Live / REIN & RAUS

Gefragt: Klez.e

Donnerstagabend, das Wetter war stürmisch. Auf dem Weg zum Konzert von Klez.e im Club Stereo wurde ich von einem schweren Gewitter begleitet, aber das ist nicht schlimm. Ganz im Gegenteil, es stimmte einen sogar ganz gut auf das bevorstehende Konzert der DESINTEGRATION Tour ein. Nach einem gelungenen Konzert traf ich Bandgründer und Frontmann Tobias Siebert zum Interview.

HDIYL: Hallo Tobias, freut mich, dass es mit dem Interview klappt. Wie würdest du Eure Band Klez.e unseren Lesern kurz beschreiben?
Tobias: Es ist eine Musik und ein Text der sich abhebt von sehr viel anderer Musik und Text in diesem Land. Wir erzeugen eine Tiefe mit unserer Musik, die uns selbst sehr berührt und die wir von daher als sehr besonders erachten, weil sie erst dann fertig ist, wenn wir uns emotional sehr befriedigt fühlen. Es ist eine düstere Musik, weil es im Moment keine Hoffnung gibt.

HDIYL: Ist das auch der Grund, weshalb ihr so lange Jahre Pause gemacht habt?
Tobias: Wir hatten eine sehr schöne Zeit, wir hatten drei tolle Alben gemacht. Wir hatten eine sehr schöne Tour 2010, die wir sehr gefühlt haben, viel mehr als die Touren, die wir davor hatten. Wir haben dann noch zwei Theaterprojekte gemacht, einmal für das Maxim-Gorki-Theater in Berlin und für ein Theater in Tübingen, wo wir die Musik geschrieben haben und teilweise auch live performt haben. Und hatten dann das Gefühl, das erstmal eine Epoche erzählt ist, auch unsere Kritik die wir in den Texten hatten, die in den drei Alben auch immer wieder aufgeblüht ist, weil es uns einfach genervt hat, was so passiert, war erzählt.
2015 gab es mit der Bewältigung des Flüchtlingsstroms in mir das Gefühl darüber schreiben zu müssen und die Band die inzwischen von 5 Bandfreunden auf 3 einreduziert war, hatte das Bedürfnis zusammen Musik zu schreiben, die klanglich diese Texte noch mehr unterstützen.

HDIYL: Kannst du uns auch etwas über den Bandnamen verraten?
Tobias: Klez.e ist ein Computervirus und sollte als Name schon bekanntgeben, dass die Band einen eher kritischen Untertitel hat.

HDIYL: Ihr hattet bereits Alben, die waren allerdings von der musikalischen Ausrichtung ein bisschen anders, mehr Richtung Indie Rock / Indie Pop teils auch schon in die Wave Richtung, aber so düster wie jetzt war es noch nie. Weshalb der Stilrichtungswechsel?
Tobias: Ich denke, unsere Musik war schon immer mit einem düsteren Anstrich versehen. Da wir die Songs zusammen im Proberaum schreiben und damals 5 ganz verschiedene Geschmäcker aufeinander trafen, hatten wir auch immer irgendwie einen Kompromiss zu bewältigen, der sich am ehesten im „IndieRock“ fand.
Jetzt zu dritt sind wir sehr viel mehr an dem, was wir schon immer machen wollten und somit könnte Desintegration auch eine Art Debut Album sein.
Aber auch ein wichtiger Aspekt ist, dass wir das Gefühl haben, dass es Wellenbewegungen gibt, das heißt, dass zurück kommt was es schon mal gab. Dass, was wir vor 25- 30 Jahren mit der Wendezeit hatten (ich bin im Osten aufgewachsen), dass wir selber Flüchtlinge waren und das es damals schon brennende Asylantenheime gab, die Massen in Aufruhr kamen. Der Kapitalismus war praktisch nach dem Sozialismus für uns ein ganz neues System, erstmal sehr spannend und sehr glamourös, hat sich dann aber als sehr verlogen und materialistisch entpuppt, was uns sehr sehr deprimiert hat, weil wir natürlich mit einem sehr euphorischen Gefühl in diese Zeit gegangen sind und eigentlich ziemlich enttäuscht wurden. Und das wollen mir klanglich ausdrücken mit einem kalten kalten Sound.

HDIYL: Musikalisch wird das Album DESINTEGRATION mit Musik von The Cure verglichen, zu Recht?
Tobias: Es passt einfach, es muss einfach so sein, es gab gar keine andere Möglichkeit, als den Sound so zu wählen, wie wir es gemacht haben. Es ist auch von alleine passiert, irgendwie. Wir haben einfach die Effektgeräte aufgedreht bis zum Maximum, damit es sich bewegt und der Sound moduliert und so eine Kälte erzeugt. Natürlich ist uns aufgefallen, dass es nach The Cure klingt oder nach Siouxsie and the Banshees und all diesen Bands aus dieser Zeit, die gerade 1981 politisch unterwegs waren. Fehlfarben hatten auch diese Sounds und das passiert dann einfach, weil es einfach ein Sound dieser Zeit ist, der sich durch die aktuellen Geschehnisse für uns wieder zurückholt und deswegen müssen wir so klingen.

