Konfetti! Und außerdem … Jetzt wie Oma
Angeblich ist es ja so, dass je älter ein Mensch wird desto mehr Ähnlichkeit mit seinen Eltern bekommt man. Ich habe diese Phase offenbar übersprungen: Vor einer Woche habe ich einen evolutionären Schub erlitten, mit dem ich so nicht gerechnet hatte. Wann immer ich mein Spiegelbild irgendwo erhasche – und zugegebenermaßen erhasche ich es seit eben dieser Woche vergleichsweise häufig – denke ich mir nicht etwa: „Jetzt siehst du aus wie deine Mutter.“ sondern vielmehr: „Jetzt siehst du aus wie deine Oma.“ Geschuldet ist der Umstand einer neuen Brille (oder Nasenfahrrad, wie der Witzbold sagt), die es gibt, weil die alte doch nicht so bruchfest war wie gedacht. Wohlwissend, damit mal wieder einem Trend drei Jahre hinterherzuhinken, habe ich mich für ein goldrahmiges Gestell entschieden und damit eine weitreichende Veränderung von cool-mafiös hin zu omamäßig-soft an mir vollzogen. Weg mit dem schwarzen 20er Jahre Gangster-Gestell, das mir in den letzten Jahren einen angeblich etwas strengen Ausdruck ins Gesicht kalligraphiert hat – her mit dem blitzenden Geschmeide, das mich nur mehr schmückt statt dominiert. Irgendwie so war der Gedanke. Ich möchte nicht direkt von einer Wesensveränderung sprechen, bin aber doch täglich mehrmals überrascht und auch erleichtert, dass die Gesichtserkennung vom Handy noch funktioniert. So wie auch in der Herrenmode der Grat zwischen „Hipster“ und „verlotterter alter Mann“ ein ausgesprochen schmaler ist, scheint es mit den goldenen Brillen eine unsichtbare Altersgrenze zu geben, an der entlang Frauen nach links ins „coole It-Girl“ kippen oder eben rechts ins „vorzeitig gealtert“. Ich balanciere jetzt auf dem schmalen Seil dazwischen, während Omas Goldkette auf meiner Brust wogt statt auf der ihren, und überlege dabei, ob ich mir jetzt auch Nagellack in Perlmutt-Rosé und blaue Wimperntusche zulegen oder doch besser bei Knallrot und Tiefschwarz bleiben sollte und wann wohl der Zeitpunkt gekommen sein wird, an dem „Leoprint“ wieder nur mir und dem Seniorenheim gehört und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass „ich“ und „Seniorenheim“ dann eine Liaison eingegangen sein werden. Immerhin: das passende Outfit hätt ich schon, man muss die Modetrends nur aussitzen, und das kann ich ziemlich gut, doch fühl mich mittlerweile ausgesprochen alt dabei, während ich andere (jüngere?) Frauen für ihren nonchalanten Chic bewundere, Oma-Look (Gold) mit Punk (5cm-Tunnels) zu kombinieren. Eine Sache hatte mir Oma allemal voraus: Bis ins hohe Alter ist sie auf Pfennigabsätzen durchs Leben gestöckelt. Ich bin seit zehn Jahren froh, wenn die Sohle vom Sneaker nicht dicker ist als einen Zentimeter. Immerhin damit komm ich doch ganz nach meiner Mutter.
// Text: Katharina Wasmeier / Bild: Hannah Rabenstein //
~~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ~~