Interview mit A Tale Of Golden Keys – The Only Thing That´s Real
Auf neue Wege begeben sich die Nürnberger A Tale Of Golden Keys mit ihrem dritten Album, „The Only Thing That´s Real“, das am 30. Oktober über Listenrecords erscheint. Erstmals haben Hannes, Jonas und Flo alles komplett in Eigenregie aufgenommen. Wir haben mit ihnen im Vorfeld des Releases in gemütlicher Biergartenatmosphäre über den Entstehungsprozess des neuen Albums gesprochen.
Übrigens: Ein klassisches Releasekonzert zu „The Only Thing That´s Real“ wird’s zwar nicht geben, dafür aber ein ganzes Wochenende voller kleiner Akustikshows, einer Ausstellung und dem Plattenverkauf direkt mit den Jungs.
Erst einmal herzlichen Glückwünsch zum neuen Werk! Ihr habt das neue Album komplett in Eigenregie in eurem Haus im kleinen Eckersmühlen aufgenommen. Wie war die Erfahrung?
Hannes: Am Ende sehr schön und sehr befreiend. Es verändert vieles und hat den Druck raus genommen. Wenn man ins Studio geht, muss man in komprimierter Zeit etwas abliefern. An so einem Ort wie in Eckersmühlen, an dem man flexibel ist, kann man so lange rumprobieren wie man möchte. Das war extrem entspannend und ich glaube, das schlägt sich auch im Ergebnis nieder. Es ist alles etwas bunter, weil wir es nicht komprimiert in einer gewissen Zeit aufnehmen mussten.
Jonas: Man lernt sich dabei als Band und auch als Person neu kennen. In der Zeit der Aufnahmen haben wir verstanden, was wir meinen und von den Songs wollen und wie wir am besten miteinander umgehen. Sonst ist da immer ein Produzent, der alles regelt und auch mal zwischen uns vermittelt.
Hannes: In unserem Fall vermittelt der Produzent nicht nur, sondern sagt auch „Wir machen das jetzt so“. Und dann muss man sich natürlich ganz anders einigen, wenn keiner diese Rolle hat.
Der Unterschied zwischen den Vorgänger-Alben und dem aktuellen Album ist also, dass ihr keinen Produzenten eingebunden habt und keine Deadline hattet?
Jonas: Wir hatten schon eine Deadline, die haben wir aber gekonnt verschoben. Wir hatten Zeit und wir konnten so oft nach Eckersmühlen fahren, wie und wann wir wollten. Wir waren in diesem Jahr so oft in Eckersmühlen wie alle Jahre zusammen nie – das war schon besonders.
Hannes: Und eine Menge gelernt haben wir auch. Bei uns kannte sich erst niemand aus der Band so richtig mit dem Produzieren aus. Dann ich habe angefangen, mich damit zu beschäftigen. Jetzt haben wir alle neue Sachen gelernt und das ist sehr wertvoll.
Jonas: Vor allem Hannes hat neue Sachen gelernt, weil er derjenige war, der am Ende immer alles machen musste. Das bewundere ich sehr, weil ich glaube, dass ich das nicht könnte.
Hannes, was hast du alles gelernt?
Hannes: Die ganze Softwaresache, über die man sich im Studio normalerweise keine Gedanken machen muss. Da hockt dann wer und drückt die Knöpfe zur richtigen Zeit. Das zu lernen verändert den Entstehungsprozess von Songs, weil man selten zusammen zu dritt in einem Raum steht und spielt, wie das in einem Studio ist. Die Songs wachsen dadurch eher permanent und man ist freier.
Seid ihr dadurch aber auch auf eure technischen Grenzen gestoßen, wenn ihr es nicht so umsetzen konntet wie ihr es euch in euren Köpfen vorgestellt habt?
Hannes: Nein, man kommt noch eher dahin, wie es im Kopf klingt, weil man viel mehr rumprobiert. Ich saß oft noch nachts an dem Material, weil ich so eine Idee hatte, es aber nicht so richtig hinbekommen habe. Dann habe ich so lange daran rumgebastelt, bis es in die richtige Richtung ging. Das haben wir bisher bei Studioaufenthalten nicht gemacht.
Und jetzt Hand aufs Herz: Werdet ihr bei den kommenden Alben nun auch nur noch in Eigenregie aufnehmen?
Jonas: Erstmal werden wir sehr gute Demos aufnehmen und wenn uns die Demos reichen oder wir nicht weiterkommen, können wir vielleicht auch wieder jemanden hinzufügen, der uns weiterhilft. Aber Hilfe hatten wir dieses Mal ja eigentlich auch, muss man dazu sagen; Jan Kerscher (Anmerk.: Ghost City Recordings) war involviert und hat uns immer Tipps und seine Meinung zu den Songs abgegeben.
