Gefragt: OK KID
OK KID – drei fesche Jungs aus Gießen, die in Köln wohnen. Über ihre „Grundlos“ EP habe ich einen meiner ersten Artikel für HDIYL geschrieben. Unsere Wege treffen sich immer wieder in Nürnberg und wenn die drei mit Sack und Pack schon mal da sind, bin ich nicht weit. Also kam ich wie Karla Kolumna mit Aufnahmegerät und Notizblock an, während die Jungs noch aus dem Nightliner plumpsten.
HDIYL: In eurer Pressemitteilung heißt es so schön, dass ihr den Hörer in neue Sound- und Gedankenwelten mitnehmt. Stellt sich mir die Frage, ob euer neues Album „Zwei“ ein Übergang zu den neuen Welten ist oder der Hörer schon da ist?
Jonas: Wenn wir wissen würden, wie sich das dritte Album anhören würde, wären wir jetzt schlauer. Wenn wir Musik machen, haben wir nicht den Blick von außen darauf, wie es andere sehen und können schlecht einschätzen, ob es der Übergang zu etwas Neuem ist. Bei der „Grundlos“ EP war uns klar, dass dies ein Abschluss ist. Beim neuen Album sind wir sehr unverkopft herangegangen und haben in kurzer Zeit 12 Songs geschrieben, die es auch alle aufs Album geschafft haben. Ich glaube, es gibt viele Referenzen zum ersten Album, auch zur EP mit „Kaffee Warm Part 3“ oder „Februar“. Mit diesen Anknüpfungspunkten nehmen wir die Leute mit in die neue Welt. Es sind aber auch Songs drauf wie „U -Bahnstation“, die hätten wir früher nicht so gemacht. Es ist bestimmt spannend zu sehen, wenn wir weitere Songs schreiben, an welchen Eckpfeilern wir uns orientieren. Das können wir aber noch nicht sagen.
HDIYL: Dann befindet ihr euch noch im Übergang und wir wissen nicht, ob ihr die Hörer auf dem dritten Album in eine neue Sound-und Gedankenwelt bringt. Der Satz ist einfach herrlich.
Euer Albumtitel ist auch sehr durchdacht! Simpel, obwohl mehr dahintersteckt. Kommt man im ersten Moment nicht drauf.
Jonas: Überall stand unkreativ, aber das war es gar nicht.
HDIYL: Ich finde die einfachen Titel sind manchmal die besten. Man kann viel hineininterpretieren, ob es am Ende stimmt, sei so mal dahingestellt. Ihr behandelt auf dem Album Themen: Zu- und Abneigung. Wird schon alleine auf dem Cover sichtbar. Warum habt ihr beide Themen auf ein Album gepackt und nicht separat auf zwei EPs zum Beispiel?
Moritz: Das hat sich so entwickelt. Wenn man schreibt, hat man in sich eine Zu- und Abneigung zu Themen. Es wäre schade, wenn wir nur ein Album über Zuneigung gemacht hätten, denn dann würden Songs wie „Bank“ fehlen. Es hat sich nach und nach herauskristallisiert, dass mehr unsere Haltung bei diesem Album eine Rolle spielt. Wir beschäftigen uns nicht mehr so viel mit uns selbst, sondern schauen mehr nach außen, entwickeln eine Haltung zu Dingen. Die ist entweder positiv oder negativ. Das Album „Zwei“ zu nennen, kam nicht nur daher, dass es das zweite ist, sondern eben auch unsere Haltung beschreibt. Das Cover zeigt es ganz gut. Es ist ein klares Konzept.
HDIYL: Stimmt, dass eine geht nicht ohne das andere.
Moritz: Wir überlegen uns ja nicht am Start der Songwriting Phase, wie wir es machen, sondern es kommt und entwickelt sich einfach.
HDIYL: Zur Vorbereitung habe ich mir natürlich auch andere Interviews angeschaut bzw. durchgelesen. Es kam wieder die Frage auf, ob ihr nun Hip Hop oder Pop macht. Ihr spielt ja selber auch mit beiden Genres. Würdet ihr einen klassischen Pop Song aufnehmen, um euch als die drei Pop Jungs vorzustellen? Vielleicht auch, um in den Mainstream zu kommen?
Jonas: Mainstream ist uns relativ egal. Das sucht man sich nicht aus, das wird man oder nicht. Am schlimmsten ist es doch, wenn man versucht Mainstream Pop zu machen und es klappt nicht. Denn wenn man Mainstream Pop Songs schreiben möchte, hat man wenigstens einen schlechten Song geschrieben und hat Geld am Ende. Aber wenn der Song schlecht ist und sich anbiedert, hat man ein wirklich Problem. Auf das Pop Ding bezogen – jedes unserer Lieder ist Pop. Jeder Song hat die Chance Pop sein zu können. Je nachdem wie du Pop definierst. Pop ist nichts anderes als populäre Musik, die gehört wird, die vom Songwriting so angelegt ist, dass sie durchaus zugänglich wird und ist. Das ist der Anspruch bei jedem Song, den wir schreiben. Auch bei den elektronisch geprägten Lieder, die nicht den klassischen Aufbau haben. Wir haben den Anspruch, das Lied so geil so machen, wie wir nur können. Dann ist es für mich auch Pop, weil der Anspruch da ist, geiles Songwriting zu machen.