HDIYL: Wenn man sich ein bisschen über dich informiert, scheint es als ob du nur in der Musik lebst. Du bist ständig im Musikbusiness unterwegs, hast ganz viele Künstler produziert, wird man der Musik nicht überdrüssig, wenn man nur noch in dem Business unterwegs ist?
Tobias: Ja, das stimmt, ich lebe in der Musik, schön gesagt. Es wird nicht überdrüssig, weil es zwei verschiedene Gewichte sind. Das eine ist die Arbeit im Studio mit einer Band. Das heißt ich höre Musik, zum Beispiel unser Support vom heutigen Abend Box and the Twins. Ich höre das und es berührt mich sehr und deshalb habe ich Box and the Twins gefragt, ob sie Lust hat unsere Tour zu supporten. Ich will das jeden Abend hören, ich habe Lust dabei zu sein. Und das ist ungefähr das Gefühl, was ich habe, wenn ich eine Band ins Studio einlade. Ich will mit dieser Band zusammen sein, ich will mit ihr Zeit verbringen und ihnen helfen ihre Musik auf Band zu bringen und es so gut wie möglich abzubilden und es für mich immer wieder zu hören und dabei zu sein, das ist ein ganz anderes Gewicht, als dann loszufahren mit der eigenen Band Musik zu machen. Es ist wie ein Geben und Nehmen miteinander. Wenn ich von der Tour komme will ich wieder eine Band aufnehmen, wenn ich eine Band aufgenommen habe, will ich wieder auf Tour gehen. Das sind zwei sehr verschiedene Dinge, die aneinander zerren. Und somit hört das auch nie auf.

HDIYL: Letzten Endes ist es dennoch alles Musik. Hast du schon mal darüber nachgedacht, einmal etwas komplett Anderes zu machen?
Tobias: Ich habe letztes Jahr im Sommer überlegt, ob ich mal in einem Café bei mir um die Ecke anfrage, ob ich für zwei Monate Kaffee zapfen und verkaufen kann. Weil ich das Bedürfnis hatte, mal etwas ganz Anderes zu machen und um mich auch mit Leuten zu unterhalten die etwas ganz Anderes machen.
Wir sind meist in der Musikszene unterwegs und es wäre mal gut, um neue Inspiration aufzunehmen, in einer ganz anderen Szene zu sitzen, leider habe ich es dann doch wieder nicht geschafft, aber sowas kann ich mir natürlich vorstellen, aus meinem Bereich rauszugehen und keinem dort im Cafe davon zu erzählen, was ich eigentlich so treibe. Einmal jemand anderes zu sein, eine andere Rolle einzunehmen, aber leider habe ich sehr wenig Zeit für solche Dinge.

HDIYL: Das war jetzt euer fünftes Konzert der Tour, wie fandest Du es?
Tobias: Erst? Okay. Echt? Super!

HDIYL: Das Wetter hat heute super zu eurer Musik gepasst, es gab um 19 Uhr ein richtig heftiges Gewitter, das hat den Besucher eures Konzerts schon mal gut auf die düstere Musik eingestimmt.
Tobias: Wir haben die ganze Zeit schon Regen, der Regen verfolgt uns diese fünf Tage, kann man sagen und das ist natürlich super. Wir hören traurige Musik im Bus, wenn wir in die nächste Stadt fahren und es regnet die ganze Zeit. Es ist genau richtig, als müsste es so sein. Und es verstärkt das Gefühl, was wir sowieso haben!

HDIYL: Freust du dich auf ein Konzert der Tour besonders?
Tobias: Ich freu mich immer auf Hamburg, weil ich die Stadt sehr liebe. Wenn ich ganz ehrlich bin, ist es meine liebste Stadt. Ich bin in Berlin geboren und hab da immer gelebt. Hamburg ist meine heimliche große Liebe. Ich freu mich aber auch auf jede andere Stadt. Ich bin seit 25 Jahren mit verschiedenen Band unterwegs und ich kenn jede Stadt, ich kenne die guten Restaurants und weiß wo man guten Wein kaufen kann. Und ich treffe Leute in den Städten, die dort leben, die immer wieder kommen, deswegen kann man nicht sagen, dass es einen besonderen Moment gibt. Die Tour ist einfach der besondere Moment. Wir fahren los, es ist keine Arbeit, es ist eher Holiday, Leute treffen, eine schöne Zeit haben, intensive Momente haben.

HDIYL: Du bist großer Fan von Kaffee und Wein? Ist das dein Ding?
Tobias: Ja, auch Essen, alles was mit Genuss zu tun hat.

HDIYL: Kannst Du unseren Lesern einen guten Wein empfehlen?
Tobias: Ich würde euch das Weingut Arns empfehlen. (www.arnswein.de). Die machen alles per Hand, es gibt keine Chemie die dort eingesetzt wird, ein ökologischer handgemachter Weinbau. Und es gibt einen Riesling, den sie seit 2015 führen, der heißt „Golden Choir“ und den Wein würde ich sehr empfehlen mal zu kosten.
Der Wein war eine Idee des Winzers Alexander Arns und mir. Es ist quasi der Wein zu meinem anderen Projekt „And The Golden Choir“.

HDIYL: Allerletzte Frage: Gehen wir an der Bar einen Peffi trinken?
Tobias: Ja, machen wir!

HDIYL: Gut. Danke Tobias für das Interview.

Kommende Tourtermine:
17.03. Bremen Tivoli
18.03. Hamburg Molotow
19.03. Celle MS Loretta
20.03. Berlin Berghain Kantine **
* plus Box and the Twins
** plus Bayuk

www.klez-e.de
www.facebook.com/Klez.e

/ Text: André Prager / Bild: debing.de /