Hannes: Für die aktuelle Zeit war das ein sehr guter Arbeitsmodus, aber vielleicht haben wir für die kommende Zeit gar keinen Bock mehr darauf.
In eurem Pressetext steht, dass ihr euch von Konventionen und Vergangenheit befreit habt. Wovon genau musstet ihr euch denn frei machen?
Hannes: Mussten von gar nichts, aber wir haben uns von Konventionen im Sinne von „unserem“ Sound frei gemacht.
Jonas: Von Schienen, die man gerne gefahren ist, wobei wir auch niemals gerne bestimmte Schienen fahren wollten.
Hannes: Wenn wir vor zwei Jahren beim Songwriting scherzhaft rumgedudelt haben, haben wir zu 100% gesagt, dass wir sowas, was dabei rauskommt, doch nicht machen können. Solche Prozesse haben wir jetzt eher zugelassen.
Habt ihr für euch denn so einen klassischen ATOGK-Sound im Kopf, den ihr immer bedienen müsst?
Hannes: Nein, natürlich nicht. Aber irgendwie geht es dann ja doch immer in eine bestimmte Richtung. Beim letzten Album lag es vor allem auch daran, dass es in so krass komprimierter Zeit aufgenommen wurde. Da hat man dann sein Set-Up und seine Sounds, die funktionieren und die man in der Zeit saugeil findet. Dann geht aber alles in die eine Richtung. Und wenn etwas wie jetzt über einen Zeitraum von einem halben Jahr entsteht, passiert das weniger.
Jonas: Wir haben uns auch relativ frei gefühlt, was zusätzliche Instrumente angeht. Wir haben nicht immer direkt daran gedacht, wie es ist, das live umsetzen zu müssen, sondern haben einfach mal z.B. Bläser oder mehr Synthesizer mit drauf gesetzt – was jetzt auch zum Problem werden könnte, wenn wir das live umsetzen. Wir sind auch grad schon auf der Suche nach den richtigen Menschen dafür.
Auf dem Album hattet ihr ja schon Gäste. Eure erste Single ist ein Feature mit Elena Steri. Wie ist die Zusammenarbeit gelaufen?
Jonas: Ursprünglich haben wir die zweite Strophe vom Song Whirling selbst gesungen. Ich dachte mir, dass das eigentlich auch gut eine Frauenstimme singen kann, weil der Text auch aus einer weiblichen Perspektive erzählt wird. Bei den Überlegungen, wer den Part singen könnte, haben wir an Elena Steri gedacht. Die Stimme von Elena Steri passt für mich super zu diesem Stück.
Worum geht es in Whirling?
Hannes: Der Song basiert auf der Kurzgeschichte „The Yellow Wall Paper“. Es war in meiner Erinnerung eine der ersten feministischen Kurzgeschichten. Es geht um eine Frau mit einer postnatalen Depression und ihren Mann, der versucht, ihr Heilung zu geben. Er schickt sie auf eine Heilkur, auf der sie aber nur eingesperrt ist und dann völlig durchdreht und denkt, dass da eine Frau in der Tapete ist. Es hat ein offenes Ende und es ist nicht klar, ob sie dort Heilung erfährt oder nicht. Es war wohl das erste Mal, dass sowas aus der Sicht von einer Frau geschrieben wird. Unser Bassist Flo hat die Geschichte gelesen, dann einen Text daraus geschrieben und umgedreht, dass es nicht nur aus der weiblichen Perspektive erzählt wird, sondern aus beiden Perspektiven.
Manic war euer erstes Lebenszeichen – warum ist der Song nicht auf dem Album gelandet? Ich finde, der hätte auch gut rauf gepasst.
Hannes: Ich glaube, der Song war für uns irgendwann einfach durch, weil der so früh raus kam und dementsprechend so früh fertig war. Wir wollten zu Beginn des Jahres schon einmal eine Single rauszubringen, der Rest war aber noch nicht fertig und es war noch nicht so klar, in welche Richtung das ganze Album geht. Und dann hat es einfach nicht mehr so gepasst, weil sich die anderen Sachen für uns fresher angefühlt haben.
Ihr scheint immer sehr im Albumdenken verhaftet, schließlich läuft es in anderen Genres teilweise nur noch so, dass Single nach Single veröffentlicht wird und erst dann entschieden wird, ob sich ein Album überhaupt lohnt.
Hannes: Ja, ich höre z.B. auch keine Playlisten. Ich höre mir schon gerne ganze Alben an.
Jonas: Das Album wird für uns immer ein wichtiges Ding bleiben.
Hannes: Aus der Sicht von demjenigen, der Musik macht, ist es ein befriedigenderes Gefühl, so ein ganzes Werk zusammen zu haben anstatt nur viele Singles nacheinander.
