Interviews / Musik

Gefragt: Trouble in Paradise

Es brodelt in der männlich dominierten Musikszene. Ärger im Paradies verursacht dabei das feministische* DJ, VJ und Künstler*Innen-Kollektiv Trouble in Paradise. Das Nürnberger Kollektiv setzt sich für bessere Verhältnisse in der Clubwelt und eine stärkere Sichtbarkeit von Frauen in der Musikszene ein.

Am 6. April laden Trouble in Paradise zu ihrer nächsten Partynacht in die Kantine ein. Grund genug, bei Wein und Pizza mit dem Kollektiv über ihre politische und gesellschaftliche Arbeit, Klischees beim DJing und Feminismus im Allgemeinen zu sprechen.

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Trouble in Paradise | (v.l.n.r.) oben: Julia, Melina, Janna, Mella, Vroni | unten: Linda, Karen, Moni, Eva, Carmen

HDIYL: Was steckt hinter Trouble in Paradise?

TiP: Wir sind eine heterogene Gruppe von Frauen*, die zusammen versuchen, den strukturellen Machtverhältnissen in Musik, Kunst und Kultur etwas entgegen zu setzen. Wir machen z.B. Partys, aber auch Kunstveranstaltungen und Tanzperformances und sind auf Vorträgen zu hören. Wir versuchen, das Standardkonzept von einem Partyabend aufzubrechen und etwas Neues zu entwickeln, aktiver mit der Menge zu arbeiten und Überraschungsmomente einzubauen. Unsere Gruppe ist sehr divers, sehr bunt und das versuchen wir auch so an die Leute zu bringen.

HDIYL: Ihr seid seit 2014 aktiv. Was war der Anlass für die Gründung?

TiP: Ursprünglich war Trouble in Paradise nur als Partyreihe des Musikvereins instruiert. DJ double u cc wollte das schließlich mehr ausbauen. Ihr Hintergedanke war eine Art Plattform, auf der andere Frauen empowert werden, etwas anzupacken und Kompetenzen auszubauen. Wenn Frauen* sich z.B. sagen: „Ich kann gar nicht auflegen und ein Plakat habe ich auch noch nie gemacht“, sind wir die Gruppe, die den Raum bietet, sich auszuprobieren und die auffängt.

HDIYL: Mittlerweile gibt es eine Vielzahl feministischer Kollektive, die auf das Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau aufmerksam machen und und das Empowerment von Frauen unterstützen. Ist das eine rein gesellschaftliche oder auch eine (kultur-)politische Aufgabe?

TiP: Es ist auf jeden Fall politisch, was wir tun, wie wir in Nürnberg wirken und auch Sachen kritisieren und somit versuchen, eine Stimme für Frauen* zu schaffen. Man kann gar nicht kulturell und gesellschaftlich wirken, ohne politisch zu sein.

Und zum Thema politische Außenwirkung: Das Foto, auf dem wir alle vor und auf einem Auto posieren [Anmerk.: Bild im Header], hat auch eine Außenwirkung und es kommen Leute auf uns zu, wie z.B. der Bembers, ein fränkischer Comedian. Der fand das total toll, was für tolle Frauen in Nürnberg unterwegs sind. Er hat uns angefragt, ob wir für sein Tourplakat nicht genau dieses Foto nachstellen können, auf dem wir lasziv als Frauengruppe um ihn herum posieren. Das ist politische Arbeit, die wir im Verborgenen machen: indem wir ein Statement an seine Bookerin / Managerin geschrieben haben, dass er überhaupt nicht verstanden hat, um was es Trouble in Paradise geht. Das ist ein Zusammenfließen von Kultur und Politik und ohne einander geht es nicht. Uns ist es auch ein Anliegen, denn wir verstehen uns als politische Gruppe.

Wenn es um das Thema Erreichbarkeit und Niedrigschwelligkeit geht, erreicht man immer mehr politisches Bewusstsein, wenn man die Menschen auch da abholt, wo sie sind. Die Menschen gehen auf Kunstausstellungen oder am Wochenende auf Partys. Wenn man in solchen Kontexten versucht, Sachen zu vermitteln, erreicht das am Ende vielleicht sogar mehr Leute, als wenn man z.B. ein Plakat der SPD mit Wahlspruch sieht – sorry, damit kann ich mich nicht identifizieren.

