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HDIYL Konzertabend – John Steam Jr.

Den zweiten Künstler, den wir euch vorstellen möchten, der bei unserem Konzertabend am 23. Dezember auf der Bühne des Club Stereos stehen wird, ist John Steam Jr.. Zufälligerweise, vielleicht auch nicht ganz zufällig, erscheint am gleichen Tag seine Neue EP „Windshift“.

Der gute ist ja auch nicht das erste mal bei uns auf der Bühne und auch seit vielen Jahren ein guter Freund des Club Stereo. Auch einige schöne und wilde Tage und Nächte haben wir mit dem guten schon verbracht, wie z. B. einen denkwürdige Nacht letzten Winter mit Me & Reas in Hamburg inklusiver langer und witziger Rückfahrt. Wir freuen uns auf jeden Fall sehr, dass der gute im Rahmen unseres ersten Konzertabends auch gleichzeitig seinen EP-Release feiert und wissen ganz genau, dass das wahnsinnig schön wird.

Tickets für den Abend gibts übrigens HIER!

Und auch John haben wir natürlich die gleichen Fragen wie Melli Zech gestellt, die er uns gerne beantwortet hat:

Wie war dein Jahr 2022?

Erstmal viel besser als ich es mir 2021 ausgemalt hatte. Aus kreativer Sicht hatte ich einen sehr guten Start und bin direkt im Januar mit der Band ins Studio um Windshift aufzunehmen. Obwohl das Jahr etwas träge mit Konzerten angelaufen ist, hab ich es dann durchschnittlich zumindest auf etwas mehr als einmal pro Woche auf die Bühne gebracht. Ich will mich deswegen eigentlich nicht beschweren, ich hatte immer Essen im Kühlschrank und konnte Leuten meine Songs vorspielen.

Es ist ja noch gar nicht lange her, dass du wieder live spielen darfst. Wie hast Du die Zeit ohne Livemusik genutzt?

Ich war in der priviligierten Situation gut abgelenkt zu werden und so jedes potentiell emotional dunkle Loch zu umschiffen, weil ich 2021 Vater geworden bin. Ich konnte also die Zeit sinnvoll mit meiner Tochter verbringen und, während Mittagsschläfchen und an den Abenden, neue Musik schreiben. Und natürlich Gigs verschieben und permanent weiter booken – davon hatte ich nie eine Pause.

Haben die beiden Lockdowns auch positive Seiten für dich gehabt?

Ich habe gelernt, dass die Welt nicht untergeht wenn ein Konzert abgesagt wird. In den 20 Jahren die ich in Bands spiele konnte ich die Gigs die ich abgesagt habe an einer Hand abzählen, ich habe mich unter widrigsten Bedingungen auf jede Bühne geschleppt und unter anderem mit frisch operierten Schlüsselbein oder einer fiesen Migräne Konzerte gespielt, ein Konzert abzusagen war für mich als Musiker so ziemlich das schlimmste was passieren konnte. Durch die Pandemie habe ich gelernt, dass die Welt sich schon weiterdreht, auch wenn ich mal nicht ganz vorne mit dabei bin und nehme mich jetzt (noch) ein bisschen weniger wichtig. Das schafft schon ein etwas mehr emotionale Freiheit – ausnahmslos immer funktionieren zu müssen hat ja auch was mit Druck zu tun.

Fühlst du dich als Künstler ausreichend wertgeschätzt von der Politik? Was war gut, was sollte sich hier ändern?

Nein, ich habe das Gefühl, dass wir nicht als relevant angesehen werden. Ich kann mich nicht beschweren, ich habe an wenigen Tagen in der Woche noch einen Nebenjob der für das allernötigste gereicht hat – allerdings war das auch Anlass genug keinerlei Hilfen vom Staat in Anspruch nehmen zu können. Mir sind in den Lockdowns einfach knapp 50% meiner Lebensgrundlage verloren gegangen und das wurde einfach nicht gesehen. Als ich nach zwei Streamingkonzerten mit kleiner Gage auch noch nahezu mein gesamtes Elterngeld zurückzahlen musste, hab ich endgültig den Glauben daran verloren, dass Musiker_innen und Kreativschaffende von Staatsseite als wichtig befunden werden.

Was sollte sich in Nürnberg ändern, damit die Dinge für Künstler:innen sich verbessern?

