher ist, ob das überhaupt noch so möglich ist, wie man das gerne machen möchte. Schließlich haben wir beschlossen, auszuprobieren, ob das überhaupt noch funktioniert; ob wir da noch Spaß dran haben. Vor etwa einem Jahr haben wir dann zwei Konzerte nur zum Testen in der Heimat gespielt. Wir waren relativ schlecht bei den neuen Songs, weil wir sie noch gar nicht spielen konnten. Trotzdem waren wir danach alle irgendwie sehr happy, weil wir nicht aussprechen mussten, was alle dachten, sondern weil wir uns alle einig waren, dass es genau das ist, was wir weiterhin machen wollen. Egal, ob wir jetzt alle in neuen Situationen sind, mit denen wir irgendwie dealen müssen.
Das war der persönliche Einfluss, aber natürlich beeinflussen uns auch Veränderungen in der ganzen Welt. Aber weniger das große politische Bild, sondern eher im zwischenmenschlichen Bereich. Das ist eher etwas, das der Band am Herzen liegt. Ich finde die Umgangsweisen zwischen Menschen mittlerweile sehr befremdlich. Das hat erst mal gar nichts damit zu tun, was jemand über irgendwas denkt. Niemand redet mehr so richtig und diskutiert miteinander und jeder denkt nur noch an sich. Das waren so die zwei großen Pole – es geht um räumliche Trennungen und Veränderungen im Leben in allen möglichen Varianten.

HDIYL: Genau wegen dieser privaten Veränderungen innerhalb der Band war es ein langer, steiniger Weg bis zur Veröffentlichung von „Odds“. Der Schreib- und Aufnahmeprozess hat mehr als vier Jahre in Anspruch genommen.

Kai: Angefangen haben wir im September 2013, als vier von sechs Bandmitgliedern nach Schweden in einen kleinen Bandurlaub gefahren sind und die Instrumente mitgenommen haben. Das haben ein paar Songs überstanden, aber es sind auch ganz viele Sachen wieder verworfen worden. Seitdem haben wir geschrieben, gewerkelt und im Studio rumgehangen. Es kamen aber immer wieder Punkte, an denen wir nicht mehr wussten, was das noch werden soll. Es gab viele Lieder auf der Platte, die zwischendrin einfach einen Stopp hatten, bei denen man nicht wusste, wie es im Endeffekt klingen soll; bei denen man keine Vision hatte, wo der Song enden soll.

HDIYL: War dieser Prozess anders im Vergleich zu dem Entstehungsprozess eurer Vorgängeralben „Die, Technique, Die“ und „A Heart Of A Pro“?

Kai: Bei den Aufnahmen zu den anderen Alben war immer jemand der anderen Bandmitglieder mit im Studio, wenn einer was gemacht macht. Diesmal hat jeder einzeln seine Sachen im Studio eingespielt und die Prozesse waren dadurch länger. Ich kann mich erinnern, als zwei von uns in den USA waren: vier von uns haben hier ein Stück im Studio geschrieben und waren der Meinung, dass es DAS Ding schlechthin ist. Dann haben wir das rüber geschickt und es hat zwei Wochen gedauert, bis überhaupt ein Feedback kam und dieses Feedback war dann auch noch relativ vernichtend. Früher hatte man im Proberaum 5 – 10 Minuten einen ganz straighten, harten Austausch, was denn an der Songidee gut oder schlecht ist. Aber jetzt hat der Austausch dann wieder zwei Wochen gedauert, weil die andere Seite die Kritik nicht verstehen konnte. Ein persönliches Gespräch ist einfach immer besser als eine Mail zu schreiben, weil in den Zwischenzeilen immer ganz viele Unklarheiten und Missverständnisse entstehen können.

HDIYL: Eure Platte heißt „Odds“, was einerseits als Merkwürdigkeiten, andererseits aber auch als Chancen interpretiert werden kann – welche Interpretation überwiegt auf dem Album?

Kai: Für uns persönlich als Band beschreibt der Titel eigentlich den Entstehungsprozess des Albums. Der Begriff ist für uns die Merkwürdigkeit, wie das Album entstanden ist. Dass wir so lange gebraucht haben, dass wir ganz viel verworfen haben, dass wir zwischendrin auch wirklich überlegt haben, ob wir weitermachen. Es sind ganz viele Sachen in dem Aufnahmezeitraum passiert, die zu Beginn für uns merkwürdig waren und sich erst einmal gar nicht als Chance auftun, sondern eher als Stolpersteine und als Bremse. Wenn man dann aber lernt, damit umzugehen und es zu akzeptieren, dann merkt man, wie viel mehr man da eigentlich raus bekommt. Egal was mit der Platte passiert – ob es die Leute interessiert und viele zu unseren Shows kommen – für uns als Band war allein die Veröffentlichung der Platte schon ein erster Erfolg.

HDIYL: Wie haben all diese Merkwürdigkeiten und Umstände euch als Band verändert? Wie seid ihr aus der Platte heraus gegangen?

Kai: Wir freuen uns jetzt immer, wenn wir auf Tour sind. Dass wir gemeinsam unterwegs sind, ist das Beste und Schönste, das nach diesem Album hätte passieren können. Wir wissen das noch mehr zu schätzen als vorher und wir schätzen vor allem uns gegenseitig mehr. Wir kennen uns seit über 20 Jahren und sind jetzt wieder an einem Punkt, wo wir wissen, was uns das alles bedeutet und gibt. Selbst, wenn wir uns manchmal zwei, drei Wochen gar nicht sehen und nur spärlich voneinander hören, ist das kein Problem mehr, weil wir wissen, was wir einander haben.

