schubsen – Stühle rücken in Formationen
schubsen. Ein Akt der Auflehnung, des in Bewegung Kommens. Ein Akt, der Blessuren hinterlässt. schubsen. Eine stürmische Vierer-Combo mit Haftpflichtversicherung, bestehend aus den Bandmitgliedern Friedo, Habery, Tornado und Krupski.
Am 1. März erscheint das zweite Album „Stühle rücken in Formationen“ der Nürnberger Post-Punker. Pünktlich zum Release und leicht biergetränkt haben wir mit Sänger Krupski über den Entstehungsprozess des Albums, die textlichen Inspirationen und die Gefahren großer Bühnen philosophiert.
HDIYL: Als Schreibkopf hinter schubsen ist Literatur ein wichtiger Bestandteil für dich persönlich und für die Band. Wie verläuft euer Aufnahmeprozess im Allgemeinen?
Krupski: Der Entstehungsprozess bei der zweiten Platte hat sich im Vergleich zur ersten verändert. Wie auch schon bei der ersten Platte ist Friedo, unser Gitarrist und Kreativkopf der Band, mit einer Grundidee im Proberaum angekommen. Dann spielen Habery am Bass und Tornado am Schlagzeug ein bisschen rum und wir überlegen, in welche Richtung wir wollen. Erst danach entstehen die Texte. Mein Instrument ist nur die Stimme, aber ich bin in dem musikalischen Prozess auch immer dabei. Das entsteht alles miteinander.
Bei der zweiten Platte hat Friedo aber noch mehr vorbereitet, weil wir in einem engen Zeitkorsett arbeiten müssen und sehr eingebunden sind. Wir proben regelmäßig, aber bei uns muss relativ viel schnell geklärt werden – wir müssen auf Knopfdruck kreativ sein. Wir sind sehr anspruchsvoll, deswegen hat die Platte auch so lange gedauert. Es sind keine zehn oder elf Songs geworden, weil uns das egal ist. Es bestand eine Dringlichkeit von den Inhalten her und wir wollten die acht Songs einfach raus bringen.
HDIYL: Ihr habt einen hohen Anspruch an euch selbst?
Krupski: Definitiv. Wir wollen nicht berühmt werden, aber wir wollen gute Songs schreiben, mitreißende Konzerte spielen, Musik machen, die den Leuten was bedeutet und die was zu sagen hat.
HDIYL: Hat dieser hohe Anspruch etwas mit euren Erfolgen und Erfahrungen eurer Vorgängerprojekte zu tun?
Krupski: Jeder hat seine Erfahrungen gesammelt. Unser Schlagzeuger Tornado war früher bei Robocop Kraus, die DIE Nürnberger Indieband war und Touren in England, USA und Japan gespielt hat. Unser Gitarrist Friedo hat schon in vielen Bands gespielt, wie z.B. For Arkadia oder One Ironaut. Habery hat früher bei The Klondike Derby und bei Wings of Love gespielt und ich war bei Reflekta Reflekta. schubsen war eigentlich ein Gag-Projekt, weil wir noch einmal so eine kleine Allstar-Band zusammenstellen wollten. Das hat sich ergeben, als ich mit Reflekta Reflekta und Habery und Tornado mit Wings of Love zusammen auf Tour war. Wir haben fünf, sechs Konzerte miteinander gespielt. Ich habe 2013 in Heidelberg vor Wings of Love eine Lesung gehalten und da ist die Idee entstanden, eine 7 Inch zu produzieren: auf der einen Seite zwei Wings of Love-Songs und auf der anderen Seite zwei Texte von Krupski. Die EP ist nie entstanden, aber das war die Geburtsstunde von schubsen. Dann brauchten wir noch einen Gitarristen und so kam Friedo dazu. Es hätte niemand gedacht, dass das mal so etwas wird. Wir sind nicht groß, aber wir haben schon verdammt coole Sachen erlebt – wir spielen demnächst unsere vierte/fünfte Show mit Turbostaat, waren mittlerweile in ganz Deutschland, in Österreich und der Schweiz unterwegs und bringen jetzt die zweite Platte raus, das ist cool!
HDIYL: Etwa zweieinhalb Jahre liegen zwischen eurem ersten Album „Neue Blessuren“ und der neuen Scheibe. So eine Albumproduktion ist ein langwieriges Projekt. Wenn man so lange auf diesen einen Release-Zeitpunkt hin arbeitet, kommt nach dem Erreichen nicht ein tiefes Loch? Bei euch ist es jetzt soweit, wie fühlt sich das an?
