Festivalbericht: 1 Tag Melt! Festival
Ein Tag Hipster-Schaulaufen. So in etwa das Kopfkino auf der Hinfahrt. Ein schöner und atmosphärischer Festivaltag. So in etwa das Kopfkino bei der Heimfahrt. Ein Altherren-Tagesausflug nach Gräfenhainichen in Worte gefasst.
Clever organisiert. Das fiel gleich auf. Und das hatte mehrere Gründe. Einer davon: Die letzten Kilometer der Anfahrt waren ein Schaulauf durch ostdeutsche Trostlosigkeit. Nicht so wie in Wacken, wo ein ganzes Dorf sich von einem Festival ein ganzes Jahr lang ernähren kann. Sondern wie gefühlte zweitausend Dörfer mit Wacken-Potenzial, die von der Existenz eines Festivals in ihrer Nähe gar nichts wissen. Das machte aber durchaus Atmosphäre, und es war so gar nicht vorstellbar, dass wir auf das blühende Festivalleben zufuhren.
Die sehr freundlichen, überwiegend einheimischen Dialekt der Güterklasse A sprechenden Parkplatz-Einweiser und Sicherheitsdienst-Angestellten gaben uns bei der Ankunft unterhalb des Festivalgeländes dann erneut doch oder erst recht das Gefühl, dass hier auch ein Hauch von Regionalität vorhanden ist. Auch die Busfahrer – zum eigentlichen Festivalgelände wurde man mittels Shuttlebus gebracht – waren ziemlich freundlich und ertrugen es, dass Teile der gut gelaunten Hipster-Gemeinde in ihrem Transportfahrzeug mal eben Schland-Chöre zum Besten gaben. Gefiel uns nicht. Wir Spießer.
Dann waren wir da und stolperten etwas planlos gen Hauptbühne, wo Haim gerade auftraten. Die drei US-Schwestern gaben sich mit Gitarren und Bass betont rockig und klangen hier und da eher nach Southern Rock als nach Glamour Pop. Das Publikum war begeistert.
Wir ließen die Blicke nach rechts und nach links schweifen und waren beeindruckt von den gigantischen, noch aus Zeiten des Braunkohletagebaus stammenden Baggern, die das Gelände säumten. Später, als es dunkel wurde, gab es da sogar noch etwas Feuershow oben auf den Baggern, was bei den Touristen-Hipstern zu überraschten „ahs“ und „ohs“ führte.
Auf der zweitgrößten Bühne des Melt! (Gemini Stage) „verprügelte“ der dank des Werbespots einer großen Mobilfunkfirma 2006 bekannt gewordene Jackson Fourgeaud alias Jackson and his Computer Band sein Publikum mit schlimmem Electrozeugs. Lieber gleich weiter, der Auftritt von Bilderbuch stand kurz bevor.
„Wir haben schon seit sieben oder acht Jahren vom Melt! Festival gehört. Da waren wir noch nie. Und jetzt stehen wir hier. Das geht uns ehrlich ans Herz.“. Derlei kantig-sympathische Ansagen von Sänger Maurice Ernst, dazu der zumindest optisch betrachtet verkappte Metalgitarrist Michale Krammer mit den Hüftschwüngen eines jungen Prince, der Indieposterboy Peter Horazdovsky am Bass und der unauffällig-prägnant groovende Schlagzeuger Philipp Scheibl – DAS sind Typen. Die konnten es sich leisten, ihren Überhit „Maschin“ gleich als dritte Nummer zu spielen. Das Publikum lag ihnen zu Füßen. Zu recht! Später im Jahr geht’s dann mit den Beatsteaks auf Tour, im Frühjahr 2015 folgt eine erste große Headliner Tour. Hat alles seine Gründe.
Ganz im Gegensatz dazu SBTRKT. Mastermind Aaron Jerome gab sich zwar viel Mühe, seine neuen, allesamt auf Soundcloud zum Anhören verfügbaren Songs mit den richtigen Worten einzuleiten. Nach der jeweilig entsprechenden Einleitung klang das dann aber eher nach James Blake Krautrock Remixen. Und der Gesang kam teils auch noch von Band. Naja.
Nebenan satter Minimal Techno von Erol Alkan. Machte eigentlich sogar Spaß.
Nebenan deeper Minimal House von Âme. Machte eigentlich sogar Spaß. Vor allem die Visuals.
Einmal im Kreis und wieder zurück. Röyksopp & Robin standen um Mitternacht auf der Hauptbühne und gaben einen Querschnitt ihres Schaffens zum Besten. So aus dem Publikum raus miterlebt, ziemlich schön und mit großer Liveband auch groß, vielleicht etwas überladen, rübergebracht. Am nächsten Tag beim erneuten Gucken in der Mediathek eines Festivalpartners überwog dann das Überladene.
Während die Massen zu Darkside im Intro Tent strömten, „strömten“ wir galant an ihnen vorbei zum Bus-Shuttle, der uns wieder zum Auto brachte. Wir waren alt genug, um das heimisch Bett dem Zeltplatz vorzuziehen. Besser: alt und spießig.
Leicht seltsam noch das Navigationsgerät, das uns – ganz im Gegensatz zur Hinfahrt – dieses Mal durch fiese ostdeutsche Waldwege gen Autobahn leitete. Da wurde einem schon leicht angst und bange. Dem Fuchs, der plötzlich unseren Weg kreuzte, sichtlich auch. Etwas später spielte die Stereoanlage beim Würstchenessen im Autobahnrasthof zuerst SOHN und dann „Song 2“ von Blur. Wir unterhielten uns angeregt über einen wirklich schönen Festivaltag auf einem eindrucksvollen Festivalgelände.
/ Text & Bilder: Jens Riedel, David Lodhi /
www.meltfestival.de
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