Konfetti - Die Kolumne

Konfetti! Und außerdem … Mailbox

Ich stehe nicht mit supervielen Sachen auf Kriegsfuß. Ok: Parodontoseprophylaxe, unfreundliche Menschen, Steuernachzahlungsanmahnungen – alles nicht schön, aber nichts, was mich wirklich zur weißglühenden Verzweiflung bringt. Ganz anders hingegen meine Mailbox. „Sie haben. Acht. Neue. Nachrichten.“ hat sie mir grade mitgeteilt, und mit Staunen bin ich hinabgestiegen in die Tiefen des digitalen Anrufbeantworters um zu erfahren, wer da eigentlich seit wie lange schon auf einen Rückruf wartet, die Technik aber beschlossen hat, es handele sich nicht um dringliche Angelegenheiten und mich deshalb schlichtweg nicht informiert hat. Irgendwie finde ich das gut: Wenigstens eine, die sich um mein Seelenheil und Stresslevel sorgt, sich denkt „Wenn’s wirklich wichtig war, ruft der Mensch schon nochmal an.“ und basta. Irgendwie aber auch nicht, weil nach vier Wochen löschen sich Nachrichten automatisch, und wenn ich sie nicht zufällig abgehört habe, denkt womöglich irgendwo ein Mensch völlig zu Unrecht, ich würd ihn ignorieren, mich nicht interessieren, nicht lieben – und dass dann vielleicht ein Herzerl bricht, das wär mir ganz und gar nicht recht. Wie’s anders funktionieren kann, hat mir vor ein paar Monaten der Anrufbeantworter meines alten Festnetztelefons gezeigt, das seit Jahren nicht mehr in Benutzung ist und das ich einmal an den Strom steckte, um zu sehen, ob’s denn wohl noch funktionieren würde. Nebst vieler Lichteln blinkte auch das der AB-Station und zeigte rotleuchtend eine Zahl. Nanu, dacht ich, was hat’s denn da noch für alte Nachrichten? Und spielte sie ab. Kurz darauf war ich in Tränen aufgelöst und sicher, dass der AB niemals weggeworfen werden darf, enthält er doch gewissermaßen Botschaften aus einer Zeit, die viel zu lange schon Vergangenheit ist. Jahr für Jahr zum Geburtstag haben meine Großeltern angerufen – auf Festnetz statt dem teuren Handy. Jahr für Jahr haben sie mich darum nicht erreicht, dafür aber unerschütterlich Botschaften hinterlassen, die ich nun eine nach der anderen wiederfand. Stets zu zweit am Telefon formulieren sie ihre Glückwünsche aufs Band, mal singend, mal dichtend. Stets eingeleitet vom liebsten Kosenamen, mit dem der Großvater mich von klein auf zu sich rief und den ich heut noch hören kann als hätt er’s gestern erst gesagt. Und wie mir von Jahr zu Jahr Glück, Gesundheit und Gottes Segen beschieden wird, so werden von Jahr zu Jahr die Stimmen älter. Schwächer. Die Lieder dünner, die Worte undeutlicher, die Hand zittriger. „Keine. Neuen. Nachrichten“, sagt der AB irgendwann, und ich weiß, dass nichts mehr kommen wird, nie mehr. Zum Geburtstag hör ich mir die alten Nachrichten an. Ob Gottes Segen so noch funktioniert, weiß ich nicht. Der der Großeltern tut es allemal. Gelöscht? Wird hier gar nichts.

// Text: Katharina Wasmeier / Foto: Unsplash //

~~ Diese Glosse erscheint unter dem Namen „Runter vom Sofa“ in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung ~~