Diskotanz
Konfetti - Die Kolumne

Konfetti! Und außerdem … Dornröschen

Also bitte Leute, Anpassungsstörung, wo ist denn hier eine Anpassungsstörung? Doch vielmehr so ein diffuses Gefühl von „Ähm – war was?“ So in der Art muss sich wohl Dornröschen gefühlt haben, als sie mal so minikurz nicht richtig optimal aufgepasst hat und dann bääm Tiefschlaf! Hundert Jahre, stell dir mal vor, nix pillepalle ein paar Monate! Dann wacht sie auf und denkt sich so: Hää irgendwie ist alles voll gleich aber irgendwas auch voll anders, aber ich check’s einfach nicht! Und unter uns Gebetsschwestern: Ganz so arg jugendlich kann sie sich kaum gefühlt haben, nach hundert Jahren umeinanderliegen. Unsereins muss schon nach einer gewöhnlichen Nachtruhe morgens ersteinmal den Bader rufen und die Knochen wieder richten lassen, nur nennen wir das heute „Morning Flow“ und tun recht erleuchtet. Meine Anpassungsstörung hat ungefähr genau drei Minuten gedauert, in denen ich mich auf Zehenspitzen in einen Biergarten geschlichen und vorsichtig geschaut hab, ob mich jemand zum Platz geleitet oder niederringt. War dann gottlob Ersteres, und dann später war eh wurscht weil da hat’s mir dann Glück um den Hals und ich mit dem Impfpass gewedelt, dass es nur so gerauscht hat. So viel zum ersten Eindruck. Aber es war schon immer der zweite der, der zählt. Weil wenn du einmal genau die Ohren spitzt und die Augen auch, dann findest du, dass eine gewisse Müdigkeit schimmernd um die viele Euphorie herumwabert, so ein leicht verdutztes Staunen, dass den Menschen kleine feine Schnurrbarthärchen ins Gesicht hineinmalt und sie zupfen und streichen dran herum und wundern sich und dann fangen sie an zu winden, erst die Härchen, dann sich selbst, und dann platzt’s aus ihnen raus: „ICHWILLDASEIGENTLICHALLESGARNICHT!“, sagen sie und berichten schwer erschöpft vom Stress der Möglichkeiten, der blanken Überforderung. So viel nachholen und alles gleichzeitig. So viele Leut und alle durcheinander. So viele Pflichten. Aufwartung machen dem Lieblingsitaliener und dem Stammcafé, mit einem Aug im Kino, das andre im Museum, die linke Hand kauft Tickets im Akkord, die rechte rührt im Grillfeiersalat. „Nichts müssen dürfen“ scheint ein großer Wunsch zu sein, das den Einsiedlerkrebs in vielen von uns, nackert und seiner Muschel beraubt, plötzlich befällt. Ich find das spannend. „Müsste das jetzt nicht eigentlich lieber wieder RUNTER VOM SOFA heißen?“, werd ich vermehrt gefragt, und „JA FREILICH!!“ hab ich erst glückselig geschrien und schon den Antrag formuliert. Aber dann lieber mir selbst Einhalt geboten. Vielleicht ist’s gar nicht so schlecht, noch ein bisschen draufzubleiben unterm Dornenbusch. Die Welt ist ja kein Prinz, dem ich gefallen muss.

// Text: Katharina Wasmeier / Bild: Hannah Rabenstein //

~~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ~~