Konzertbericht: El Mago Masin „Rolle rückwärts“
Depressive Rauchmelder, posaunierende Gäste und ein herzhafter „Dildo“-Chor, der fränkische Beschaulichkeit durchtönt – wo El Mago Masin draufsteht, ist Skurrilität drin. Das erfuhren am vergangenen Samstag diejenigen Besucher der Kabarettbühne Nürnberg Krottenbach, die vom Spaßliedermacher mit Tintenfischperücke zuvor noch nie gehört hatten. Die andere Hälfte des überschaubaren Podiums hatte noch nie von dem hinter Reichelsdorf versteckten Ortsteil gehört, aber immerhin den Weg dorthin gefunden, „wo man digitalisiertes Gebiet verlassen hat“. Mit welchen Erwartungen auch immer man angereist war, am Ende herrschte Einigkeit: saugut war das.
Obgleich, nun ja – anders. Beginnend mit dem Umstand, dass in fränkischer Gasthausgemütlichkeit halt andere Zustände herrschen als in so einem Gutmann’s oder einem Quatsch Comedy Club, Dimensionen, die der 34-Jährige gewohnt ist, aber alles mit freudiger Fassung trägt. „30 Leute sind genug, das ist Kleinkunst“, rappt er am Ende. Oder am Anfang. Oder am – ja, was jetzt eigentlich? „Rolle rückwärts“ lautet der Titel des aktuellen Programms, mit dem Wolfgang Masin seit Beginn des Jahres durchs Land purzelt und dabei konzeptuelle Standards niedermäht. Rückwärts läuft nämlich der Abend ab, und da muss man sich erstmal reindenken, so als Gast, wenn El Mago zur Einstimmung die Vorstellung nachbespricht und aufhört, wenn’s am schönsten ist, den Saal zur Pause nach der erstenzweiten Hälfte rückwärtslaufend verlässt und als „Zugabe“ im Selbstgespräch Exerzitien auf der Posaune ankündigt, zu meditativen Zwecken. Und schon wird’s wieder rund: El Mago Masin ist die personifizierte Verwirrtheit, der den Lichtschalter nicht findet, ist ein Charmeur, der die erste Reihe liebt und zuweilen auch deren Getränk, ist ein Wortakrobat, der immer noch mal einen Kniff, einen Dreher, ein Überraschungsmoment in seine Lieder bringt. Und ist vor allem ein Improvisationsmeister, der in der spontanen Interaktion mit seinem Außenrum immer wieder sich selbst übertrifft. So werden polnische Hafermastgänse auf die Quadriga gepflanzt, auf der Ü70-Party Caipis aus der Schnabeltasse serviert, Traditionsbegräbnisse zu Spaßevents umfunktioniert, Vorschläge zur sinnvollen Beschäftigung von Salafisten gereicht, wird die Zukünftige nicht nach Charakter oder Frisur gewählt, sondern nach vorhandenem Baugrund, und eine Zimmermannskluft angeschafft, um gratis saufen zu können, „die ist zwar teuer, hat sich aber nach zwei Wochen amortisiert“. Das ortstypische Publikum zeigt sich verwirrt, meint der das jetzt ernst oder was, scheitert anfänglich imposant an simplen Mitsingparts, ist aber gegen Ende – oder Anfang – sicher in der Mago-Welt gelandet und schmettert beherzt das Schlüsselwort eines der Oldies durchs geöffnete Fenster über Ententeich und Hühnerstall: „Von Tupperware gibt’s jetzt einen Dildo!“ – „DIILDOOO!“ Und ob des Posaunespielens mächtig oder nicht: El Mago Masin führt noch jeden Gast rabiat-behutsam in neue Sphären. Im Zweifel halt mit Playback.
// Text: Katharina Wasmeier / Bild: Tomas Rodriguez //