Live / Musik

Nachbericht: Árstíðir

Es war noch hell draußen, als ich an diesem sechsten Mai das geliebte Stereo betrat. Die Vorband Platon Karataev hatte nämlich gebeten etwas mehr Spielzeit zu bekommen, um diesen Abend eröffnen zu können. Also ging es schon um halb acht los und die ungarischen Shoegazer lieferten richtig richtig gut ab. Ordentlicher Gitarrensound, mal englische, mal ungarische Texte, für einen Opener schon fast zu gut. Noch während des Konzerts gingen Empfehlungs-Whatsapps an Freunde, die dem gepflegten Shoegaze auch nicht abgeneigt sind.

Das war schon mal sehr gut. Aber was danach folgen sollte, war noch besser. Árstíðir kennt der ein oder andere noch von ihrem letzten Besuch im Club Stereo, oder auch nur in Teilen, denn fast alle Bandmitglieder sind entweder in anderen isländischen Projekten unterwegs oder haben, wie Ragnar Ólafsson, auch schon solo das Nürnberger Publikum verzaubert.

Diese Mischung aus warmen Stimmen und teilweise minimaler Instrumentalisierung erzeugt in einem das Gefühl, dass sich so Island anfühlen muss. Leicht melancholisch, verträumt, aber immer im Fluss.
Songs, die wie ein kleiner Bach vor sich hin mäandern, nur um sich dann in einen mächtigen Wasserfall zu ergießen.
Das warten auf den Geysir. Das wabernde Nordlicht.
Árstíðir schaffen es, ein ganzes Land musikalisch umzusetzen. Für mich als sehr großen Island-Fan natürlich ein Traum.

Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich an diesem Abend Gänsehaut hatte. Auch wenn man bei vielen Stücken kein Wort versteht – weil isländisch – so schaffen es die Stimmen alleine schon, dir einen wohligen Schauer über den Rücken zu jagen. Man steht in diesem Kellerclub und möchte gerade nirgendwo anders sein, denn hier wird man mit allen Gefühlen, die man gerade hat, abgeholt.

Zwischendrin noch reine a capella Nummern und zur Zugabe ein Stück im Publikum. Árstíðir zeigten an diesem Abend, dass sie nicht nur hervorragende Musiker und Sänger sind, sondern auch, dass sie den Kontakt zu ihrem Publikum brauchen und auch aktiv suchen. Denn Mitgröhlnummern sucht man hier vergebens. Wenn man den Blick durch den Raum schweifen ließ, blickte man in glückliche Gesichter, die nahezu andächtig dem lauschten, was ihnen hier geboten wurde. Ein ganzes Land als Musik.

Text und Bilder: Simon Strauß