Interviews / Musik

Interview: Kapelle Petra

Die 1996 gegründete Kapelle Petra aus dem nordrhein-westfälischen Hamm zählt zu den dienstältesten aktiven Indierock-Kapellen des Landes. Wobei Indierock hier als Genre nicht genug ist. Wer die Band kennt, weiß vor allem um ihre humorvolle Livedarbietung – inklusive der lebenden Bühnenskulptur „Gazelle“. Immer wieder auch ein großer Spaß, sich das live anzuschauen. Am 19. März gibt´s mit „Der Frühling“ eine neue EP der Kapelle, die den Auftakt zu einer vierteiligen EP-Serie gibt. Wir haben das Glück, dass in unserem direkten Blog-Umfeld mit Eva-Maria & Joe Matze zwei bekennende Kapelle Petra Ultras leben. Die fanden unsere Idee bezüglich Interview-Fragen natürlich hervorragend. Infolge dessen gibt´s nun Dinge über die Kapelle zu lesen, die sonst vielleicht eher beim letzten Bier in der Kneipe serviert werden, von einem der drei Hauptdarsteller. Vielen Dank den beiden Matzes dafür. Nun können wir alle ein wenig Kapelle Petra Ultras sein.

Fun-Fact (eine absolut wahre Geschichte): Der Fragensteller war vor einigen Monaten auf einem Club-Konzert in Nürnberg unterwegs, und hatte den Kapelle-Hoodie mit den Musikernamen (Ficken.Opa.Siepe.Gazelle) an. Ein sehr angetrunkener Konzertbesucher blickte ca. 30 Minuten kopfschüttelnd auf das Motiv, konnte aber einen Zusammenhang zwischen den Worten offenbar nicht entschlüsseln. Direkt an der Theke sprach er mich dann entgeistert an und fragte nuschelnd:  

„Etz horch amol. Wer oder was is etz eigentlich dieser Siepe?“ 

Diese Info darf man der Welt keinesfalls vorenthalten. Denn falls euch jemand nicht kennt, klärt uns doch unbedingt mal auf, wer dieser sogenannte „Siepe“ eigentlich ist?

Ha! Super! Das ist echt lustig! Siepe ist unser Bassist und heißt mit Nachnamen Siepmann. Da ist so eine Kurzform logische Konsequenz.

Im März 2020 habt ihr das Abschluss-Konzert der „Nackt“-Tour im FZW in Dortmund (vor fast 1.000 Fans!), gespielt. Nur wenige Tage später wurde der Deutschlandweite Lockdown verhängt. Seitdem ist an Normalität nicht zu denken. Wie ist es für eine Band, in kurzer Zeit von 100 auf 0 zu fallen?

Wir sind zum Glück nicht von 100 auf 0 gefallen. Wir haben relativ zügig nach Alternativen gesucht. So haben wir z.B. mehr als 50 private Minikonzerte aus unserem Tourbus gespielt – eine Art Pizzalieferdienst nur halt mit KapellöööÖÖ! Dazu kamen noch einige Coronakonforme-Sitzplatzkonzerte im Sommer und natürlich gaaaaaaanz viel Songwriting.

Das Katastrophen-Jahr 2020 wird vielen Menschen in schlechter Erinnerung bleiben. Doch hier gab es sicher auch Lichtblicke. An welche Tour-Highlights aus dem Frühjahr erinnert ihr euch besonders gern zurück?

Wie oben beschrieben war unsere Bustour schon unglaublich toll. Wir haben da bis zu sieben „25-Minuten-Konzerte“ pro Tag gespielt für eine kleine Menge von Leuten gespielt. Es war schon wundervoll zu spüren, wie sich die Menschen nach 2-3 Monaten Konzertabstinenz auf Livemusik, auf Kapelle, auf kurzzeitige Leichtigkeit gefreut haben. Diese Momente haben uns auch echt nochmal klar gemacht, dass wir doch nicht ganz systemunrelevant sind. Das war schon richtigrichtig gut. Auch die Atmosphäre bei den ausverkauften Sitzplatzkonzerten war unglaublich berührend. Da war ganz viel gegenseitige Dankbarkeit für diese hochemotionalen Sommerabende.

Corona war für jeden eine Umstellung. Das Leben wurde schlagartig ruhiger, viele Menschen leben bewusster seitdem. Welche Hobbies oder versteckte Talente, abseits der Musik, hat jeder von euch im Lockdown für sich neu entdeckt?

Ehrlich gesagt, hat sich da bei uns nicht so viel getan, da wir im Rahmen unserer Möglichkeiten relativ umtriebig waren. Ansonsten sind wir weiterhin bewusst recht gemütlich unterwegs und haben unsere Bequemlichkeitstalente nur etwas ausgebaut bzw. professionalisiert:-)

Vor einigen Jahren habt ihr eure bisherigen Jobs an den Nagel gehängt, um euch fortan nur noch zu 100% auf Kapelle Petra zu konzentrieren. Die Berufsaussichten für Musiker sind derzeit nicht die allerbesten. Habt ihr bereut, dieses hohe Risiko gegangen zu sein? Und könntet ihr wieder in die alten Jobs zurück, falls es irgendwann nötig wäre?