Jonas: Ein schöner Teil des Prozesses ist ja auch, dass die ganzen Lieder zusammen kommen zu einem Ganzen. Da muss man auch nochmal ganz viel Kreativität reinstecken, damit es soweit kommt. Das würde mir auch fehlen, wenn ich nur Singles rausschießen würde.
Und irgendwann in diesem Prozess habt ihr euch für den Albumtitel „The Only Thing That’s Real“ entschieden. Warum dieser Titel?
Hannes: Die Frage ist ja, was ist „the only thing that`s real“?
Jonas: Über den Titel des Albums haben wir lange nachgedacht. Wir hatten einen eigenen Chatverlauf für Albumtitel. Das war ein langer Chat, ich würde ihn gerne veröffentlichen eines Tages, da sind gute Titel dabei! Die nächsten zehn Jahr brauchen wir wahrscheinlich keine Albumtitel mehr, die stehen da alle schon drinnen.
Auf dem Cover, das auch gut eine sehr abstrakte Fabel darstellen könnte, steht auch „The Only Thing That´s Real“. Was auf dem Cover ist die eine Sache, die real ist?
Hannes: Bei den letzten beiden Alben hatten wir klare Motivvorstellungen, das gab es jetzt gar nicht. Wir haben Yvonne Mosel, die auch schon unsere letzten Alben gestaltet hat, die Lieder geschickt und ein bisschen was dazu erklärt. Für sie ist the only thing that´s real etwas Familiäres und deswegen wollte sie gerne ein Familienporträt machen, das aber auch gar nicht real ist.
Ihr seid auf dem Cover abgebildet. Seid ihr als Band eine Familie?
Hannes: Vielleicht.
Jonas: Das ist auf jeden Fall meine längste Beziehung – neben meiner Familie.
Ein kleines Tierfaible kann bei euren Alben schon rauslesen – Dino, Taube aka. Shrimp, jetzt Axolotl, Schmetterling. Die Taube auf Shrimp war da noch sehr konkret. Jetzt ist es eher das Gegenteil. Ist das Cover so, wie das Album ist? Ist es nicht so homogen wie das letzte?
Jonas: Es ist bunter, würde ich sagen. Es passt schon gut zusammen. Shrimp ist eher tiefer und in eine Farbe: Farbe Blau. In Farben ausgedrückt ist „The Only Thing That´s Real“ schon bunt.
Gibt es für euch Songs, die eure Herzenssongs sind, aber kein klassisch „poppiger Hit“ auf dem Album?
Jonas: Der Song All Banks Are Dry. Vielleicht weil es der letzte Song ist, den wir fertig gemacht haben. Ich konnte lange nichts mit dem Song anfangen und irgendwann hat Hannes den Song nochmal ausgepackt und alles gelöscht und dann haben wir ihn zusammen fertig gemacht.
Hannes: Bei All Banks Are Dry waren wir uns einig, dass die Melodie schon irgendwie cool ist, alles drum herum uns aber nicht so abholt und dann habe ich einfach alles gelöscht außer der Melodie. Löschen ist echt saugeil, das kann ich nur empfehlen. Man neigt ja schon dazu, manchmal Sachen durch noch Mehr besser machen zu wollen. Manchmal funktioniert es vielleicht, oft aber nicht.
Für mich ist auch der Song Rainbow Melancholy ein weiterer Herzenssong, weil es eine ganz andere Stimmung hat und es in der Chronologie der erste Song war, bei dem wir z.B. Chöre ausprobiert haben.
In dem Song Hostility bin ich über eine Zeile gestolpert: „Music is hostile to me“. Das kriege ich nicht zusammen mit Musikern.
Hannes: Das wurde am Anfang des Lockdowns geschrieben. Da ist zum ersten Mal der ganze Scheiß mit der Flüchtlingssituation auf den griechischen Inseln medial wieder durchgekommen. In dem Zuge ist das zu sehen: dass das alles so scheiße ist, dass man da auch nicht noch schöne Musik hören will.
In welcher Situation kann man aus eurer Sicht am besten A Tale Of Golden Keys hören?
Hannes: Grundsätzlich ist es am besten, wenn man Livemusik hört. Und die Platte würde ich mir auf jeden Fall alleine anhören. Zu der letzten Platte (Shrimp) hat jemand zu mir gesagt, dass das eine total gute Platte zum Nebenbeihören ist, während man in der Küche etwas macht. Er hat es gut gemeint, aber bei dieser Platte würde ich nicht mehr so viel nebenbei machen.
Stichwort Livemusik: tatsächlich könnt ihr A Tale Of Golden Keys vom 29.-31. Oktober in der Kantine erleben – zwar nicht im klassischen Setting eines Releasekonzerts, aber dennoch mit kleinen Akustikshows, einer Ausstellung und Plattenverkauf.
Wir sagen: vielen Dank für das Interview und wünschen einen Happy Release Day!
// Text: Sarah Grodd //
// Bilder: Marri Ferrari; A Tale Of Golden Keys //