Meinung

Auf ein paar Worte zur: Kulturpreisverleihung

Nürnberg hatte was zu feiern am Montag. Zum 14. Mal wurden in der Tafelhalle die Preise für „Kunst und Wissenschaft“, auch „Kulturpreise“ genannt, verliehen. Nach zweieinhalb Stunden Laudatio blieb ein gespaltener Eindruck.

Mit der Kultur und ihrer Förderung ist es ja so eine Sache. Die einen sind der Meinung, dass nur Kultur, die ohne Unterstützung nicht eigenständig überleben kann, förderungswürdig ist. Die anderen finden, dass Kulturförderung weder eine Frage von U- oder E-Kunst noch eine Rechtsform ist, sondern es alleinig darum gehen muss, eine vitale Kulturszene zu fördern. Grundvoraussetzung dafür ist ein vollständiger Überblick über die Kulturszene einer Stadt. Dass der vorhanden ist, darf hier in Nürnberg durchaus angezweifelt werden.

Seit 1952 gibt es den „großen“ Preis für Kunst und Wissenschaft in der Frankenmetropole, den unter anderem der Rockmusiker und Maler Kevin Coyne, der Schriftsteller Fitzgerald Kusz, die Puppentheatergruppe Thalias Kompagnons und Wolfgang Riedelbauch, u.a. Gründer des Dehnberger Hoftheaters, bekommen haben. Dieser „große“ Preis wird zweijährlich verliehen. Dazu gesellten sich im Laufe der Jahre so genannte „Förderungspreise“ und so genannte „Nürnberg Stipendien“, die bereits an Stereo Deluxe, Lizzy Aumeier, das Gostner Hoftheater, The Robocop Kraus, Wrongkong, Gymmick, den Straßenkreuzer, das Brückenfestival, die Pocket Opera Company oder die Galerie Bernsteinzimmer gingen. Klingt nach einem breiten Spektrum an Preisträgern, was aber nur bedingt zutrifft.

Der Abend in der proppenvollen Tafelhalle beginnt mit einer nicht schlecht gewählten Rede der Nürnberger Kulturreferentin Dr. Julia Lehner, in der sie die Vielseitigkeit der Kultur fokussiert und auch einem Wolf Biermann das Recht zugesteht, zu reden statt zu singen. Die Nürnberger Kultur müsse in all ihren Facetten unterstützt werden, unabhängig davon woher sie komme und was sie mache – „… durch kommunale Kulturpolitik Zukunft gestalten“, liest es sich ergänzend dazu auf ihrer Internetseite der CSU Stadtratsfraktion.

Es folgen die Auftritte der diesjährigen Preisträger. Die Londoner Tänzerin und Choreografin Susanna Curtis lebt seit 1993 in Nürnberg und kann ob eines fiesen Fußbruchs nur mithilfe von Krücken auftreten. Das macht sie aber gut und kommt auch im anschließenden Kurzinterview als sympathische Ex-Globetrotterin rüber, die in Nürnberg Fuß gefasst hat und der Tanzszene dieser Stadt mit ihrem Schaffen zu mehr Anerkennung verhelfen will. Viele ihrer Projekte wurden und werden bereits durch die Stadt unterstützt, vielleicht wären sie durch deren monetäres Zutun gar nicht möglich. Susanna Curtis erhält einen Förderpreis in Höhe von 5000 Euro.

Ebenfalls mit einem Förderpreis wird das 60-jährige Nürnberger Blues-Urgestein Klaus Brandl ausgezeichnet, der beim ihm zustehenden Kurzinterview für den einen oder anderen lauten Lacher beim Publikum sorgt. Stichwort „Förderpreis“. Aber, um es kurz zu machen: Dieser steht dem, sagen wir, fränkischen Tom Waits, der unter anderem einen verdächtig nach Jack Nickolson auf Dosenbier ausschauenden Saxofonisten mit dabei hatte, definitiv zu, bloß wäre die „Kategorie“ Lebenswerk hier schon die richtigere gewesen.

Das erste von insgesamt vier „Nürnberg Stipendien“ (2500 Euro) geht an die durch die Akademie der Bildenden Künste geschulte, 1964 geborene Künstlerin Stefanie Pöllot, deren internationale Referenzen sich in Grenzen halten, die aber national bereits einiges an Erfolgen vorweisen kann. Neben einer kurzen Werkschau gibt es einen Kurzfilm zu sehen, der, inspiriert durch den Ort des Geschehens (Tafelhalle), entstand. Ein Vorhang öffnet sich, es wird Ballett getanzt, man sieht die Kleidchen und die Beine, der Vorhang schließt sich.

Ein weiteres „Stipendium“ geht an die Künstlerin und Papierspezialistin Susanne Roth, deren Werkschau von ihrer Freundin und Kollegin Anne Sterzbach übernommen wird und das in ziemlich bieder. Eine Internetseite findet man auch nicht beim „Schnell-Google“, aber immerhin wird es wohl einige Ausstellungen mit Werken von Susanne Roth geben.

