Nachbericht: Weinturm Open Air
Woodstock war gestern!
Heute ist Weinturm.
In der mittlerweile 39. Auflage schafft es dieses kleine Festival immer noch die Leute zu begeistern.
Dies konnte man in diesem Jahr auch daran erkennen, dass es bereits im Vorfeld ausverkauft war, obwohl anders als im letzten Jahr, kein großer Mainstream-Act angekündigt war.
Das diesjährige Line-Up bestand aber keinesfalls aus No-Names, sondern eben aus Künstlern, die entweder in ihrem jeweiligen Heimatland absolute Stars sind, oder eben drauf und dran sind, das nächste große Ding zu werden.
Stilistisch war wieder einmal alles geboten, seien es psychedelische Progrock Klangteppiche von „My Baby“ oder „DeWolff“, die Musik der Tuareg mit „Bombino“, Gipsy-Folk von „The Angelcy“, Indie-Rock von den Südafrikanern „Desmond and the Tutus“, oder wunderschöner Indie-Pop von „Lola Marsh“. Das Weinturm ist hier wie ein gut sortiertes Weinregal, es bietet etwas für jeden Geschmack.
Aber wie in einem Weinregal gibt es auch kleine Wermutstropfen. Sauer aufstoßen wird den Veranstaltern bestimmt, dass der Auftritt der kolumbianischen Kombo „Systema Solar“ auf Grund von Lärmbeschwerden beendet werden musste. Es wurde zwar gerade einmal um eine halbe Stunde überzogen, aber scheinbar wurden die Träume der neureichen Bewohner des benachbarten Baugebiets „Dreamland“ nachhaltig gestört. Meiner Meinung nach hat die Stadt Bad Windsheim mit der Ausweisung dieses – auf die High Society ausgelegten – Baugebiets, welches direkt unterhalb des Weinturm Plateaus liegt, zwar ein paar Euros mehr in der Kasse, aber dafür eine seit fast 40 Jahren bestehende Institution bereits spürbar geschädigt.
Kommen wir lieber wieder zurück zum eigentlich Wichtigen, der Musik.
Der Freitag war ein wildes Potpourri aus unterschiedlichsten musikalischen Einflüssen. „Bukahara“ ließen das Publikum zu einem verrückten Mix aus Swing, Folk, Reggae und Arabic–Balkan Sounds ausgelassen tanzen, bevor sie von „Bombino“, dem „Hendrix vom Niger“ wieder runtergeholt wurden. „St. Paul & the Broken Bones“ brachten mit ihrem wunderschönen Retro Soul Erinnerungen an Aretha Franklin und den Blues Brothers Soundtrack zurück und auch die Tanzlust stieg wieder, bevor sie bei Systema Solar komplett in Extase überging, die dann leider ohne die gewünschte Zugabe enden musste.
Am Samstag sorgte das geänderte LineUp zumindest bei uns für etwas Verwirrung, denn „My Baby“ waren hier noch reingerutscht und verschoben alles etwas nach vorne oder hinten. Machte aber nichts, wir hatten für uns sowieso erst den Auftritt der israelischen Folkband „The Angelcy“ eingeplant und hier wurden wir nicht enttäuscht. Wunderbarer Folk mit Gipsy und Klezmer Einflüssen, getragen von häufig mehrstimmigem Gesang. Sehr sehr schön und unglaublich tanzbar. Als danach jedoch „Desmond and the Tutus“ die Bühne stürmten, war es mit der Harmonie vorbei. Die Südafrikaner feuerten bei ihrem ersten Deutschland-Konzert aus allen Rohren und überzeugten mit Indie-Rock, originellen Tanzeinlagen und Verrenkungen die man sonst nur im Zirkus sieht. Leider hatten sie keine CDs dabei, sonst wäre meine Musiksammlung direkt erweitert worden. Auf Grund mangelnder persönlicher Fitness wurde der Samstag leider etwas früher beendet, weshalb wir nicht mehr miterleben konnten, wie die Brass-Kombo „Meute“ nach ihrem Auftritt noch blechblasend über den Zeltplatz zog. Schade!
Was soll aus Jungs werden, die sich bei einer Uni-Besetzung anfreunden? Wenn es nach „Strabande“ geht, eine großartige Singer-Songwriter Kombo. Die beiden Jungs, die mittlerweile von einer Cellistin unterstützt werden, haben sich nämlich tatsächlich in Würzburg bei der Uni-Besetzung kennengelernt und machen seitdem zusammen Musik. Intelligente und witzige Texte, gepaart mit handwerklich einfach gut gemachter Musik. Was für ein toller Beginn für unseren Festival-Sonntag. Nach Strabande weg von der Kleinturmbühne, hin zur Hauptbühne, DeWolff standen in den Startlöchern und trieben mit ihrem 70s Progrock junge und junggebliebene zu tänzerischen Höchstleistungen. Erinnerungen an Wolfmother oder die Black Keys werden wach, wenn die drei Niederländer Hammondorgel, Gitarre und Schlagzeug bearbeiten. Für völlig andere Klänge sorgten hingegen „Chico Trujillo“ aus Chile. Hier sorgte eine Mischung aus gefühlt allen lateinamerikanischen Musikrichtungen für Schweißausbrüche und zuckende Gliedmaßen.
Dann der Blick auf die Uhr: Kann es sein, dass wirklich nur noch eine Band kommt? Ist das Weinturm wirklich schon zu Ende? Das muss aber dann eine verdammt gute Band sein! Oh ja, das war sie! „Lola Marsh“ hatten mit den ersten Tönen schon das Publikum im Griff und pushte es am späten Abend noch einmal zu Höchstleistungen. Die Sängerin Yael Shoshana Cohen sieht aus wie Penelope Cruz, hat aber die wunderbar rauchige Stimme von Lana del Rey. Traumhaft schön und bereits jetzt ein Pflichttermin, wenn sie Ende September ins E-Werk Erlangen kommen.
Und dann war’s soweit. Das 39. Weinturm Open Air war vorbei. Eines der schönsten Wochenenden des Jahres nur noch bloße Erinnerung. Was bleibt? Wieder einmal musikalische Neuentdeckungen, die wir bald in den Radiosendern des Landes hören werden, ein leichter Tanzmuskelkater und jede Menge Vorfreude auf das nächstjährige Jubiläumsfestival.
Ein großes Lob gebührt allen freiwilligen Helfern, die dieses Festival so einzigartig machen und in diesem Jahr auch dem Sicherheitspersonal, welches die erweiterten Kontrollen freundlich und rücksichtsvoll gestaltete.
Danke Weinturm. Never Change!
/ Text & Bilder: Simon Strauß & Kathrin Ulrich /