Krupski: Für mich ist das Album schon so alt. Wir haben den Song „Vorzeichen“ schon 2017 gespielt. Das gewinnt aber alles nochmal an Qualität, wenn man Entscheidungen treffen muss, z.B. in welcher Reihenfolge die Songs auf die Platte kommen. Im Herbst haben wir mit den ersten Leuten gesprochen – wer soll das Artwork, Booklet, Poster, Shirts etc. machen? Nach diesem ganzen Prozess kommt das Touren. Es ist fantastisch, das Album endlich in der Hand zu halten und ich freue mich wahnsinnig, dass wir nächste Woche auf Tour gehen.
HDIYL: Gab es während des Prozesses auch Streitigkeiten innerhalb der Band?
Krupski: Es sind keine Streits, es sind Diskussionen. In einer Band zu spielen ist wie mit drei Menschen gleichzeitig eine Beziehung zu führen. In einer guten Beziehung wird viel diskutiert und in einer guten Band wird eben auch viel diskutiert. Wir kennen uns schon sehr lange und haben eine starke Bindung zueinander. Aber wir sind mittlerweile alle sehr eingebunden und das macht es komplizierter, am Anfang war alles etwas einfacher.
HDIYL: Eure Songtexte bilden ein eher düsteres Gesellschaftsbild ab. Woraus speisen sich deine Textinspirationen?
Krupski: Die Texte entstehen durch relevante Themen innerhalb der Band und der Gesellschaft. Bei der ersten Platte hat mir unser Schlagzeuger Tornado von dem israelischen Friedensaktivisten Abie Nathan erzählt. Der ist durchs Mittelmeer geschippert und hat mit seiner Radiostation Geld für Friedensprojekte in Israel und Palästina gesammelt. Über den haben wir dann den Song „Abie“ geschrieben. So entstand das auch mit den Songs auf dem neuen Album. Diesmal habe ich aber alle Songs extra für die Band geschrieben. Beim ersten Album habe ich drei Gedichte aus meinem Gedichtband „Bitterhonig & Der Klang des Taumelns“ mit Bird Berlin vertont.
HDIYL: Die Songtexte sind teilweise sehr kryptisch, abstrakt und nicht direkt. Schreibst du bewusst so unscharf und indirekt?
Krupski: Es kommt tatsächlich einfach raus. Ich zerarbeite Texte nicht. Der Text liegt nicht ewig bei mir rum. Es sind ausschlaggebende Ereignisse, ob im Freundes- und Familienkreis, in der Politik und Gesellschaft oder eine Stimmung, die mich anregt, etwas zu beschreiben. Ich möchte die Texte offen lassen und eben nicht erklären. Die Leute sollen sich entweder ihre eigenen Gedanken machen oder es lassen. Wir wollen die Musik und die Texte sprechen lassen. Ich möchte, dass, wenn man gut gelaunt ist, was anderes drin liest als wenn man schlecht gelaunt ist. Oder wie bei „Flucht“ – dass man es da aus einer persönlichen Perspektive mit Orientierungslosigkeit und Alltagsflucht sehen kann, aber natürlich auch mit der Misere der Flüchtlingspolitik.
Es passt nicht zu mir und auch nicht zur Band, Parolen zu klopfen. Irgendjemand hat mal gesagt, wir machen lyrischen Post-Punk. Ich finde es schöner, Wortmalerei zu betreiben als schnell auf den Punkt zu kommen. Klar, die neue Platte ist direkter, es ist ein bisschen offensichtlicher, um was es geht. Es hat aber definitiv auch mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen zu tun. Die erste Platte, wie der Name „Neue Blessuren“ schon sagt, hat eher was mit den persönlichen Blessuren von Menschen zu tun, die in der Gesellschaft anecken. Das neue Album „Stühle rücken in Formationen“ hat eher eine gesellschaftliche Ebene – die Stühle in der ersten Reihe bleiben besetzt und um die in der zweiten Reihe wird mehr gekämpft. Und wer sagt überhaupt, wie viele Stühle es in der Gesellschaft zu verteilen gibt? Es ist viel gesellschaftlicher und politischer geworden als „Neue Blessuren“.
„Ein lausiger Satz missverstanden, die Returntaste ramponiert.
Wenn die Kommas bitter strahlen, sind die Fake News längst nummeriert“
(Im Netz)
HDIYL: Dieser Textpassus in eurem Song „Im Netz“ gefällt mir besonders gut. Ich muss sofort an Trump denken, wie er mit nur einem falschen Tweet den nächsten Krieg auslösen könnte. Habe ich ins Schwarze getroffen?
