Nachbericht: Balthazar
Letzter Freitag: In der sogenannten Metropolregion Nürnberg hatte die sogenannte Band Balthazar ihren sogenannten ersten Auftritt. Die Räumlichkeiten waren allerdings nicht nur von Durschnittsbesuchern besetzt, sondern auch durch die erratische Anwesenheit von circa 20 Flüchtlingen gefüllt, welche vor Konzertbeginn mit Afri-Cola ausgerüstet wurden. Übrigens befand sich in jeder dieser Flaschen ein roter, jawohl, ein roter Strohhalm, wodurch eine Art Kennzeichnung entstand. Sozusagen eine Mischung durch Trennung!
Der Soundcheck wurde dabei mit der Musik von Washed Out untermalt, was eine leicht träumerische Atmosphäre bot.
Das Licht ging aus und kurz darauf hatte man das Gefühl, man wäre elektrisiert. Es handelte sich dabei aber nicht um die selbstbeschworene Euphorie des Publikums im Sinne von „Heureka, ich bin mir sicher, die Band ist jetzt auf der Bühne“. Stattdessen hatte man das Gefühl, als ob eine Zündschnur entfacht worden wäre, die nach kurzer Zeit eine epiphänomenale Explosionswelle im Raum verbreitete. Die energische Spielart übertrug sich sekundenschnell auf alle und niemand konnte länger seine statische Postion halten.
Nach ein paar Liedern wurde ein Song mit den folgenden Worten angekündigt: ‚,This song is about prostitution or god, you can choose’’. Es folgte allgemeines Schmunzeln, welches insbesondere dadurch verstärkt wurde, da der nächste Song ebenfalls mit diesen Worten angekündigt wurde. Gleichzeitig war es eine groteske Situation in Anbetracht der Flüchtlinge, welche automatisch in die Menge integriert wurden und nicht isoliert und zusammengehäuft in einer der Ecken standen.
Eine Person forderte durch laute Ausrufe das Lied ‚,Later’’. Jinte Deprez antwortete: ,,Alright, we’ll play it later’’. Kurze Zeit später fragte sein Bandkollege Maarten Devoldere: ,,I’ll guess it’s time for Later, who wants to hear this song?… Or should we play Fifteen Floors?’’. Der Jubel für das zweite Lied war größer und ambivalentes Gelächter und Mitleid brachen aus.
Nach dem 2012 erschienen Album ,,Rats’’, hat die Band eine Art antizyklischen Werdegang eingeschlagen. Das heißt, je ruhiger die Alben wurden, desto stürmischer wurden die Live-Auftritte. Stürmisch bedeutet in diesem Fall: deutlich besser als das Album. ,,Rats’’ und ,,Thin Walls’’ sind auf dem heimischen Kassettenrecorder sicherlich keine B-Seite, doch wer Balthazar live erlebt, dem entfällt jeglicher Zweifel.
Mankos? Wer die Band mit ,,Applause’’ früher schon live gesehen hatte, rechnete eventuell mit einem längeren Konzert – mit ihrem damaligen Debütalbum hatten sie einen circa sechs Lieder reicheren Auftritt. Doch dieser quantitative Aspekt reichte bei weitem nicht aus, um eine Entzauberung hervorzurufen. Q.E.D: Balthazar bietet magische Momente – ohne billige Taschenspielertricks.
// Text & Bilder Leo Zimmermann //