Fakten: Quellkollektiv
Was ein Wirbelwind, der die letzten Tage rund um die Versteigerung des ehemaligen Quelleareals wehte. Kommerz statt Kunst, so die Befürchtung des Quellkollektiv e.V., der sogar mitgeboten hatte, um seine Vision von einer Stadt in der Stadt verwirklichen zu können. Nun ist „Staatstrauer“ angesagt (siehe Foto). Oder etwa nicht? Abgesehen davon machte der von seiner Idee her ausgezeichnete Aktionismus des Quellkollektives teils einen nicht sonderlich homogenen Eindruck. Vielleicht auch einer der Gründe, warum der Rückhalt aus der Szene streckenweise fehlte. Was? wie? wo? wofür? warum? Das waren Fragen, die uns ebenfalls auf den Lippen lagen. Deshalb haben wir sie gestellt. An Elnaz Amiraslani (auf dem Bild die Dritte vorne von links), die zum einen mit ihrer Agentur Parvenue in der Quelle zu Hause ist, und zum anderen als Pressebeauftragte des Quellkollektives versucht hat, in den letzten Wochen zu kanalisieren, was zu kanalisieren war. Ihre Antworten sind ziemlich ehrlich:
Das Quelle-Ding ist ja jetzt durch. Was sagt Deine Gefühlswelt dazu?
Für uns geht’s jetzt erst los! Wir sind alle sehr gefasst, da wir mit dem Ausgang „Sonae Sierra“ ja gerechnet haben. Ich persönlich bin aber doch etwas überrascht und sogar etwas enttäuscht, dass tatsächlich keine einzige andere Partei mitgeboten hat. Unabhängig von der Ausbietungsgarantie, die sich Sonae vorab eingeräumt hat, kann ich die „Ehrfurcht“, die das Projekt Quelle sowohl bei der Stadt Nürnberg als auch beim Land Bayern, Bund und Investoren offensichtlich auslöst, nicht nachvollziehen. Die Quelle ist meiner Meinung nach ein ungeschliffener Diamant, was von vielen Entscheidungsträgern leider nicht erkannt wurde.
Wo waren Deiner Meinung nach Schwächen innerhalb der Quellkollektiv-Struktur?
Die diversen Gruppen im Haus (Wir kaufen die Quelle, Team Crowd-Funding, Quellkollektiv, unorganisierte Mieter, …) haben sich für die Kampagne zur „Initiative Quelle retten“ zusammen getan. Das war eine gute Entscheidung, weil so wichtige Schnittstellen der jeweiligen Gruppen geschaffen wurden, was unsere Kommunikation nach außen optimiert hat.
Wir konnten in den letzten Wochen der Kampagne gut funktionierende Strukturen aufbauen, auch wenn das bei so vielen Menschen mit verschiedenen Prägungen und Intentionen sicher nicht immer einfach war. Aber wir haben das wirklich toll hinbekommen und ich bin sehr stolz auf das Quelle-Team! Diese Erfahrung war für mich ein bezeichnendes Beispiel dafür, dass selbst verwaltete Kulturarbeit ohne strenge Hierarchien viel Entfaltungs-Spielraum schafft.
Defizite sehe ich vor allem darin, dass wir alle ehrenamtlich an der praktischen und theoretischen Netzwerkarbeit beteiligt sind, was auf Dauer an unseren Kapazitäten zehren wird. Mehrere, zum Beispiel von der Stadt geförderte Orga-Stellen könnten eine wichtige und nötige Abhilfe sein, um hausintern verbindliche Ämter vergeben zu können. Das würde nicht nur nachhaltige Verbindlichkeit und Planungssicherheit schaffen, sondern auch mehr Ordnung und Professionalität in das Ganze bringen, wenn es absehbar darum gehen, wird für Ämter, die Öffentlichkeit und den Investor als Ansprechpartner verfügbar zu sein.
Lass uns durchaus noch ein Stück weiter reduzieren, um das mal auf den Punkt zu bringen: Was genau ist das Quellkollektiv?
Das Quellkollektiv hat sich bereits vor zwei Jahren als Interessensvertretung der MieterInnen in der Quelle und Netzwerkstelle für Kreative gegründet.
Wer genau ist beim Quellkollektiv dabei?
Von den 170 Mietern im Haus sind etwa 70 Mitglied im Quellkollektiv e. V. Außerdem haben wir auch einige externe Mitglieder, wie zum Beispiel Kollegen von der benachbarten AEG-Kulturwerkstatt.
Was sind die genauen Ziele des Quellkollektivs?
Ein großes Ziel haben wir die letzten Tage erreicht: eine öffentliche Debatte zur Quelle und allgemein zum Thema kreative, nachhaltige Stadtentwicklung anzustoßen. Unsere Interessen als Mieter standen hierbei an zweiter Stelle.
Wir arbeiten bereits an neuen Zielsetzungen, die vor allem dem gelten, das Netzwerk in der Quelle trotz Kündigung und Auszug zusammen zu halten.
Hätte man diese Ziele nicht im Vorfeld genauer definieren und kommunizieren sollen?
Haben wir. Es haben leider nicht alle zugehört.
Was entgegnest Du den Leuten, die in den Raum werfen, das Quellkollektiv hat keine ernsthaften, durchaus auch geschäftstüchtigen Ideen?
Ich würde sagen „das stimmt nicht“ und bin mir sicher, dass diese Leute anders denken würden, wenn sie sich mit dem Kollektiv auseinandersetzen würden. Ich bin lang genug in der Nürnberger „Szene“ aktiv, um sagen zu können, dass ich selten so viel Produktivität erlebt habe wie im Quelle-Netzwerk. Jeder ist eingeladen worden, vorbei zu kommen und sich ein Bild zu machen.