Krupski: Jein, ich habe nicht direkt nur an Trump gedacht. Es gibt auch viele andere Fake News, die die politische Landschaft beeinflussen. Aber der Song dreht sich natürlich schon um die Macht der Digitalisierung, das Zwischenmenschliche oder wie man übers Internet miteinander kommuniziert und dass dabei vielleicht auch eine gewisse Sprache verloren geht.
HDIYL: Hat der Song auch etwas mit eurem Albumcover zu? Dort sieht man ein kleines Haus, aus dessen Fenstern scheinbar das blaue Flimmern von Fernsehern und Bildschirmen erstrahlt.
Krupski: Genau richtig! Das hat Thomas Bergner fotografiert, Dozent an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg.
HDIYL: Ihr seid die dritte Band, die über das Label mono-Ton Records veröffentlicht. mono-Ton Records ist ja eher so ein Liebhaberding neben dem eigentlichen Plattenladen – aus meiner Sicht ist das daher eine große Ehre! Wie kam es dazu und wie fühlt ihr euch damit?
Krupski: Wir finden großartig, dass Tobi und das gesamte Team vom mono-Ton uns unterstützen. Wir sind alle Musikliebhaber, die seit Jahren dort Platten kaufen, das ist unser Plattendealer! Den Grundstein hat damals eine Livesendung vom Zündfunk im mono-Ton gelegt, in der wir ein paar Songs dort live gespielt haben. Seitdem hat uns Tobi immer mehr oder weniger begleitet. Wir hatten auch Gespräche mit anderen, überregionalen Labels, aber wir mögen es schon sehr, die Leute zu kennen, mit denen wir zusammen arbeiten.
HDIYL: Viele Bands haben mir erzählt, dass man mit einem Label im Rücken sofort professioneller und ernsthafter von Veranstaltern wahrgenommen wird – ist das aus eurer Erfahrung auch so?
Krupski: Wenn es ein Label wie Audiolith oder Grand Hotel van Cleef ist, dann ist das natürlich schon ein Name. Aber es gibt mittlerweile so viele kleine Labels, dass es nicht mehr die Relevanz besitzt. Das Wichtigste ist eigentlich die Booking-Agentur. Wir haben keine, weil wir es in unserer Hand belassen wollen. Aber natürlich ist es uns dadurch verwehrt, gewisse Clubs und Festivals zu bespielen. Die Festivals bedienen sich von den Booking-Agenturen und nicht von DIY-Bands. Auch wenn wir mono-Ton Records im Rücken haben, sind wir eine DIY-Band. mono-Ton Records ist ein Liebhaberkind von Tobi und seinem Team, aber es ist immer noch ein Plattenladen und kein professionell arbeitendes Label.
HDIYL: Wollt ihr denn auf großen Festivals spielen, an die man nur über solche Booking-Agenturen rankommt?
Krupski: Wir wollen auf Festivals spielen – ob die groß sind oder nicht, ist uns eigentlich rille. Aber auf einer großen Bühne breche ich mir wahrscheinlich was. Ich springe bei Konzerten gerne mal von Bühnen runter und wenn die zu groß sind, wäre es für mich ein bisschen schwierig, da wieder hoch zu kommen ohne mir irgendwas zu brechen. Deswegen bleibe ich lieber auf der kleinen Bühne.
HDIYL: Wie viele Verletzungen musstest du schon während eurer Konzerte erleiden?
Krupski: Da gab´s schon einige. Es gab auch gewisses Material, was kaputt gegangen ist. Ich habe schon ein paar Mal den Satz gesagt „Hallo, wir sind schubsen. Wir sind haftpflichtversichert.“ und es hat sich schon so in die Bandgeschichte und in Ansagen eingefügt. Mittlerweile hat es das sogar in die Credits vom Album geschafft!
HDIYL: Ist das Touren eher Urlaub oder harte Arbeit für euch?
Krupski: Urlaub ist es eigentlich nicht, es ist unfassbar anstrengend. Aber Touren ist das Beste, was es gibt. Vor allem, wenn man super weit weg vom Wohnort ist und keinen kennt.
HDIYL: Weil man sich dann wie Sau benehmen kann?
Krupski: Nee, weil man das Gefühl hat, dass die Leute das einfach gut finden, was man macht – oder eben nicht.