Hierbei geht es uns nämlich auch um „Party With Attitude“ – dass die Party selbst, aber auch die Rahmenbedingungen wichtig sind, dass es ein Awareness-Team gibt und musikalisch für jeden etwas dabei ist, dass wir uns Gedanken um die Deko machen, dass man nicht nur Party des Party Willens macht, sondern auch einen gewissen Anspruch an ein kulturelles Ereignis hat. Wir wollen eine sichere Stimmung schaffen, weil es immer wieder zu Übergriffen kommt. Deswegen diese Awareness-Struktur, die sehr wichtig ist und die in den Nürnberger Clubs fehlt. Dass es kein Standard ist, finden wir total schlimm.

HDIYL: Was erwartet denn die Leute bei eurer Party am 6. April, die zum ersten Mal bei euch feiern?

TiP: Es wird eine Sinnesexplosion. Das Motto ist „Odoriferousness in Paradise“ (= starker Wohlgeruch). Wir haben uns dementsprechend kleine Raffinessen ausgedacht und freuen uns, das umzusetzen. Es wartet eine Party, die musikalisch viele Facetten hat und sehr bunt wird.

HDIYL: Gibt es unterschiedliche Reaktionen auf eure Partys zwischen Männern und Frauen?

TiP: Die, die uns kennen, wissen, worauf sie sich einlassen und haben Bock drauf. Das Spannende daran ist, dass es ein Musikmix ist und man sich nicht ganz so drauf einstellen kann, was kommt – eine Wundertüte. Das ist wie eine saure Tüte, die man sich im Schwimmbad kauft und so nach und nach verschiedene Süßigkeiten raus zieht. Das eine schmeckt eher so, dass man sich schüttelt und das andere schmeckt wohlig süß. Aber darum geht`s ja auch ein bisschen. Wir haben in Juni eine Party, die musikalisch strukturierter ist und eine Hip Hop-Party wird, aber sonst ist es immer ganz gemischt. Wir überzeugen immer mit geiler extravaganter, hauptsächlich abgefahrener Deko, viel unterschiedlicher Musik und Visuals. Dieses Mal geht`s eben um das Thema Duft, da kann man sich überraschen lassen, was geboten wird. Wir haben aber auch schon z.B. Schleim selber gemacht. Wir bieten immer irgendwelche kleinen Gags und Give Aways an und es wird immer etwas geben, was irritiert. Das machen wir deswegen, weil dieses Mainstream-Clubbing immer so ein Konsum-Ding ist, bei dem sich die Leute weg ballern und saufen und feiern und die geilsten Hits hören wollen. Die Idee hinter Trouble in Paradise ist, dass Clubbing nicht nur das ist, sondern auch der individuelle Ausdruck von jeder einzelnen Person im Kollektiv.

HDIYL: Wer kommt denn auf eure Partys? Mehr Frauen oder auch Männer?

TiP: Es ist nicht nur eine reine Frauen-Party, das war nie der Anspruch. Unsere Veranstaltungen sind für Männer* und Frauen* gleichermaßen. Die Männer, die zu uns kommen und wissen, was Trouble in Paradise ist, gehen mit der Einstellung da rein, dass man jede_n gleichberechtigt feiern lässt und die Tanzfläche für alle da ist. Beim Laufpublikum, die das Konzept nicht kennen, dass man ohne Belästigung und gleichberechtigt auf einer Party feiern kann, gehen wir an der Tür oder mit dem Awareness-Team erst einmal in eine Konversation. Schlimmstenfalls müssen sie die Party verlassen. Vor allem, wenn wir in der Kantine in der Innenstadt veranstalten, haben wir viel Laufpublikum, die einfach rein stolpern und manchmal gar nicht wissen, was da ist.

Der einzige Unterschied, auf den wir immer wieder angesprochen wurden, ist, dass der Vibe anders ist. Auf Veranstaltungen mit basslastiger Musik wird die Tanzfläche oft von Männern dominiert.

HDIYL: Gibt es denn Menschen, die am Eingang schon wieder umdrehen und denken „Ach herrje, was erwartet mich denn hier?“?

TiP: Ja, auf jeden Fall. „Oh, nur Frauen legen da auf?“ – das ist so eine Sache, die da kommt. Wenn man bei den Leuten schon merkt, dass das (vielleicht plump ausgedrückt) eine Macker-Gruppe ist, sagt das Türpersonal dann, dass das eine feministische Party ist. Diese Leute sind dann nur von dem Wort „feministisch“ schon so abgeschreckt, dass sie umdrehen und einfach wieder gehen.

