Konzertbericht: HDIYL in New York
New York Trip mit Gitarren.
Der große Apfel ruft! Und wenn man nach stundenlangem Wandern durch wolkenkratzende Häuserschluchten noch nicht genug hat, dann schlägt man sich eben noch ein paar Gitarrensounds um die Ohren.
Die Music Hall of Williamsburg im besagten hippen Stadtteil von Brooklyn ist von aussen gesehen, eine recht unscheinbare, graue Angelegenheit. Hat man die flughafenähnlichen Sicherheitschecks jedoch hinter sich gebracht und den Laden rechts durch einen kleinen Gang betreten, entpuppt sich die Music Hall als nette, gemütliche Location. Im Vorraum Merchandise und Bar (die einen bei Bierpreisen von 9 $ nicht gerade magisch anzieht…), im Saal mit Galerie im Obergeschoß. Gemütlich und überschaubar, mit einem Fassungsvermögen von gut 650 Leuten, sagt Wikipedia, joah … kommt hin.
Mittwoch der Start mit Girlpool, dem Frauen-Indierock Duo aus Los Angeles. Unterstützt werden sie von Hatchie und Claud.
Claud wirkt mit ihrem Wuschelkopf, Brille und Quersstreifenpulli recht unscheinbar, aber als gute Singer-Songwriterin zieht sie die Aufmerksamkeit schnell auf sich. Dabei ist es vor allem ihre prägnante Stimme, die sich besonders hervortut. Kumpel Thomas ist begeistert. Ich auch.
Hatchie knüpft daran an und entfacht mit ihrer Band eine atmosphärisch dichten Teppich aus schönen DreamPop-Klängen. Auch wenn Thomas hier eine gute Zigarette vorziehen würde. Trotzdem Toll! Claud und Hatchie sind zwar noch völlig unbekannt, aber: Sollten die zukünftigen Debutalben auch in unsere Breiten vordringen, einfach mal auschecken! Es lohnt sich!
Ist der Indierock-Tisch nun perfekt gedeckt, sind es nun Girlpool, die mehrere exzellente Gänge an Gitarren servieren. Hauptgang ist das aktuelle Album „What Chaos is Imaginary“ . Gepflegter, über den Dingen schwebender Indierock bestimmt den weiteren Abend. Ihr verträumter mehrstimmiger Gesang kommt zwar live nicht so deutlich zur Geltung, dennoch ist die musikalische Verwandschaft zum Indiepop der 90er mit Bands wie Lush und Cocteau Twins deutlich herauszuhören. Gute 60 Minuten dauert das wunderbare Menü voller schwelgerischer Gitarrensounds. Zum Dessert bzw. Zugabenteil fragt die Band: „Any Requests?“ Und aus dem Publikum schallt es zurück: „Bee Gees! How deep is your Love“ (kein Witz, war wirklich so…). Den Wunsch haben sie zwar leider nicht erfüllt, trotzdem scheint an diesem Abend jeder glücklich. Catch the Breeze!
Zwei Tage später am Freitag geht der Spaß ein Spur härter weiter: Hot Water Music feiern ihr 25 jähriges Jubiläum! Mit von der Partie sind die Herren von Iron Chic und Errortype 11.
Errortype 11 können mit ihrer Mischung aus PunkRock, Alternative und Grunge noch nicht für große Anfangseuphorie sorgen. Da tun sich noch einige Lücken vor der Bühne auf. Klingt wie Tad, meint Kumpel Thomas. Könnte eine Erklärung sein, Tad aus Seattle hatten trotz Grunge-Etikett nie so richtig kommerziellen Erfolg.
Iron Chic legten eine Schippe drauf. Freundlicher Punkrock mit einer ordentlichen Spur Rotzigkeit. Frontmann Jason Lubrano als rockende Billardkugel ist sofort voll da und nimmt die vorderen Reihen in der Music Hall gleich mit. Das 30-minütige Gitarren-Geballer führt dann automatisch zum Hauptact des heutigen Abends.
Die Luftgitarre ist nun gut gestimmt und kommt bei Hot Water Music nun voll zum Einsatz. Zum 25-jährigen Jubiläum hauen die Herren aus Florida die jeweilige Setlists ihrer beiden älteren Alben Caution (von 2002) und No Division (von 1999) dem erwartungsfrohen Publikum um die Ohren. Schnelle Gitarren, die irgendwie alle nach kleinen PunkRock-Hits klingen, machen die Runde. Es geht Hit auf Hit, Ansagen gibt’s wenige: Less Talk, More Rock! Sänger Chuck Ragans Stimme, eh schon rauh und kratzig, wird auch so stark beansprucht. Auch die eigenen Füsse fordern nach einem langen Shopping- und Sightseeingtag zwar allmählich ihren Tribut, aber schlapp gemacht wird nicht. Die PunkRock-Maschine läuft und läuft und hat phasenweise sogar starken Hymnencharakter. Macht Laune! Hot Water Music halten den Spannungsbogen weiter aufrecht, bis irgendwann nach gut 70 Minuten Schluß ist. Eine Zugabe mit 2 – 3 Stücken von ihrem 2012er Über-Album „Exister“ wären noch toll gewesen, aber so passt es auch. Mehr von den Jungs aus dem Sunshine-State gibt’s schon bald ganz hier in der Nähe: Hot Water Music gastieren dieses Jahr bei Rock Im Park! Hingehen! Mach` deiner Luftgitarre eine Freude!
www.girlpoolmusic.com/
hotwatermusic.com/
/ Text & Bilder: Jörg Meyer /