HDIYL: Ist das Publikum weit weg denn anders als das Publikum der eigenen Home-Base?
Krupski: Für mich ist es immer anstrengend, Home-Shows zu spielen. Ich bin wahnsinnig aufgeregt, weil es ganz viele Leute im Publikum gibt, die ich kenne.
HDIYL: Hast du gewisse Taktiken oder Rituale vor Shows, um dagegen anzugehen?
Krupski: Ich schreie viel und bin viel in Bewegung während eines Konzertes. Für mich ist es wahnsinnig wichtig, mich mit Dehn- und Singübungen warm zu machen. Ich muss mich auch in eine gewisse Stimmung bringen. Ich bin vor den Shows sehr isoliert. Ich stehe nicht rum und unterhalte mich an der Bar mit Leuten, sondern bin irgendwo versteckt im Backstage oder draußen und habe nur mein direktes Umfeld um mich, also meine Bandmitglieder.
Ich bin ganz nah am Publikum dran und ich muss mich konzentrieren und brauche kurz diese Isolation und Leere und das Sprudelnde in mir. Am Anfang eines Konzertes gehe ich durchs Publikum. Ich schaue die Leute an und bin in einem Acting drin, um mich einzugrooven. Beim Soundcheck setze ich mich mit der Bühne auseinander: wie hoch ist die Bühne? Wo kann ich hochklettern? Wo nicht? Wo sind Gefahrenpotenziale? Aber meistens missachte ich das und dann sprudelt es eher aus mir raus. Ich habe auch schon mal das Mikro durchs Hosenbein gesteckt, Leute im Publikum eingewickelt, das Bier von denen ausgetrunken oder solche Sachen.
HDIYL: Dieses offensive Zugehen und Einbinden des Publikums ist schon sehr abstrus und außergewöhnlich für den normalen Konzertbesucher! Da ist doch die Gefahr groß, den einen oder anderen zu verschrecken?
Krupski: Das ist schubsen – zu jedem guten schubsen-Konzert gehören auch Eskalation und Körperkontakt! Aber ich denke schon, dass ich mit dem ganzen Adrenalin trotzdem noch so klar bin, dass ich die Situationen immer noch gut einschätzen kann, wenn es den Menschen zu viel wird. Diese Energie, die wir live haben, wollten wir aber auch ein Stück mit auf Platte bringen und das ist uns geglückt.
HDIYL: Worauf kam es euch also bei der Albumproduktion zu „Stühle rücken in Formationen“ an? Sollte es eher eine Eins-zu-Eins-Reproduktion einer Liveshow oder doch ein präzises, sauberes Studioalbum werden?
Krupski: Es gab Teile der Band, die eine Live-Erfahrung wegen der Energie produzieren wollten. Und andere wollten es präzise, gerade haben. Es ist eine Mischung geworden. Genau das ist schubsen. Wir sind alle ganz unterschiedliche Charaktere und kommen aus ganz unterschiedlichen Musikrichtungen. Friedo, der eher so den Rock an sich und Post-Rock feiert. Tornado, der eher so im Post-Hardcore verwurzelt ist. Habery und ich sind schon sehr die Post-Punker. Wir sind eigentlich auch keine klassische Punkrock-Band. Wir sind die Rhythmusgruppe schubsen! Wir wollen nicht, dass uns irgendjemand ein Label aufdrückt. Natürlich schreibt man Post-Punk, das ist das Naheliegendste. Aber man könnte uns mittlerweile auch mit Noise-Rock beschreiben. Man könnte auch Indie-Punk schreiben, machen tatsächlich einige – okay, sollen sie halt machen!
Bier und Whiskey Sour sind vertilgt, die Kneipe leer gefegt. Wir sagen: vielen Dank für das Gespräch! Das fulminante Live-Feuer von schubsen könnt und solltet ihr am 22. und 23. März hautnah als Support von Turbostaat im E-Werk und in der Desi erleben.
schubsen live:
01.03.2019 | Nürnberg | mono-Ton: Release Meet & Greet (ohne Konzert)
06.03.2019 | Berlin | Loophole
07.03.2019 | Hamburg | Astra Stube
08.03.2019 | Duisburg | Djäzz
09.03.2019 | Köln | King Georg
22.03.2019 | Erlangen | E-Werk w/ Turbostaat
23.03.2019 | Nürnberg | Desi w/ Turbostaat
13.06.2019 | Wien | Das Werk
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/ Interview: Sarah Grodd /
/ Bild: Andreas Hornoff /