HDIYL: Wie ist das Wort „Feminismus“ für euch aufgeladen? Hat das etwas Kämpferisches?

TiP: Kämpfersich – positiv, aber es ist uns allen bewusst, dass es viele Leute gibt, die das nicht so sehen. Sonst hätten unsere Partys ja nicht den Effekt, dass manche Leute gezielt sagen, dass es nichts für sie ist.

Es gibt aber auch die andere Seite, die uns dafür kritisiert, dass wir uns als politische Gruppe bezeichnen und eine andere andere Vorstellung davon haben, was politischer Feminismus bedeutet. Die sagen dann „Ihr seid ja eigentlich gar nicht politisch, sondern nur eine Party-Crew“. Da sieht man dann auch, dass es manchmal nicht zugelassen wird, dass es auch andere Auffassungen der Feminismen gibt. Der Feminismus-Begriff definiert sich gerade eh ganz neu und ist viel differenzierter. Das schreckt manche ab, weil sie noch nicht diese neueren Strömungen mitbekommen haben und dann nur an den Feminismus der 70er und 80er denken.

HDIYL: Mit welchen Vorurteilen und Klischees hattet ihr denn bisher zu kämpfen – gerade als DJs und VJs?

TiP: Wenn ich (Mella) z.B. auflege, kommt ein Typ an und sagt „Mach mal lauter!“ oder „Mach mal das und das …“, also dass gewisse Menschen immer noch denken, dass sie mehr Ahnung haben, auch wenn sie gerade vielleicht total betrunken sind und das ihr subjektives Bedürfnis ist, die Musik lauter zu machen. Genauso Erklärungen: dass einem Sachen aus der Hand genommen werden, dass einem nicht zugetraut wird, dass man Technik aufbauen kann. Deswegen finden wir es besser, wenn wir unsere Party komplett selber gestalten, weil dann eben genau so etwas nicht passiert.

Es ist auch immer ein guter Support, dass, auch wenn die Leute nicht auflegen, sie mit dabei sind. Es gibt auch noch einmal eine Sicherheit, um eben über solche Sachen hinweg zu kommen.

Oft wird man durch Aussagen wie: “Wie, du kannst das und das nicht?!“ oder „Das musst du nur aufmachen!“ so hingestellt als sei man total unfähig, im Endeffekt baut man aber eigentlich ganz normal sein Equipment auf. Dir wird aber schon aufgrund deines Geschlechts zugeschrieben, dass du dich nicht so gut mit Technik auskennst. Leute fassen auch einfach ins Mischpult während des Auflegens ohne Vorwarnung. Bei männlichen DJs beobachtet man das weitaus seltener als bei weiblichen*.

Allgemein dieses Kommentiert-Werden, dass man gar nicht erst fragt „Hey, weißt du das?“ und man dann sagen kann „Ja ja, passt!“, sondern es wird schon vorausgesetzt, dass man es nicht weiß und kann.

HDIYL: Und wie reagieren Veranstalter außerhalb der euch vertrauten Hallen der Kantine, MUZ, Desi oder des Z-Baus auf euch?

TiP: Normalerweise wird man schon relativ gut behandelt. Umso professioneller ein Club ist, desto weniger ist dieses Personal Caring. Das strukturelle Problem mit weiblichen* DJs ist aber, dass wir erst gar nicht von den Mainstream-Clubs angefragt werden, sondern eh nur von den Leuten, die sich mit dem Geschlechterunverhältnis auseinander setzen und sich fragen, was sie fördern wollen und für was der Club stehen will.

HDIYL: Woran liegt das? Kennt man euch einfach noch nicht oder traut man Frauen das nicht zu?

TiP: Vielleicht sind wir manchmal nicht so ganz greifbar. Es ist unsere Hoffnung, dass sich das inzwischen in den Köpfen von Clubbetreibern festgesetzt hat, dass Frauen* auch auflegen und es sehr viele Professionelle* gibt.