Ich hatte in diesem Jahr ein langes Gespräch mit der Stadt nachdem ich mehrere E-Mails mit konkreten Wünschen zur Unterstützung lokaler Acts und Venues an Frau Lehner geschickt hatte. Leider konnte nicht wirklich auf meine Ideen eingegangen werden. Meiner Meinung nach wäre es nötig, dass die Stadt der lokalen Szene, die ja einen relevanten Teil zur Kulturlandschaft beiträgt, mehr Fläche im öffentlichen Raum zur Verfügung stellt. Analog sowie digital. Nürnberg hat eine gewisse Relevanz als Touristik Standort, Menschen die unsere Stadt besuchen kriegen aber so gut wie nichts davon mit was (sub)kulturell geboten ist. Ich würde mir prominent platzierte Plakatflächen und Videoleinwände an den hochfrequentierten U-Bahn Stationen wünschen die von Kulturschaffenden bespielt bzw. bestückt werden können und eine attraktive Möglichkeit auf der Seite der Stadt Veranstaltungstipps zu platzieren. Wir sind ja bereit Konzerte und Events zu organisieren und entgegen jeder wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit ein Großteil unserer Freizeit dafür zu investieren – schön wäre es wenn sich auch die Stadt als Profiteur an der Sichtbarkeit eben davon beteiligt.

Was machst Du an Weihnachten?

Familienkram. Ausschließlich. Als Kinder von Patchworkfamilien haben meine Frau und ich an Weihnachten immer einen vollen Magen und Terminkalender.

Wie verbringst Du den Jahreswechsel?

Wahrscheinlich relativ ruhig und unspektakulär zu Hause, auf jeden Fall ohne ein großes Event. Silvester ist für mich ein etwas schwieriger Termin weil die Erwartungshaltung aller Leute so wahnsinnig hoch ausfällt und viele einen „legendären“ Abend erzwingen wollen.

Kannst du schon in 2023 rein blicken? Wie könnte dein 2023 ausschauen?

Ich habe ca. die Hälfte der notwendigen Shows gebucht, um mir keine existenziellen Sorgen machen zu müssen und bin deswegen ganz optimistisch, dass 2023 ein ganz gutes Jahr wird. Im letzten Quartal wird es wieder neue Musik geben und ich habe noch ein paar Zeilen und Akkorde aufs Papier zu kriegen. Im Prinzip gilt jedes Jahr das selbe Motto: Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Machen was geht, das beste hoffen und sich nicht unterkriegen lassen wenn was unrund läuft.

Was sind deine Lieblingsplatten 2022 gewesen?

Ganz klar: Sadurn – Radiator, Pinegrove – Amperland (NY) (eigentlich älter aber 22 erst so richtig zum leben erweckt), Noah Kahan – Stick Season und ansonsten natürlich Phoebe Bridgers, Holly Humberstone, immer ein bisschen Wilco, Beatles und Bad Religion.

Welchen Drink dürfen wir dir beim HDIYL Abend am 23. Dezember im Stereo servieren?

Nachdem das ganze Fullbandzeug irgendwie in den Club und auch wieder nach Hause muss, wahrscheinlich Kaffee und Wasser – ein Hoffmann Pils zum anstossen nehm ich aber.

Was ist dein Lieblingsort?

Das ist eine schwierige Frage, offensichtlicher Weise muss die Antwort zu Hause lauten, das tut sie auch. Aber mir wäre das nicht so klar, würde ich nicht durch die Gegend tingeln und auf fremder Leute Küchenfußböden, Couches und in billigen Hostels schlafen. Der Kontrast macht das für mich aus. Home is where your Heart ist triffts da wohl kitschiger weise ganz gut.

How Deep Is Your Love?

Am liebsten richtig deep. Im Prinzip haben wir ja auch nichts anderes. Die Zeiten sind nicht so einfach und ich tanze Ballet auf einer Klinge zwischen Wut und Verzweiflung wenn ich mir anschaue wie wir Menschen miteinander umgehen, dass die Festung Europa immernoch tatenlos zusieht (oder sogar fördert) wie sich tagtäglich im Mittelmeer eine humanitäre Katastrophe ereignet und dass Klimakatastrophe und Krieg wüten, Profite mehr zählen als ein Menschenleben. Was uns bleibt ist im kleinen Rahmen liebevoll miteinander umzugehen. Am liebsten ist mir also richtig deep.

// Bilder: Karin Stoehr & Nadine Hold //