Im Gespräch mit: Provinz
Am 17. Juli ist das Debüt-Album „Wir bauten uns Amerika“ von Provinz erschienen und hat es auf Anhieb bis auf Platz 4 der Deutschen Album Charts geschafft. Wir sind schon lange Fans der vier Jungs aus Vogt und hatten jetzt die Gelegenheit, der Band ein paar Fragen zu stellen. Das Interview geführt für uns hat Tanja Heubisch.
Seitdem euer Album erschienen ist, sind nun schon einige Monate vergangen. Die zugehörige Tour musste leider verschoben werden, dennoch habt ihr im Sommer ein paar Mal Live spielen können. Wie war die Zeit für euch nach dem Release, als ihr auch endlich die Platte zum ersten Mal in den Händen halten konntet und alle Songs zum ersten Mal vor Publikum präsentieren durftet?
Das ist natürlich ein unbeschreiblich schönes Gefühl, die eigene Platte in den Händen zu halten und das direkte Feedback von so vielen Menschen live zu bekommen. Es waren trotzdem auch gemischte Gefühle dabei, weil man auch oft daran denken musste, was wir dieses Jahr verpasst haben. Aber wir hatten durch die Picknickkonzerte und Sitz Konzerte trotzdem noch sehr schöne Momente dieses Jahr, und das wissen wir auch sehr zu schätzen! Unter dem Strich hat es für uns 2020 trotzdem zu einem sehr besonderen Jahr gemacht.
Eine eure ersten Live Sessions liegt nun bereits einige Jahre zurück und war zusammen mit Sofar in Friedrichshafen. Dort spielt ihr den Song „Zu Jung“ lange vor eurer ersten Single und EP. Welcher der Songs auf dem Album ist der Älteste und welchen habt ihr als Letztes geschrieben?
Der älteste Song ist wahrscheinlich „Mach Platz!“. Den haben damals noch vor der Supporttour von Klan geschrieben, um Live einen aufsehenerregenden Openersong zu haben. Und irgendwie hat er es dann auch auf die Platte geschafft. Der jüngste müsste „Tanz für mich“ sein. Den hatten wir unmittelbar vor der letzten Recording-Session innerhalb einer Stunde geschrieben. Damit hätten wir auch nicht gerechnet 🙂
Im Studio durftet ihr zusammen mit Tim Tautorat arbeiten, der unter anderem schon mit vielen anderen Größen wie allen voran AnnenMayKatereit und Faber gearbeitet hat. Wie kam es dazu und wie war die Zeit?
Zu Tim kamen wir so, dass wir vor der EP einige Produzenten ausprobiert haben, um den Richtigen zu finden. Und mit Tim hat es auf Anhieb funktioniert, unter anderem deshalb, weil er uns und wie wir klingen wollen, sofort verstanden hat. Seit dem arbeiten wir immer mit Tim zusammen, weil es sehr gut funktioniert und Tim uns gut da ergänzt, wo wir selbst nicht mehr weiter kommen. Er hat eine sehr beeindruckende Expertise.
Angefangen habt ihr als das Duo Twice, unter dessen Namen ihr auch noch englische Songs gesungen habt, warum bevorzugt ihr dennoch die deutsche Sprache?
Am Anfang war Robin noch mehr in die Texte involviert, da war das alles noch ein Stück weit weniger inhaltsbezogen und mehr Ausprobieren. Mit der Zeit hat Vincent das Songwriting immer mehr übernommen und gemerkt, dass er sich in der deutschen Sprache einfach deutlich besser ausdrücken kann. Und auch durch Musik wie Grönemeyer oder Casper war bei uns früh die Faszination für deutsche Texte da.
Mit eurer Musik bewegt ihr euch ein wenig zwischen Tiefpunkte und Höhenflüge, passend dazu assoziiert der Titel „Wir bauten uns Amerika“ ein Gefühl von Aufbruch. Seht ihr euch ein wenig als kleiner Beweis, dass zwischen all den Höhen und Tiefen des Lebens immer noch alles gut werden kann?