Nein! Wir haben es zu keinem Zeitpunkt bereut. Gerade in diesen Zeiten, merkt ja jeder wie wichtig Kultur ist, da sie einfach so dermaßen fehlt. Wenn dieser ganze Spuk vorbei ist, wird wahrscheinlich alles etwas anders werden, aber die Musik hört nicht auf. Wahrscheinlich könnten wir auch in unsere alten Berufe zurück, aber die Frage stellt sich überhaupt nicht, da wir grundsätzlich sehr glücklich sind mit dem was wir tun.

Ist es in der jetzigen Zeit schwierig, eine funktionierende Band „am Laufen“ zu halten?

Wir waren immer recht sparsam und konnten uns deshalb auch bisher ganz gut über Wasser halten. So langsam brauchen wir aber schon auch Konzepte und Perspektiven, da unsere Haupteinnahmequelle natürlich Konzerte sind.

Ihr habt die Band vor über 20 Jahren aus Freundschaft gegründet. Provokativ gefragt: Geht man sich nach all der Zeit nicht doch mal auf die Nerven?

Natürlich zicken wir uns auch gegenseitig an oder streiten auch gerne mal. Aber das ist immer nur ziemlich kurz… eigentlich verstehen wir uns aber fast immer richtig gut – und lustigerweise am allerbesten, wenn wir ganz viel zusammen rumhängen (Probeblöcke, Studiozeit, Tour).

Die erste Auskopplung des „Nackt“-Albums (der Song „Weltkulturerbe“, 2019) war ein positiver Quasi-Love-Song mit viel Wärme.  Die brandneue Nummer „Ein bunter Strauß“ zeigt euch textlich (!) eher bissig, zynisch und dezent angepisst – für eure Verhältnisse beinahe schon eine Hasstirade. War dieser Gegensatz beabsichtigt?

Nein – der Gegensatz war nicht beabsichtigt und trotzdem wollten wir auch klar machen, dass wir keine Schlagerkombo sind, die nur die Themen Liebe und Ibiza behandelt. Da tut auch ein bunter Strauß Scheiße einfach mal gut.

Hand auf’s Herz. Wann kommt das neue Album? Auf was können die treuen Fans sich freuen?

Wir hauen ja dieses Jahr erstmal zu jeder Jahreszeit eine EP raus. Das heißt das wir dieses Jahr 16 neue Songs veröffentlichen… Das ist für uns schon ne ganz schöne Hausnummer.

Leider musste euer eigenes „Kapelle Somma 2020“-Festival wegen der Pandemie auf dieses Jahr verschoben werden. Niemand kann in der Glaskugel lesen: Aber habt ihr eventuell Pläne in der Schublade, ob und wenn ja wie wie dieses Festival in diesem Juni eventuell doch stattfinden kann?

Genau – wir wissen alle nicht, wie sich die Lage entwickelt. Wir müssen da noch ein bisschen abwarten, bis sich der Nebel etwas lichtet.

Besonders exzessive Konzerte spielt ihr jedes Jahr bekanntlich in Soest – „in Hamm gleich umme Ecke“:   Ist irgendwann endlich mal mit dem Release eines Doppel-Live-Albums „No Sleep `til Alter Schlachthof Soest“ zu rechnen?

Ha! Guter Plan! Daran sollte man echt mal feilen 🙂 Unser jährlicher Tanz-in-den-Mai-Exzess hat schon auch ziemlich gefehlt im letzten Jahr.

Seit einiger Zeit werdet Ihr regelmäßig vom deutschen Satiriker Sebastian Pufpaff in dessen Sendung „Noch nicht Schicht“ (auf 3Sat) gefeatured. Wie kam diese Verbindung zu Stande?

Puffi und sein Management waren schon vor Corona große Kapelle-Sympathiesanten und so durften wir Anfang letzten Jahres schon bei seiner Happy-hour live dabei sein… Und irgendwie war es damals Liebe auf den ersten Blick. Puffi ist echt ein richtig guter Typ und dann passte unser Song auch noch genau in das Formatkonzept… Winwinwinwinwinwin-Situation.

Wie bei den schwedischen Schweinerockern Turbonegro sind viele eurer Fans in regionalen Chaptern organisiert. Gebt uns doch bitte mal einen entscheidenden Impuls, damit endlich die „Kapellejugend Nürnberg“ erwachen kann. Ich denke, es wäre jetzt endlich mal an der Zeit…

Wie? Also da müssen jetzt Eva und Joe mal kräftig die Klinken putzen! Wir tun auf jeden Fall alles, um auch endlich wieder in Nürnberg spielen zu können!

Butter bei die Fische: Ist Borussia Mönchengladbach die deutsche Meisterschaft 2038 eigentlich noch zu nehmen?

Nach der tragischen Entscheidung des Trainers den Verein verlassen zu wollen, könnte es ggf. auch erst 2039 passieren.

Interview: Eva-Maria & Joe Matze. Einleitung: David Lodhi. Fotocredit: Diana Koehne

Kapelle Petra. Veröffentlichen ihre neue EP „Der Frühling“ am 19. März 2021. Und drei weitere EPs in den kommenden drei Jahreszeiten.

https://www.kapellepetra.de/