Das Nürnberger „Dufay-Ensemble“ hat zwar eine Internetseite, fühlt sich aber laut ihres Leiters Wolfgang Fulda eher schlecht aufgehoben in der Tafelhalle. Psalmvertonungen gehören in die Kirche, wie das Geld in das Portemonnaie. Die vier Auszüge aus dem Repertoire wirken entsprechend fehlplatziert und auch nicht so richtig sauber.

Fehlt noch der Hemdendienst, der Nürnberger Zwischennutz-Spitzenreiter, nach vielen Jahren und vielen Stationen inzwischen im alten Fundamt des Nürnberger Volksbades untergekommen. Hier treibt der Verein regelmäßig unregelmäßig seine Version von Kultur, mal gibt’s ’ne Band auf Hutsammlung, mal ’ne Portion DIY-Kunst, mal wird getrunken und gequatscht, mal irgendwas anderes gemacht. So ganz ehrlich: Dieses „Stipendium“ kann auch als Schlag ins Gesicht derer gewertet werden, die seit Jahren mit ihrer ernsthaften Kunst ums Überleben kämpfen. Da kommt dann die GoHo-Spaßtruppe in Kompaniestärke auf die Bühne, weiß eigentlich gar nicht so richtig wofür sie jetzt ’nen Preis bekommen hat, nimmt ihn aber und kann dabei keinem der Anwesenden erklären was sie jetzt mit diesem Kunst- und Kulturding zu schaffen hat. Nicht falsch verstehen, der Hemdendienst ist eine großartige Institution in dieser Stadt, er hat nur leider gar nichts mit der Förderung von Kultur, Kunst oder gar Wissenschaft zu tun, wofür ihm aber dieser Preis verliehen worden ist.

Die Hemdendienst-Crew sorgt im Anschluss an den offiziellen Teil jedenfalls für die offizielle Beschallung der Aftershow im Foyer der Tafelhalle und hat dafür neben Schallplatten auch einige Möbelstücke aus dem Volksbad in den Osten der Stadt verfrachtet.

Dann der – zu Recht – große Gewinner des Abends, Wolfgang Haffner, der im Moment sicherlich einzige fränkische Weltstar in seinem Metier. Der hat seinen „großen Kulturpreis“ so was von verdient und nimmt ihn sichtlich gerührt entgegen, aus Sympathie gegenüber Nürnberg und als einer, der gerade erst dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Lediglich die Lobrede von Roland Spiegel (BR) kann man hier kritisieren, popkulturelle Zusammenhänge werden warum auch immer in den Hintergrund gedrängt und mit unnötiger Jazz-Fachsimpelei aufgefahren, dass man das Gähnen fast nicht mehr unterdrücken kann. Da war die Eingangsrede von Frau Dr. Lehner schon eine ganz andere Liga.

Apropos Liga: Falls Nürnberg es irgendwann einmal schaffen will, mit seinem kulturelle Schaffen mehr zu sein als das was sich einem heute dargeboten hat, müssen dieser Preis und auch die Systematik, mit der Kultur hier unterstützt oder nicht unterstützt wird, gründlich überdacht werden. Denn dieser Abend und auch die Übersichtstabelle der vergangenen Jahre zeigen zu deutlich, dass es sicherlich schwer sein mag, zu entscheiden, wer solch einen Preis bekommt und warum. Andererseits fehlt hier offensichtlich auch ein gewisser Weitblick. Stichwort E- und U-Kultur-Konflikt, Stichwort Stipendium für Studierende statt für Frührentner (die dafür bei Bedarf gerne für ihr Lebenswerk ausgezeichnet werden können), Stichwort „warum macht ein Verein mehr und eine bessere Kultur als kein Verein“. Die Stimmberechtigung zur Festlegung der KulturpreisträgerInnen wird mehr oder weniger „vererbt“ und die, die eigentlich was ändern könnten, haben scheinbar Probleme, an den zehn Nürnberger Kulturgeboten zu kratzen und auch nicht den Mut, sich Leute ins Beratergremium zu holen, die einen zeitgemäßen Überblick über die Kultur dieser Stadt haben.

Da läuft zwar viel richtig, aber noch mehr falsch, und darunter zu leiden haben vor allem die Kunst und die Förderung, um die es hier gehen muss. Die Grenzen werden immer fließend sein, aber Gegebenheiten rechtzeitig zu erkennen, zu fördern und in eine zukunftsorientierte Kulturpolitik einfließen zu lassen, das machen andere dieser Tage besser als Nürnberg.

In diesem Sinne darf man gespannt sein, wer nächstes Jahr auf der Preisverleihungs-Bühne stehen darf.

/ guesswhoisbad /