HDIYL: Eure Musik ist ja populär, sonst wärt ihr nicht auf Platz 6 der deutschen Albumcharts. Herzlichen Glückwunsch dazu. War es ein Moment der Bestätigung? Nach dem Motto „Wir haben was richtig gemacht und es funktioniert“. Wie fühlt sich der Moment an? Habt ihr es selbst herausgefunden oder gab es einen Anruf vom Management?
Raffi: Zuerst kam ein Anruf von unserem Produzenten Sven Ludwig, der meinte wir wären auf der sieben. Er war aber falsch informiert, weil die offiziellen Zahlen erst zwei Stunden später kamen. Unser Label hat uns dann angerufen und uns das mitgeteilt. Es war schön, aber keine Bestätigung im Sinne von „endlich sind wir auf Platz 6.“
Jonas: Vielmehr endlich wird unsere Musik gut. (lacht)
HDIYL: Jetzt kommt das große Geld.
Raffi: Wir richten unsere Musik nicht daraus aus, aber es freut uns, dass wir in den Charts gelandet sind, ohne unsere Musik zu verbiegen.
HDIYL: Es hat ja nur Vorteile, weil so euch noch mehr Leute entdecken können.
Jonas: Man ist in den Plattenläden jetzt auch im Chartsregal.
HDIYL: Genau, nicht nur unter „O“ bei Pop oder Hip Hop, sondern bei den Charts auf der 6.
Jonas: Bei Schlager waren wir auch mal.
Moritz: Es gibt ja auch Leute, die nach Charts ihre Musik kaufen. Das ist ein schöner Nebeneffekt.
HDIYL: Mir gefallen eure Musikvideos sehr gut, weil sie eben nicht nur Musikvideos sind, sondern eher wie kleine Kurzfilme wirken und Geschichten erzählen. Was ist euer Ansporn oder Motivation, die zu drehen? Ich denke mal, dass ihr schon viel Zeit und Geld investiert und einfach ein großer Aufwand dahinter steckt. Besonders in einer Zeit, in der es kein Musikfernsehen mehr gibt und die Videos auf YouTube im Hintergrund laufen können.
Jonas: Die Frage könntest du auch weiterausführen und sagen, warum programmiert ihr nicht alles beim Album und nehmt so viel Zeit und Geld in die Hand, um die Instrumente aufzunehmen. Ist ähnlich wie mit den Videos. Wir wollen mit unseren Sachen, die wir machen, das geilste Endprodukt bekommen. Sei es das Cover, die Musik oder die Musikvideos. Der Anspruch ist mit dem Geld, was man hat, das Bestmögliche herauszuholen. Das machen wir mit unseren Freunden „No Drama“. „Gute Menschen“ ist das erste Video, das sie für uns gemacht haben. Wir haben ein paar Grundregeln, dass wir nicht klassisch als Band performen und wir wollen eine Geschichte erzählen. Es kann auch mal ohne gehen, aber das haben wir noch nicht gemacht. Die Geschichte muss in sich funktionieren. Es soll eine Weiterführung des Songs sein, die eigenständig funktioniert. Heißt, du hörst den Song und die Videogeschichte ist eine eigene. Die gibt es bei „Gute Menschen“ oder bei „Bombay Calling“. Bei „Ich kann alles“ gibt es fast keine Geschichte, außer, dass wir am Ende Hunde sind. Das ist die Pointe von dem Ganzen. Videos sind uns sehr wichtig! Es kommen auch viele Ideen von uns, die dann mit dem No Drama Jungs weiterentwickelt werden.
HDIYL: Ich finde das Thema super interessant und habe die Frage auch Sizarr gestellt, die ja zu „Baggage Man“ ein grandioses Video gedreht haben. Ich finde es schade, wenn solche Videos eben nur im Hintergrund laufen, aber es ist gut, wenn es noch Bands gibt, die sich die Mühe machen, eigenständige Geschichten und Ideen zu entwickeln für Musikvideos.
Mal ein anderes Thema: Ihr musstet aus eurem Studio ausziehen, weil das Gebäude verkauft wurde. Seid ihr so eine Band, die lieber ein eigenes Studio hat oder sich einmietet? Ist das Studio für euch ein wichtiger Rückzugsort, wo Ideen entstehen, die weiter ausgebaut werden können?