Ich denke nicht, dass wir uns so direkt beschreiben würden, aber natürlich macht das Sinn. Unsere Texte und Inhalte sind alle aus der Sicht eines Anfang 20-jährigen geschrieben. Und bei all den Problemen, die man so hat und allen schönen Dingen, die man zelebriert, hat man in dem Alter immer einen gewissen Optimismus und eine Leichtigkeit. Daher kann für uns wahrscheinlich im Moment immer alles gut werden.
„Üüüüüber all auf der Welt scheint die Sonne“ was als Trinklied begann, hat sich bei euch zu einem Bandritual entwickelt. Während ihr dort das Licht besingt, bewegt ihr euch musikalisch und visuell eher in der Dämmerung und belegt euch mit einer gewissen Schwermut. Wie kommt das?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Bei uns passiert musikalisch viel intuitiv und textlich viel autobiografisch.
In euren Texten sträubt ihr euch doch auch ein wenig gegen die Stadt „Brauchen kein Berlin, brauchen nur uns“, „Bei all diesen Lichtern seh ich die Sterne nicht mehr“, dennoch habt ihr auch als Straßenmusiker in Berlin gespielt. Sehnt ihr euch ab und zu auch nach der Stadt oder werdet ihr im Herzen Kinder der Provinz bleiben?
Teils teils. Also ein Teil von uns wird bestimmt bei allem immer Dorfkind bleiben, aber im Moment sind wir alle eher am Ausziehen. Und dann auch in die große Stadt. Wir haben wahrscheinlich schon ein etwas ambivalentes Verhältnis zu der Großstadt, vielleicht auch deshalb, weil wir im Moment ein bisschen zwischen beiden Welten leben. Und dadurch sieht man eben die Vorzüge, aber auch die Nachteile von beiden Welten.
Aber die nächsten Jahre wollen wir auf jeden Fall auch raus von hier 🙂
Vincent, du hast eine sehr markante und kräftige Stimme. Hattest du auch Vorbilder, die dich stimmlich begeistert haben?
Bestimmt, da gibt es einige. Ich bin früher neben viel englischer Musik auch mit den Toten Hosen und Grönemeyer aufgewachsen und habe mich dann später mit Casper und Marteria sozialisiert. Und höre heute auch viel Post Malone, Höchste Eisenbahn oder Girl in Red. Vieke davon hatten auch sehr markante Stimmen. Meine Stimme wurde aber, glaube ich, viel durch Straßenmusik geprägt. Da musste man sich das Publikum einfach etwas erbrüllen. Von da an hat sich das irgendwie so entwickelt.
Im Sommer hattet ihr auf euren Konzerten auch noch unveröffentlichte Songs dabei. Ist das ein erster Vorgeschmack darauf, wie ihr die Corona Zwangspause genutzt habt, und wartet da evtl. eine neue EP auf uns?
Das könnte natürlich sein… 😉
Wir haben die Zeit während der Corona Beschränkungen auf jeden Fall genutzt und viel neue Musik gemacht. Mal schauen, was davon wann und wie veröffentlicht wird. 😉 Aber da kommt was.
Auch wenn das Jahr nicht so ganz nach Plan verlief, was nehmt ihr als eure schönste Erinnerung aus diesem Jahr mit?
Unterm Strich, wenn man ausblendet, was alles hätte sein können, haben wir tatsächlich viele schöne Momente erlebt. Von Livekonzerten, Backstage Crewmomenten über neue Songs bis hin zu Album Charts #4 war viel mit dabei. Der Höhepunkt war wahrscheinlich unsere Album VÖ in Hamburg im engsten Kreis. Das war eine sehr schöne, emotionale Achterbahn. Da war Corona kurz gar nicht mehr so wichtig 🙂
Besten Dank für das Interview!
Provinz kommen 2021 auch nach Nürnberg. Im Moment ist der Termin noch der 12. April im Z-Bau. Durch die aktuelle Lage kann der Termin natürlich auch noch verschoben werden. Aber kommen tun sie auf jeden Fall! Bis dahin solltet ihr das Album einfach auf Dauerschleife durchhören!
// Text: Tanja Heubisch / Bilder: Max Menning/Presse //