Live / REIN & RAUS

Streifzug übers Bardentreffen

Wir sind ja Kummer gewohnt. Bardentreffen ohne mindestens einmal Regen – gab’s das überhaupt in den letzten fast 40 Jahren mal? Aber dass es ein Umsonst-und-draußen-Festival kurzzeitig derart zerhaut, das haben wir noch nicht oft erlebt.

Dabei fing alles so prima an. Freitagabend, bestes Bardenwetter. Schön trocken, warm, aber nicht zu heiß. Bereits am späten Nachmittag Schlangenlinienlauf zwischen Insel Schütt und Hauptmarkt: Die Straßenmusiker, die, die dem Bardentreffen zu seinem ganz speziellen Charme zwischen Neugierde, freudiger Überraschung und beschämt-eiligem Weitergehen verhelfen, hatten sich ihre Plätze bereits gesichert. Dixie neben Querflöte, Krawallgitarre neben Damenchor, Profis am Akkordeon neben ersten Gehversuchen an der Trompete, und die Mama sitzt daneben und blättert die Noten um. Das ist es, was wir mögen und weswegen wir so gern da durchschlendern: Jeder, und zwar wirklich jeder darf.

Wie gut das ankommt, bemisst sich zumeist recht einfach an der Größe der die Kunst umgebenden Menschentraube. Während Bardentreffen-Opa Pippo Pollina, italienischer Liedermacher und seit 1986 zum vierten Mal dabei, um 19 Uhr den Auftakt auf dem Hauptmarkt gibt, ist das Gesamtgewusel außenrum längst groß. Und drunter, drüber, mittendrin noch die acht Hauptbühnen, die von früh bis spät ganztags bespielt werden. Da muss man sich entweder vorher einen generalstabsmäßigen Plan machen, oder – nicht. Nicht! Weiß man eh nicht, was so passiert, und selbst wenn man im Schweinsgalopp von A nach B zu sausen versucht, versperrt einem entweder ein Publikumsbatzen den Weg oder man stolpert über die besteschönstesuperste Neuentdeckung.

„Krieg und Frieden“ war das Motto des 39. Bardentreffens, und weil’s zumal von ersterem grade leider viel zu viel gibt auf der Welt, war man gespannt auf Noa, Israels nicht nur bekannteste Liedermacherin sondern auch Verfechterin des Friedensprozesses in ihrer Heimat und Kämpferin für eine gerechtere Welt. Die sprach dann auch gleich klare Worte von Tragödien und Hoffnung und stupst die Nürnberger an: Weil’s noch gar nicht so lange her ist, dass der Hauptmarkt recht anders aussah und auf ihm ganz andere Menschen standen. Undenkbar damals: eine Israelin, die auf der Bühne steht und singt. „But here we are! Shalom!“

Dezimierte Rockin‘ Lafayettes, entspannter Welt-Jazz von Carmen Souza in St. Katharina, draußen Gymmick unplugged machtlos gegen die Verstärker der anderen, derweil der Schutzzauber vor My New Zoo ganz simpel lautet: schnell weg hier! Oder so laut unterhalten, dass die Hintergrundbeschallung nicht weiter unangenehm auffällt … Die Nacht nimmt so ihren Lauf irgendwo zwischen Bardendisko und Spontan-Sit-In, und dann sah’s am Samstag erst so toll aus, und urplötzlich herrscht neben all dem Frieden zwar gottlob kein Krieg, aber ein gewaltiger Kampf: Natur gegen Technik, Barden gegen Stromausfall, Besucher gegen Jahrhundertregen. Sah aus Couch-Perspektive schon nicht so schön aus, wurde von Facebook und Twitter gefüttert und hernach im Gespräch bestätigt. Schöne Scheiße. Und schön frisch, auf einmal.

Herzerwärmend dafür das Konzert der Nürnberger Your Careless Spark auf der MUZ Bühne am Lorenzer Platz, das lieber einfach mal gar nicht hätte aufhören sollen. Musste es aber, Zugabe machen wir nicht so beim Bardentreffen. Zu Salsa und Cuba der Soneros de Verdad auf dem Hauptmarkt gab’s dann Bratwurst und Bier, damit das nicht zu südländisch wird alles, bevor die Samstagnacht tut, was sie tun muss.

Und weil man da weitermachen soll, wo man aufgehört hat, wird nach einer angemessenen Rekonvaleszensphase tags darauf am Sonntagabend flugs vom Lorenzer Platz zum Hauptmarkt geschlendert, zu Tuareg-Musik von Tamikrest und Sonnenschein, weiter zu einer sehr angenehm-entspannten Yasmine Hamdan auf der Insel Schütt, um anschließend über El Mago Masin zu stolpern, dem man einfach nicht auskommt beim Bardentreffen (das aber auch nicht will), vergeblich nach Essen zu suchen, weil so gegen 20 Uhr schon beinahe jeder Stand leergefressen und / oder abgebaut ist, schleunigst den Lorenzer Platz und die dortige fränkisch-musikalische Grenzerfahrung wieder zu verlassen und zurück zur Insel Schütt zu pilgern, weil „dass da die letzte Gruppe am Sonntagabend eine Bank ist, da kannste dich eigentlich drauf verlassen.“ Und, juhu, wieder Recht behalten: Das Dubioza Kolektiv hat gelbe Trikots, lustige Frisuren, offensichtlich einen Dachschaden und noch offensichtlicher derart viel Energie, dass auch der letzte festivalgeplagte Leib unweigerlich mitzappeln muss beim Mitreiß-Mix aus Rock, Reggae, Dub, Punk, Polka, Konfetti und Purzelbaum. Zwei verwunderte Stunden später war’s das dann. Endlich. Heim, Ruhe, schlafen, bitte keine Überraschungen mehr! Und vor dem Koma aber noch schnell das Datum fürs nächste Mal nachschlagen …

/ Text: Katharina Wasmeier. Titelfoto: Uwe Niklas /

www.bardentreffen.de

Hier noch einige Kommentare, Bilder und Videos der in diesem Artikel erwähnten Künstler, die via Facebook gepostet und von uns für Euch entdeckt wurden:

NOA
„last night we had a great concert in Nuremberg Germany, a city which not too long ago was a symbol of the Nazi regime. 15 thousand people gathered there to hear and Israeli singer!! if that is possible, anything is possible. i suggest we stop with the „them and them and us and us“. the self righteousness and absolute truths have only brought devastation upon our people and on all humanity throughout history. better to start talking, and to start NOW, with whomever is willing to do so.“
( www.facebook.com/AchinoamNini)

CARMEN SOUZA
„Yesterday concert in Nuremberg was Great!!! Amazing crowd!!! LOVED to play with this great musicians and persons on stage Theo Pascal Elias Kacomanolis Benjamin Burrell and special guest first time on stage with the band Zoe Pascal…“
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(www.facebook.com/carmensouzaofficial)

YOUR CARELESS SPARK
„Bardentreffen, das war großartig!!! Vielen vielen Dank an alle die da waren, an den unermüdlichen Andreas Basner von Lokale Leidenschaften, an den Mischer Alex, an Linda und Franzi, an die krankheitsverhinderten Doro und Flo, an die MUZ-Bühnen-Crew und an Andreas Friedrich für das Video! …“

Your Careless Spark – Bardentreffen 2014 – Underwater from Andreas Friedrich on Vimeo.

(www.facebook.com/yourcarelessspark)

SONEROS DE VERDAD
„Gracias Nürnberg!“

(www.facebook.com/sonerosdeverdad)

DUBIOZA KOLEKTIV
„… Thanx people!“
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(www.facebook.com/dubioza)