Moritz: Voll. Ich glaube zwar, das ist bei jedem von uns ein bisschen unterschiedlich. Doch einen Ort zu haben, an dem man sich kreativ austoben und abschotten kann, ist wichtig. So ein Studio bietet die technischen Vorrausetzungen, um relativ schnell eine gute Vorproduktion zu machen. Wir hatten früher unser eigenes, sind jetzt eingemietet und teilen uns die Räume mit anderen Musikern. Das ist auch absolut in Ordnung. Klar, so ein eigener Raum ist praktisch, es ist wie ein zweites Wohnzimmer. Wir sind aber nicht von Orten abhängig. Wir könnten auch in einem Nightlinerstudio Spaß haben.
HDIYL: So ein komplett eigenes Studio, zum Beispiel auf dem Land weit ab vom Schuss, wäre das eine Option?
Jonas: Irgendwann. Ist geil, so ein Hof zu haben mit mehreren Familien, die sich alle verstehen.
HDIYL: Im Studio probt ihr ja auch für die Live Auftritte. Versucht ihr das Album eins zu eins live zu spielen oder verändert ihr die Songs leicht, dass es extra Liveversionen von manchen Titel gibt?
Raffi: Nee, wir versuchen nicht das Album eins zu eins abzubilden. Wir machen uns Gedanken, wie wir eine gute Live Show mit Dynamik machen können, nicht dass ein Lied nach dem anderen kommt und dann ist es vorbei. Es soll eine Entwicklung geben. Das technische Besteck ist größer geworden und wir können live mehr machen. Zu Beispiel ist „Gute Menschen“ sehr elektronisch und das dann live abzubilden, ist nicht so einfach. Es soll nicht alles haargenau wie auf der Platte klingen. Das live darf man schon heraushören.
Moritz: Man orientiert sich schon stark an der Produktion, aber manches klappt live nicht. Wir nehmen uns die Freiheit heraus, es zu verändern. Es gibt so viele Bands, die ihr Album einfach live nachspielen und man kann nicht heraushören, was vom Band kommt und was nicht. Unsere Lieder erkennt man live schon, auch wenn manche Parts verändert sind.
HDIYL: Meine letzte Frage könnte euch vom Interview vor drei Jahren bekannt vorkommen. Was ist euer Lieblingslied oder Album momentan?
Raffi: Das neue Deftones Album ist gut und gleich der erste Titel ist der beste, wie ich gemerkt habe. Man muss sich anfangs erst mal hereinfinden. Wir sind lustigerweise einen Platz vor ihnen in den Charts. Haben uns mit ihnen abgesprochen, weil unsere Alben am selben Tag veröffentlich wurden.
Jonas: „OK KID is bigger than Deftones“ haben wir gesagt. Bei mir ist es K-Ci & JoJo mit „All My Life“. Guter Song. Ist ein alter Schnulzensong. Habe ich auf der Fahrt hierher gehört.
Moritz: Ich ziehe mir momentan das neue SBTRKT Album rein und bei Miike Snow versuche ich einen Zugang zu finden, weil ich großer Fan des ersten Albums war. Wir haben von unserem Lichtdesigner eine krasse 80er Playlist, die hören wir im Nightliner.
Vielen lieben Dank noch mal für das Interview!
Seit gestern kann ich sagen, dass ich OK KID schon viermal live gesehen habe. Hätte ich auch nicht gedacht, aber kurz nachgerechnet, stimmt es. Gestern zum zweiten Mal das komplette Set und diesmal war es größer, als vor zwei Jahren im Stereo und lichttechnisch haben die Jungs auch ne Schippe draufgelegt. Ach und die vorletzte Frage bestätigte sich dann beim Konzert. „Borderline“ zum Beispiel klingt nicht so wie auf der EP, sondern wird elektronischer angehaucht als KID OK Soundsystem gespielt. Klingt auch nicht schlecht, obwohl ich gestehen muss, dass mir die EP Version besser gefällt. Ich bin begeistert und möchte Simon und André das Wort nicht vorweg nehmen, die morgen ihren Konzertbericht veröffentlichen.
Ich kann es euch nur wärmstens empfehlen, wenn ihr es nicht eh schon gemacht habt, beschäftigt euch mal mit den drei. Das ist nicht nur eine Mädchenband bei der alle textsicher zu „Stadt ohne Meer“ mitsingen und das sage ich als Mädel, die textsicher mitsingt. Mit dem Wissen aus dem Interview, aber auch schon davor, merkt man, dass die drei sich viel Gedanken darüber machen, wie ihre Musik ankommt und wie das Gesamtbild aussehen muss. Es macht sie sympathisch, wenn sie so frisch aus dem Nightliner vor einem sitzen und man es ihnen nicht anmerkt, dass sie vielleicht nur wenig Schlaf hatten und trotzdem klar bei der Sache die Fragen beantworten. Mein obligatorisches Bild mit der Band darf natürlich nicht fehlen.
Konzert Nummer 5 und Interview Nummer 3 kommen bestimmt, spätesten wenn sich unsere Wege wieder in Nürnberg treffen…
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/ Text: Matilda Pfeil / Bild: Paul Gärtner /