Meinung

Helfende Hände

„Es ist eine gute Idee, ABER das Risiko, ich weiß nicht was ich tun würde…“

Als mir vor einigen Wochen ein Freund erzählte, dass er als freiwilliger Helfer in Seniorenheimen aushelfen will, war ich erstaunt. Einerseits über den Mut, dieses in den Pandemieherden überhaupt zu tun, andererseits über seinen Altruismus, dem er sowohl seine Kontakte zu Freunden, als auch seine Beziehung unterordnete. Sein Karmakonto ist auf jeden Fall jetzt massiv im Plus.

Schon damals hatte ich den Gedanken, dass er seine Erfahrungen doch für den Blog zu Papier bringen könnte. Also nach Abschluss seines Einsatzes kurz nachgefragt und unter der Bedingung anonym zu bleiben, willigte er auch ein.

Falls ihr solche Aktionen unterstützen möchtet, findet ihr am Ende des Berichtes einen Spendenlink.

Nun aber Schluss mit dem Vorwort.
Hier der Bericht über die helfenden Hände:

„Derzeit ist vor allem die Lage in einigen Seniorenheimen in Nürnberg sehr angespannt – viele Bewohner*innen, aber auch Pflegekräfte sind an Covid19 erkrankt und die verbleibenden Pflegekräfte arbeiten am Limit. Es werden dringend „helfende Hände“ gesucht, die bereit sind hier zu unterstützen.“

Es war Anfang Januar als ich im Internet den Aufruf des Bayrischen Roten Kreuzes Stadt Nürnberg gelesen habe – es ist Lockdown, alle vor-Corona Hobbys wie Konzerte und Reisen, aber auch Ehrenämter ruhen zwangsweise. Eine Idee entsteht: ein bisschen Abwechslung, dabei was Gutes tun, klingt doch ganz gut. Also mehr Informationen eingeholt und nachgedacht, wegen des höheren Ansteckungsrisikos. Mit Freunden gesprochen, „was würdest du tun?“ Die meisten sahen genau das gleiche Dilemma „Es ist eine gute Idee, ABER das Risiko, ich weiß nicht was ich tun würde…“.

Nach dem die Idee gereift ist und ich das „Ansteckungsrisiko“ durch verschiedene Isolationsmaßnahmen auf mich reduziert habe (sechs Wochen nur noch Homeoffice, ein paar Urlaubstage für den Einsatz, vier Wochen nur virtueller Kontakt mit Freunden und der Freundin, ein paar Ausnahmen für Spaziergänge mit FFP2 Maske habe ich mir erlaubt), meldete ich mich beim BRK an.

Das BRK übernahm die Organisation und verteilte die Helfenden Hände auf die Einrichtungen, die Unterstützung benötigen. Man gab an wann man eingesetzt werden möchte (Wochentag + Früh- oder Spätschicht) und bekam die Rückmeldung, wann man wo erscheinen soll.

Insgesamt hatte ich ab Ende Januar sieben Einsätze an vier Wochenenden und war als Helfende Hand in drei verschiedenen Pflege- und Altenheimen in Nürnberg.

Vor jedem Einsatz gab es einen Schnelltest auf Covid19, bevor man überhaupt mit bereitgestellter Dienstkleidung, desinfizierten Händen und mindestens täglich neuer FFP2 Maske in die Nähe der Bewohner*innen gelassen wurde, das Personal muss alle zwei Tage zum Test, meines Wissens nach gab es auch mind. wöchentliche Tests der Bewohner*innen, dazu strikte Trennung der verschiedenen Stationen – egal in welcher Einrichtung. Die Maßnahmen zeigten auch die gewünschte Wirkung, denn das Projekt „Helfende Hände“ wurde dank stabiler Infektionslage in den Einrichtungen zum 23.Februar vom BRK beendet.

Bereits beim ersten Einsatz wird mir schnell bewusst, dass mein Einsatz hilft. Vor Ort angekommen, gab es eine ausführliche Einweisung durch das BRK: Was darf ich machen? Auf was muss ich achten? Hygieneregeln, Ansprechpartner des BRK bei Problemen. Danach Übergabe an das Pflegepersonal. Man bekommt einen Ansprechpartner, welcher sagt, was getan werden muss. Gerade am Anfang wichtig, ab dem zweiten Einsatz hatte ich schon ein Auge dafür, was ich gerade tun kann. Nach dem Austeilen des Frühstücks und Betreuung beim Essen wurde ich zu einer Bewohnerin geschickt, um mich ein wenig mit ihr zu unterhalten. Und so verging eine ganze Stunde, in der wir uns gut über Gott und die Welt, aber hauptsächlich über Ihre Biografie unterhalten haben und darüber, dass sie in letzter Zeit so viel vergisst. Ich ahne, woran das liegt. Später wird mir bestätigt, dass dies hier die Demenzstation ist. Als eine Pflegeschwester nach der Bewohnerin schaut, uns sieht und beruhigt sagt „ach deswegen klingelt Frau X nicht mehr“ wird mir klar, die Helfenden Hände entlasten das Personal und den Bewohner*innen tut das enorm gut: Win – Win Situation.

Der Tag vergeht, ich wandere von Zimmer zu Zimmer, desinfiziere zwischendurch immer wieder gründlich die Hände, Gespräche werden geführt, kurze Geschichten vorgelesen, Essen verteilt, kurze Spaziergänge (meist drinnen auf den Gängen) gemacht, Mensch ärgere Dich nicht gespielt. Dazwischen auch immer wieder Austausch mit dem Ansprechpartner, es wird notiert, mit wem man länger Kontakt hatte – Sicherheitsmaßnahme. So vergeht die erste Frühschicht.Mein Fazit: Es tut jedem Beteiligten gut, man selbst entschleunigt dabei. Ich melde mich jeweils für die kommenden Wochenenden an bis das Projekt endet. Auch die folgenden sechs Dienste liefen nach diesem Muster ab. Man lernt innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Biografien kennen; auch sehr persönliche Informationen, Sorgen und Ängste werden mitgeteilt. Oft fällt das Datum 2. Januar, ein Nürnberger Schicksalsdatum, was tief in den Erinnerungen der Senior*innen sitzt, die es miterlebt haben.

Und nun, danach? Es bleibt die Erkenntnis, dass in den Pflege- und Altenheimen Menschen mit interessanten Geschichten wohnen, die es zu schätzen wissen und sich freuen, wenn man sich Zeit für sie nimmt. Manche von Ihnen haben keine Angehörigen (mehr), bekommen also auch keinen Besuch. Das Pflegepersonal und die Sozialbetreuung der Heime sind nicht für Einzelbetreuung ausgelegt, Gruppenaktivitäten fallen dank Corona meist bis auf weiteres aus. Die Unterstützung war wichtig – ist wichtig, weiterhin, auch wenn das Projekt zu Ende ist. Ich würde es wieder tun.

https://www.kvnuernberg-stadt.brk.de/spenden/geldspende/spendenprojekte/helfende-haende-in-krisenzeiten.html

 

Vorwort & Bild: Simon Strauß

Bericht: Verfasser ist der Redaktion bekannt