Meinung

Gschmäggle #1: das Rauhnächte Festival

Uns ist schon seit Längerem klar, dass wir es uns nicht verkneifen wollen und vielleicht auch nicht sollten, das Geschehen in unserer Stadt (Nürnberg) von Zeit zu Zeit mit ein paar Worten zu kommentieren. Kritischer Kontext fehlt (auch hier) zu oft, was wir schade finden. Wir liefern ihn nun abundzu, diesen kritischen Kontext. Mal nachdenklich, mal bissig, mal ironisch, mal liebevoll oder mal provokant – in jedem Fall sollen die Texte unserer neuen Kolumne „Gschmäggle: Stadtgeschichten anders betrachtet“, dazu einladen, Dinge mehr zu reflektieren und aus anderen Perspektive zu betrachten. Uns schützt diese Serie auch ein wenig vor uns selbst. Sonst ist zu befürchten, dass wir richtig wütend werden. Wie HIER, HIER oder HIER passiert. Aber auch über Wut sollte man nachdenken. Außer es handelt sich um geschwurbelte Wut, da hilft scheinbar nix mehr. „Gschmäggle: Stadtgeschichten anders betrachtet“ wird außerdem einer Anfrage von jemandem aus dem Journalismus gerecht. Wir wurden darum gebeten hat, keinen Namen zu nennen. Das respektieren wir.

Zum Debüt von „Gschmäggle: Stadtgeschichten anders betrachtet“ gibt es ein paar Worte zum Rauhnächte-Festival zu sagen, das kurz vor Silvester in Nürnberg stattfand. Das ist nun schon ein wenig her, hallt aber trotzdem noch nach.

Das verantwortlich Projektbüro im Geschäftsbereich Kultur der Stadt Nürnberg hatte Bundesmittel aus dem NEUSTART KULTUR Programm erhalten. Dieses Geld wollte man unbedingt noch ausgeben. Dank einer großzügigen Unterstützung durch einen Finanzdienstleister und schätzungsweise auch ein paar Eigenmitteln hatte man eine Idee. Ein Festival zwischen Weihnachten und Silvester. Rauhnächte sollte es heißen, ein Begriff, der seit der frühen Neuzeit auch für Geisteraustreibung und – beschwörung steht. Die 12 Tage (oder besser Nächte) zwischen Weihnachten und Dreikönig waren laut einer Bauernregel aber auch mitbestimmend für das Wetter im neuen Jahr.

Es wurden nun Pandemie-gerecht umsetzbare Spielstätten klar gemacht, von denen ein großer Teil Open Air gelegen war. Und es wurden Künstler*innen gebucht, von denen recht viele männlich waren.

Die Spielstätten waren wirklich schön und die Festivalumsetzung durchaus gelungen. Mehrere Großprojektionen an Fassaden von städtischen Museen (z.B. Zukunftsmuseum oder Neues Museum) luden zum Staunen ein. Es gab elektronische Livemusik von der Japanischen Clubjacke, die sich über ein ordentliches Weihnachtsgeld sicherlich gefreut hat. Es gab elektronische Clubmusik von Roman Flügel und lokalen Plattendrehern aus dem Umfeld vom Kooperationspartner Soundbar Mitte, einem zwischenzeitlich laut Presseberichten (z.B. HIER) wegen Verstößen gegen die Infektionsschutzmaßnamen diskutieren und kritisierten Kulturort (ebenfalls im verlinkten Bericht findet sich ein Statement des Betreibers zu den Vorwürfen). Es gab Kompositionen von Frieder Nagel, Magie, Feuertanz, … teils war der Zutritt bei beschränkter Kapazität frei, die Schlangen am Einlass lang. Das Ziel der Geschichte: Zwischen den Jahren ein wichtiges Zeichen der Sichtbarkeit von Kunst und Kultur zu zeigen, so die Nürnberger Kulturbürgermeisterin Prof. Dr. Julia Lehner.

Kann man so sehen.

Kann man aber auch anders sehen. Wir haben dazu was in diesem Internet gefunden (und zur Veröffentlichung erbeten), dass es für eine andere Sichtweise auf die Punkte bringt:

… Der Nürnberger Oberbürgermeister sagte in seiner Weihnachtsansprache, dass wir uns alle weiterhin „…solidarisch…“ verhalten sollen. Ab heute veranstaltet aber die Stadt Nürnberg … ein „Rauhnächte-Festival“, zu welchem an verschiedenen Orten, verschiedene Kultursachen dargeboten werden sollen. Bedeutet dieses „solidarisch“ dass,

  1. sich die Stadt mit dem Sponsor solidarisch zeigt …  um die nächsten drei Tage seine Banner vor den Veranstaltungsstätten aufhängen zu können?

oder

  • Sich die Stadt solidarisch mit den 28 Gästen gibt, die sich in solch einer Zeit, sowas freiwillig antun möchten.

oder

  • sich die Stadt Nürnberg solidarisch mit allen Kultur- und Weihnachtsmarktmenschen (die übrigens in den letzten vier Wochen eh massig einnahmen hatten), zeigt und ihnen jetzt erstmal was „zum abchillen“ anbieten möchte?

oder

  • Rücksicht auf die genommen, die in den letzten Wochen nicht auf Veranstaltungen gehen konnten, weil umsichtige Veranstalter*innen und -betreiber*innen, ihre Läden schon vor ein paar Wochen geschlossen haben?

Moralisch gesehen könnten man so betrachtet auch sagen, dass diese Idee ein ziemlicher Aussetzer einer städtischen Kulturpolitik ist, die im vergangenen Jahr eh einige Male nicht sonderlich geglänzt hat und bei der freien Veranstalter*innen Szene sowie bei der einen oder anderen Partei im Stadtrat (z.B. bei der politbande) einen mehr als umstrittenen Ruf genießt. Man denke an die gescheiterte Kulturhauptstadtbewerbung, der Umgang mit dem „Regenbogen-Präludium“ am Reichsparteitagsgelände oder die Bürger*innen-nah gewollte aber in der Praxis dann doch eher Bürger*innen-ferne Opernhaus-Debatte.

In diesem Sinne. 2022. Das Wetter wird. Vielleicht schlecht. Weil die Stadt. Macht. Was sie macht.

[hdiyl]

DAS RAUHNÄCHTE FESTIVAL IM NETZ