HDIYL: So wie alte Schulfreunde, die sich einmal im Jahr sehen und bei denen trotzdem alles beim alten vertrauten, wohligen Gefühl bleibt?

Kai: Ich würde sogar weiter gehen und sagen, dass es schon Familie ist. Es ist auch irgendwie eine Beziehung! Und ich glaube, dass der Aufnahmeprozess deswegen so problematisch war. Wenn man mit jemandem richtig tief verbunden ist, weiß man natürlich auch um die Schwächen des Anderen – und diese auszunutzen. In einer gut funktionierenden Beziehung haut man sich auch öfter mal was an den Kopf, was wehtun kann. Aber wenn man jemandem vertraut, ist das nicht so schlimm und man weiß, dass man das jetzt sagen kann, obwohl es vielleicht derbe ist, aber es macht nichts kaputt.

HDIYL: Garda ist auch außerhalb des sechsköpfigen Bandkerns ein großer Freundeskreis – angefangen von eurem Kumpel Uwe Pasora (Teil der Band Woods of Birnam), in dessen Studio ihr aufgenommen habt; weiter über die Oederaner Blasmusikanten aus der Heimatstadt eures Drummers Ronny, die auf eurem Album zu hören sind; hin zu eurem Live-Support Herr Polaris, der z.B. auch das Video zu „Meds“ mitgedreht hat.

Kai: Wir sind sehr gesegnet mit den Leuten um uns herum, die Bock haben, was mit uns zu machen und die aushalten, dass wir manchmal so lange brauchen. Da gehören auch noch mehr dazu. Da ist z.B. Bernd, der mit uns mitfährt und das Licht macht und Torsten und Ricardo, die den Sound machen. Das hat sich alles komplettiert über die letzten Monate.

HDIYL: Wie bereits schon eure Vorgängeralben habt ihr „Odds“ auch in Japan über das Label Moorworks veröffentlicht. 2013 seid ihr sogar in Japan getourt. Wie kam es damals zur Zusammenarbeit?

Kai: Wir sind mit dem Label in Kontakt gekommen und der Labelchef hatte halt Bock auf uns. Mittlerweile hat er die dritte Platte raus gebracht. Und irgendwann haben wir uns gedacht, wenn er schon die Platten raus bringt, müssen wir auch rüber. Das hat uns u. a. das Goethe-Institut ermöglicht, wurde teilweise aber leider auch über eine Crowdfunding-Kampagne möglich. Crowdfunding ermöglicht viele coole Sachen, aber grundsätzlich bin ich kein großer Freund davon. Gerade im Musikbereich wird viel gecrowdfunded und bei einigen Dingen frage ich mich, ob das sein muss. Deswegen war das ein interner Zwiespalt für uns, aber wir haben einen guten Mehrwert geschaffen, z. B. haben wir ein komplettes Konzert im Wiener Walzer-Takt umgeschrieben und in Dresden aufgeführt.

HDIYL: Crowdfunding ist tatsächlich gerade im Musikbereich ein wachsender Trend und die ideale Möglichkeit für junge Bands, sich ihren Wunsch nach professionellen Studioaufnahmen erfüllen zu können. Warum bist du dagegen?

Kai: Ich bin so sozialisiert, dass man sich gewisse Dinge nur leisten kann, wenn man sich sie eben leisten kann. Es gab auch Zeiten, da haben Bands einfach im Proberaum Songs aufgenommen. Heute muss es das Hyper-End-Superstudio sein und dann muss das ja bezahlt werden und dann wird das gecrowdfunded, um in dieses Hyper-End-Superstudio gehen zu können. Unsere erste Platte ist auch im Proberaum entstanden!

HDIYL: Aber ist es nicht mittlerweile so, dass junge Bands ohne Hyper-End-Aufnahmen keine Chance mehr haben, überhaupt Aufmerksamkeit bei Künstleragenturen zu generieren und bei einem Label gesigned zu werden?

Kai: Am Ende zählt immer noch die Musik. Natürlich kann ich keine schrottigen Kassettenaufnahmen schicken, aber man kann Demos schicken, auf denen das Talent erkennbar ist und damit Erfolg haben. Aber viele Bands denken den dritten vor dem ersten Schritt.

HDIYL: Zurück zu eurer Platte – erschienen ist „Odds“ bereits am 28. September letzten Jahres. Ihr befindet euch inmitten eurer Album-Tour. Was sind eure bisherigen Konzerthighlights?

Kai: Die Show in der Elbphilharmonie kann man auf jeden Fall den Enkeln später erzählen. Aber auch die anderen Shows waren für uns ein Highlight. Bis jetzt können wir uns gar nicht beschweren, alle Konzerte waren irgendwie toll.

HDIYL: Am 20. Februar seid ihr erstmalig im Club Stereo zu Gast. Welche Erinnerungen habt ihr an Nürnberg?

Kai: Wir waren sogar schon ein paar Mal in Nürnberg. Wir haben mal ein Wohnzimmerkonzert zu zweit, aber auch generell in allen möglichen Set-Ups in Nürnberg und Erlangen gespielt. Bis jetzt haben wir an Nürnberg sehr gute Erinnerungen und kommen immer gerne her!

Vielen Dank und bis zum 20. Februar im Stereo!

Garda – Live (mit der Herr Polaris)
20.02.19 | Club Stereo | Nürnberg
21.02.19 | Roxy | Ulm
22.02.19 | Diesselstraße | Esslingen
01.03.19 | Lido | Berlin

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/ Interview: Sarah Grodd /
/ Bild: Günther Michel /