Gehört / Musik

Gehört: Kraftklub – Kargo

Am gestrigen Freitag ist nach 5 Jahren endlich das neue Kraftklub Album „Kargo“ erschienen. Sarah hat nach Zorn & Liebe von Provinz (HIER) auch diesem Album ihre Zeit in den letzten Tagen gewidmet und hier sind Ihre Eindrücke.

„Da ist sie wieder, die Stimme einer Generation“
-Kraftklub, Vierter September.

Musikanlage an, Lautstärke auf Anschlag und los. Ich durfte das lang ersehnte neue Kraftklub Album „Kargo“ vorab für Euch anhören und was soll ich sagen? Die fünf Jungs aus Chemnitz haben sich mit ihrem Werk – mal wieder – ganz und gar selbst übertroffen.

Bevor ihr weiterlest bitte Kopfhörer rein und „Blaues Licht“ anhören. Einer meiner persönlichen Lieblingstracks der Platte – Gänsehaut pur.

Track an? Na dann kann’s ja jetzt weitergehen.

Das Debütalbum von Kraftklub „Mit K“ erschien 2012, gefolgt von „In Schwarz“ und „Keine Nacht für Niemand“. Damit lieferten sie drei Nummer-eins-Alben in Folge. Fünf Jahre nach ihrem zuletzt veröffentlichten Album stellen sie nun erneut klar, was sie zu einer der erfolgreichsten Band des Landes macht.

Nach dem Album „Keine Nacht für Niemand“ aus dem Jahr 2017 wurde es still um die fünfköpfige Band. Sie nahmen sich eine Auszeit.

Der Frontmann Felix Kummer (alias Felix Brummer) verwirklichte sich zwischenzeitlich mit seinem Soloprojekt „Kummer“ einen Traum. Er veröffentlichte ein eigenes Studioalbum namens „KIOX“. Seine extrem erfolgreiche Solokarriere beendete er dann nach knapp drei Jahren mit der „Bye, Bye Kummer“ Tour im September 2022 und widmet sich nun wieder ganz Kraftklub.

Doch was hat sich in der Zeit als Solokünstler für Felix und auch für Kraftklub verändert?
Felix selbst sagt: “Die Art, wie ich für Kummer getextet habe, hat auf jeden Fall abgefärbt. Da habe ich auch gemerkt, dass ich die Texte, von denen ich dachte, dass sie zu nah an mir dran sind, durchaus auf einer großen Bühne vortragen kann.” Und ja, verdammter Mike Skinner, Kate Nash, Lykke Li. Aber eben auch verdammte Klimakrise, Rechtsruck, Pandemie.

Diese Abfärbung hört man bei den neuen Lyrics deutlich durch eine gewisse Bedrücktheit, Ernsthaftigkeit und Reife.
Da haben sich wohl die Jahre und etwas „Kummer“ eingeschlichen. Doch Kraftklub bleibt Kraftklub. Die Lyrics der elf neuen Lieder sind nach wie vor, vor allem systemkritisch, gesellschaftskritisch und selbstironisch – auch wenn hiervon ein klein bisschen weniger. All das stets verpackt in hitzige Feier- und Mitbrüllsounds.

So handelt der Song „Vierter September“, der für mich in der ersten Strophe übrigens einen echten „Kummer“ Sound hat, von den Geschehnissen rund um das „Wir sind mehr“ Solidaritätskonzert, welches am 03. September 2018 in Chemnitz stattfand. Das Konzert wurde von Kraftklub als Demonstration gegen rechtsextreme Ausschreitungen in der Stadt organisiert. Damit setzen sie ein klares Zeichen. „Gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Faschismus, Homophobie und die verfickte AfD.“ Mit diesen Worten machte der Sänger damals unmissverständlich klar, worum es bei der „Wir sind mehr“ Bewegung geht. „Doch was bleibt übrig, nachdem wir nach Hause gehen?“ fragt Felix in den Zeilen des Songs. Fest steht, der alltägliche Trott und die Bequemlichkeit kehrten nach diesen geladenen Tagen viel zu schnell wieder zurück.

Entsprechend hierzu wettern die fünf Chemnitzer in „Angst“ mitspöttischen Lines wie: „Nimm deine Frau und die Kinder, aber zündet bitte nicht mein Auto an“ gegen die deutsche Wohlstandsgesellschaft und Spießbürgerlichkeit.
Sie fragen die „ängstlichen“ nach rechts gerückten Bürger hierzulande mit scharfem Ton: „Hast du Angst, A-a-a-alman Angst?“

In „Wittenberg ist nicht Paris“ geht es weiter mit den üblichen Kraftklub Themen. Hierin besingen sie die noch immer bestehenden Unterschiede zwischen ostdeutschen Kleinstädten und westdeutschen Großstädten, deren privilegierten Bewohner sich zunehmend in politischer Gemütlichkeit suhlen. Denn Nazis raus!“ ruft es sich leichter da, wo es keine Nazis gibt.“

„Kargo“ überraschte mich mit unerwarteten Gastauftritten und zu meiner Freude auch mit einer beachtlichen Frauenquote.

Für „So schön“ wurden sich die zwei Schwestern von Sänger Felix und dem Bassisten Till, mit ihrer Band Blond, ans Mikro geholt. Der Song handelt von Schönheit als kapitalistisches Konstrukt. Weitergereicht wurde das Mikro dann an die Musikerin Mia Morgen, die in dem Liebeslied „Kein Gott, kein Staat, nur Du“ mit ihrem Gesang begeistert.

Den überraschendsten Gastauftritt hat aber wohl die ebenfalls aus dem Osten stammende Band Tokio Hotel.
Den Track „Fahr mit mir (4×4)“ bekamen wir ja bereits vorab als Singleauskopplung des Albums hören. Gemeinsam kritisieren sie ihre Heimat, so singt Bill Kaulitz, der 2010 nach Los Angeles auswanderte: „Etwas mit Heimatministerium kann für mich keine Heimat sein.“ Der Song handelt davon, abzuhauen und auszubrechen.

Abschließend kann ich sagen, dass das Album für mich ein echtes Highlight des Jahres ist und mich durch das restliche definitiv begleiten wird.

Ab November 2022 gehen Kraftklub dann auf große „Kargo“ Tour. Ich werde dabei sein, also los – Ticket klarmachen und mitkommen!

// Text: Sarah Zettl / Bilder: Kraftklub (by: Philipp Gladsome) //