Live / REIN & RAUS

Konzertbericht: Annenmaykantereit

Bier trinken und ein bisschen Tanzen

Fünf mal. Fünf mal habe ich jetzt Annenmaykantereit gesehen und es wird einfach nicht langweilig. Sei es im kleinen Kellerclub, auf der großen Festivalbühne, oder wie am vergangenen Sonntag im Löwensaal.

Ich muss zugeben, wir waren skeptisch, ist doch der Sound im Löwensaal häufig eher suboptimal. Was wäre denn ein Annenmaykantereit Konzert mit schlechtem Sound? Was wäre, wenn Hennings Stimme nicht so gut klingt wie sie ist?

Aber erst mal abwarten, vielleicht ist es ja diesmal besser.

Als endlich die Schlange am Einlass passiert war und die ersten Klänge der Vorband durch den Saal hallten schwante mir bereits übles. Der Sound war sehr schlecht abgemischt und die Ansagen des Sängers kaum verständlich. Lag es daran, dass Faber aus der Schweiz kommt und allgemein undeutlich spricht?
Definitiv nicht. Immerhin ist der Gesang bei seinem Folkpop mit deutlichen Gipsy-Einflüssen auf hochdeutsch.

Naja, erst mal ein Bierchen holen und ein Stoßgebet zum Schutzheiligen der Konzertgänger für besseren Sound schicken.

Dann, Umbaupause, das Gedränge vor der Bühne wird größer, immer mehr Mädels strömen in die letzten freien Quadratzentimeter um gleich den besten Blick auf die Jungs zu erhaschen und ein vernünftiges Video mit dem Handy drehen zu können. Zu dieser Unsitte sag ich mal nix, sind doch bereits von zahlreichen Künstlern eigentlich schon alle nötigen Kommentare dazu abgegeben worden.

Die Hintergrundmusik geht aus, 4 Jungs betreten die Bühne, einer greift sich das Mikro, er singt die ersten Takte, ich hab schon wieder Gänsehaut und André auch.

Diese Stimme. Diese verdammte Stimme! Wie schafft es ein Kerl mit Anfang 20 und dem Aussehen eines Milchbubis eine Stimme zu haben, als habe er sein komplettes Leben mit Tom Waits um die Wette geraucht und gesoffen? Jeder Song wird vom Publikum frenetisch gefeiert und jede Textzeile sitzt. Egal ob es die englischsprachigen Songs aus dem ausverkauften alten Album, oder Songs aus der neuesten Scheibe sind. Von James bis Pocahontas wird gesungen und getanzt. Die Stimmung kocht. Der Schweiß tropft. Scheißegal! Heute wird gefeiert!

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Doch etwas ist anders als bei den vier Konzerten zuvor, es riecht, und zwar ziemlich penetrant nach verbrannter Pizza, welche gleich hinter der feiernden Masse dargeboten wird. Der Geruch geht ungewollt auch noch eine Symbiose mit Hennings Shirt ein, „Pizzaria Il Futuro“ steht dort. Solltet ihr also zufällig mal in Köln Pizza bestellen, dann dort. Laut Google ist die Pizza wirklich gut und vielleicht liefert Herr May als Ausgleich zu den stressigen Konzerten nebenbei noch Pizza aus.

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Als dann zum Abschluss noch „Barfuß am Klavier“ und „21, 22, 23“ intoniert werden, hätte Henning May auch gar nicht singen müssen, das übernahm das Publikum in ohrenbetäubender Lautstärke.

Was bleibt als Fazit?
Annenmaykantereit sind innerhalb von gut 2 Jahren von schüchternen Straßenmusikern, die leicht verpeilt auf der Bühne in Kellerclubs stehen, zu einer der aktuell bekanntesten deutschen Bands gewachsen, spielen mittlerweile auch vor größerem Publikum routiniert und sind noch lange nicht an ihrem Zenit angelangt. Immer höher immer weiter Jungs, ihr habt‘s euch verdient. Passt nur bitte auf nicht abzuheben.

annenmaykantereit.com
www.facebook.com/AnnenMayKantereit

/ Text: Simon Strauss /Bilder: André Prager