Klar legen in großen angesagten Clubs z.B. in Berlin auch Frauen* auf, aber ich (Julia M.) weiß nicht, ob in der Bombe oder im Mach 1 oder im One jemals eine Frau* aufgelegt hat. Aber ich glaube, das ändert sich gerade auch ein wenig. Dass es überhaupt zu dieser Diskrepanz in dem Booking kommt, hat ja einen viel tieferen Grund. Es hat nichts damit zu tun, dass Booker Frauen* scheiße finden und sie deswegen nicht booken, aber ihr Blick ist so routiniert. Sie sind so in einer Blase drinnen und sehen in anderen Clubs auch nur männliche DJs und booken die, weil sie die cool fanden.

HDIYL: Auf Festival, in Clubs etc. ist der Anteil weiblicher* KünstlerInnen teils noch verschwindend gering. Ihr meint, es liegt nur daran, dass man einfach nicht auf dem Schirm hat, dass es auch coole Frauen gibt?

TiP: Bestimmt nicht nur, das ist ein allgemeines, strukturelles Problem. Das ist in Bands genauso: es gibt viele Frauen*, die Musik machen und trotzdem gibt es viel mehr männliche erfolgreiche Bands. Erstens ist das oft so ein männliches Kumpelding, zweitens läuft man als Frau* schon lange mit einem Komplex herum, ob das wirklich gut genug ist, um auftreten zu können. Das ist eine gesellschaftlich geformte Unsicherheit von Frauen*, dass sie es auf einem ganz tollen Niveau können müssen – sowohl Singen, als auch Tanzen bis hin zum DJing, bis man sich in die Öffentlichkeit traut. Musiker konnten damals manchmal keinen Griff auf der Gitarre und stellen sich auf die Bühne, das hat man irgendwie alles so verziehen, das wurde einfach so gemacht und aus dem ist einfach mehr entstanden.

Das hat aber auch viel mit Vorbildern zu tun. Wenn der Vater ein Schlagzeug im Keller stehen hat, die Mutter aber nicht, dann wird sich wahrscheinlich eher der Sohn dran hocken als die Tochter. Da wird auch strukturell etwas vorgelebt. Auch von oben – wie viele Frauen* machen das Booking in Clubs?

Wenn ich (Melina) an meine Freunde denke, bemerke ich, dass Frauen* super gerne tanzen und sich denken: „ich tanze gerne und muss nicht Musik auflegen“ und Männer sich mit dem Tanzen überfordert fühlen und sagen „Ich will aber trotzdem in Clubs gehen, dann lege ich halt Musik auf“. Das habe ich tatsächlich auch schon gehört von einigen Freunden. Die trauen sich halt nicht. Die meisten Männer stehen auch relativ starr hinter dem DJ-Pult, während wir uns total verausgaben. Wenn die Männer genauso tanzen würden wie wir, würden sie jedoch gleich wieder als „schwul“ abgestempelt.

HDIYL: Müssen Frauen denn doppelt oder dreifach so viel leisten, um auf dem gleichen Niveau wie Männer wahrgenommen zu werden?

TiP: Ich (Julia M.) glaube nicht, dass ich drei- oder viermal so viel leiste. Aber gerade für den Anfang ist es schwieriger. Ich habe vorher schon aufgelegt und merke, dass es in einer Gruppe alleine schon durch gemeinschaftliche Anfragen eine ganz andere Bekanntheit ist und da viel mehr geht. Ich würde nicht sagen, dass es als Frau* viel härter ist, aber wenn man öfter weibliche* DJs sieht, kommt man viel eher auf die Idee, selber Musik zu machen. Es befindet sich im Wandel und kann und wird sich verändern, aber als einzelne Frau* ist es schwieriger, den Mut zu finden, das anzugreifen.

Und deswegen ist Trouble in Paradise so wichtig als empowernde Struktur. Wir sind eine Gruppe und können uns gegenseitig unterstützen, dadurch ist der Zugang viel einfacher. Wenn wir so was machen wie einen Open Call, können Leute, die das schon immer gerne gemacht hätten, sich aber alleine nicht getraut haben, mit einem Rückhalt dahinter einsteigen. Das ist ein guter Gegenentwurf zu bestehenden Sachen.

Trouble in Paradise versteht sich als offenes Netzwerk, das immer nach Frauen* sucht, die sich kreativ verwirklichen und neue Dinge ausprobieren wollen. Unter dem Motto „Odoriferousness in Paradise“ könnt ihr Trouble in Paradise bei ihrer Party am 6. April live in der Kantine erleben.

https://www.facebook.com/tip.troubleinparadise/

/ Interview: Sarah Grodd /
/ Bilder: Trouble in Paradise, Sarah Grodd /