Sehr bezeichnend war die letzten Wochen, dass die meisten Kritiker gar keinen Einblick in unsere Arbeit hatten, nie vor Ort waren oder sich „falsch“ informiert haben. Sicherlich hat zu dem falschen Bild der „Hippie-Künstler, die die Quelle billig für sich wollen“ eine etwas fehlgeleitete Medienberichterstattung beigetragen.
Darf man mit Kunst, die in Freiräumen entsteht, auch Geld verdienen? Oder: sollte man sogar?
Ja natürlich, ich freue mich immer für meine Künstler-Kollegen, wenn sie mit ihren Ideen, ihrem Geschick und ihrer Kreativität Geld verdienen. Außerdem profitiere ich als Agentur und auch andere „Kulturverwerter“ von dem kreativen Input der Künstler. Hier sehe ich eine wichtige Schnittstelle des Kreativwirtschaftskreislaufs.
Euch wurde und wird immer wieder angeboten, mit den neuen Eigentümern zu reden, um zu beratschlagen, wie es weitergehen kann. In der bisherigen Kommunikation seitens des Quellkollektivs bekommt man eher den Eindruck, dass ihr nie reden wolltet? Stimmt das oder ist eigentlich alles ganz anders?
Das stimmt gewiss nicht. Als es absehbar war, dass Sonae Sierre der neue Eigentümer werden könnte, gab es schon vor Monaten mehrere Anläufe des Quellkollektivs, mit der Firma ins Gespräch zu kommen. Leider vergeblich. Auch bei der Stadt Nürnberg ließ sich kein fester Ansprechpartner finden.
Dafür kam es nur wenige Stunden nach der Versteigerung dann zu einem überraschend offenen Gespräch mit Herr Binder (CEO Sonae Sierra Deutschland), in dem er erstes Entgegenkommen signalisierte. Immerhin, aber wir wollen das vorerst mal nicht überwerten.
Wo hängt die Vision des Quellkollektivs? Wäre ein Modell ähnlich der Spinnerei in Leipzig vorstellbar?
Klar, Modelle wie Spinnerei in Leipzig und Tabakfabrik in Linz sind für uns BestPractice- und Vorbildprojekte. Langfristig besteht im Bezug auf die Quelle auch weiterhin die Vision der „Stadt in der Stadt“, die auf 250.000qm sehr gut realisierbar wäre. Dazu gehören aber nicht nur unsere, sondern auch die Visionen aller Bürger und der Stadt Nürnberg.
Wie geht es nun konkret weiter?
Wir können absehbar bis Ende 2015 in der Quelle bleiben. Es werden diese Woche noch Gespräche mit der Stadt Nürnberg stattfinden, wo es unter anderem um etwaige Ausweichmöglichkeiten für die Bauphase (Baubeginn in etwa Mitte 2016 bis 2019) gehen wird.
Es wird natürlich auch bald Gespräche mit dem Eigentümer geben.
Natürlich wünschen wir uns Lösungen zu finden, die Bauzeit auch ohne Auszug überbrücken zu können und haben dazu auch schon eigene Ideen, die wir der Stadt und dem Investor vorlegen werden. Außerdem soll Sonae Sierra uns gefälligst von Anfang in sein geplantes „Kreativzentrum“ einplanen – immerhin sind wir das schon!
Warum denkst Du seid ihr von Teilen der Nürnberger Szene ignoriert worden?
Darüber habe ich am Rande auch nachgedacht, da mir die Solidarität einiger Kulturschaffender doch etwas gefehlt hat.
Nach diversen Gesprächen hab ich den Eindruck, dass niemand ausdrücklich gegen unsere Ideen oder Forderungen war, sondern von vielen eine Intransparenz wahrgenommen wurde, die es bei Vereinen strukturbedingt oft gibt. Außerdem waren viele tatsächlich schlecht informiert.
Es entsteht derzeit eine Homepage zum Quellkollektiv. Ich denke dem kursierenden Halbwissen kann man damit gut entgegenwirken.
Was ist aus denen geworden, die als das alles hochkam, ihr Engagement und ihre Unterstützung zugesagt haben?
Du meinst angehende Stadträte & so weiter? Stimmt, was ist eigentlich aus denen geworden???
Ist ein Umzug aufs Gelände des neuen Z-Bau denkbar?
Das war nie Thema bei uns, vielleicht bei einzelnen.
Für mich persönlich und sicherlich auch für viele andere wäre der Z-Bau keine interessante Ausweichmöglichkeit, da dort schon feste Strukturen vorgegeben sein werden. Wir sind ja vordergründig an einer Selbstentwicklung interessiert. Außerdem, glaube ich, ist der Z-Bau sicher eh bald voll und eher für Künstler-Ateliers und weniger für Büros geeignet.
Anders gefragt: Was genau hat der ehemalige Quelle-Bau, das andere Orte nicht haben?
250.000qm Raum und Geschichte.
Wen hättet ihr gerne als künftigen Partner mit im Quellkollektiv-Boot? Wer könnte euch weiterbringen?
Gerhard Richter könnte sich gerne mal bei uns melden.
Wir sind natürlich offen für alle und wünschen uns vor allem den Austausch mit dem Stadtteil und kulturinteressierten Bürgern. Die Stadt Nürnberg könnte hierbei ein guter Vermittler sein.
Was möchtest Du noch unbedingt loswerden?
Kommt vorbei und schaut euch die jetzige Quelle an, solange es noch geht.
Interview: /guesswhoisbad/
Foto: Pressefreigabe vom Quellkollektiv
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