Gefragt: Drangsal
Drangsal gilt als einer der Senkrechtstarter des Jahres 2016 und auch wir sind von seinem Brachial-Pop begeistert.
New Wave und Post Punk Elemente wecken hier Erinnerungen an The Cure und Joy Division.
Selten weckte ein Debütalbum so viel Euphorie und löste so viele Diskussionen aus, wie sein Erstlingswerk „Hariescheim“, der altdeutsche Name seiner Heimatstadt Herxheim.
Vor seinem Auftritt beim diesjährigen Nürnberg.Pop haben wir uns mit Drangsal zum Interview getroffen.
HDIYL: Der Name von einem Bestattungsinstitut, Nachfahre der Hinterkaifeck-Opfer, relativ düstere Musik, hast du denn einen gewissen Hang zum Morbiden?
Drangsal: Ja. Morbide ist vielleicht das falsche, vielleicht aber auch das richtige Wort. Ich mag auf jeden Fall Sachen die unüblich und schräg sind. Auf alle Arten und Weisen, wie Sachen unüblich und schräg sein können. Das begeistert mich immer noch und da liegt mein Interesse. Da kann ich mich begeistern. Da fängt es an interessant zu werden.
HDIYL: Du zählst auch Marilyn Manson zu deinen Inspirationen, was ist an ihm so besonders?
Drangsal: Was an ihm so besonders war, ist dass er es geschafft hat, trotz seiner Obskurität mainstreamtauglich zu sein und nur so zu funktionieren, dass man an ihm nicht vorbeikommen konnte. Das was er damals gemacht hat, das war schiere Rebellion eigentlich. Ich muss gestehen, ich fand auch den visuellen Aspekt als ich jünger war noch interessanter. Find ich auch immer noch, natürlich unter bestimmten anderen Aspekten, unter denen ich Dinge früher nicht bewertet habe, gut. Das ist für mich auch ein wichtiger Bestandteil von Marilyn Manson. Ohne die Schminke und dem ganzen Scheiß wäre es nur halb so interessant. Aber wie gesagt, für mich ist das irgendwann miteinander verschmolzen. Vielleicht ist Marilyn Manson daran Schuld, dass ich glaube, dass Musik nicht ohne Performance und nicht ohne Charaktere überleben kann. Man muss sich nicht schminken um ein interessanter oder verrückter Charakter zu sein, aber Marilyn Manson muss es.
HDIYL: Du bist mit 23 noch relativ jung, hast dir aber in der letzten Zeit einen Namen im Musikbusiness gemacht, wie verändert das einen?
Drangsal: Ich war vorher schon ein riesiges Arschloch und bin es jetzt immer noch.
HDIYL: Nur jetzt kannst du es dir leisten?
Drangsal: Ich glaube ehrlich gesagt, dass man es sich als Musiker weniger leisten kann, zumindest als Independent Musiker. Ich bin ja an sich auch kein schlechter Mensch. Ich hab nur viele Meinungen und lass mich leicht zu Streit anstacheln. Ich glaube das ist eher mein Problem.
HDIYL: Ist diese düstere Musik und der Hang zum Morbiden eine Art Realitätsflucht aus dieser knallbunten und überladenen Welt.
Drangsal: Ich glaube schon. Ich glaube, dass Musik allgemein Realitätsflucht ist. Weil man sich mit Dingen beschäftigen will, die irgendwie schöner sind als das „echte Leben“ und da gehört Musik definitiv dazu für mich.
HDIYL: Du singst mal auf Englisch, mal auf Deutsch. Warum?
Drangsal: Warum nicht? Das ist auf jeden Fall Markus Ganters [Anm. d. Red.: Produzent von u.a. Drangsal, Sizarr & Casper] Schuld, dass es so gekommen ist. Ich wollte eigentlich die deutschen Songs für ein separates Projekt nutzen, was dann aber nie gefruchtet hat. Deswegen haben wir das erste deutsche Stück „Will ich nur dich“ einfach mit auf das Drangsal Album genommen. Ich dachte, wenn ich das gleich etabliere, dass ich auf Deutsch und auf Englisch singe, dann stört das keinen mehr, wenn ich später Lust dazu habe. Ich kann beide Sprachen irgendwie gut und es macht mir in beiden Sprachen Spaß zu tricksen.
HDIYL: Was sind deine musikalischen guilty pleasures?
Drangsal: Ich glaube es sollte keine guilty pleasures geben. Man sollte sich für keine Musik schämen, die etwas in einem auslöst. Es kann ja auch Spaß sein, oder Abscheu, oder Grauen. Von guilty pleasures halte ich nichts. Ich finde, man soll an allem was gut finden dürfen ohne sich schämen oder rechtfertigen zu müssen. Wenn ich jetzt sage, „Ich finde Annenmaykantereit scheiße, aber „oft gefragt“ ist ein guter Popsong“, ist es ja auch möglich so eine Meinung zu haben. Es ist ja nicht alles immer schwarz und weiß, sondern … grau. No matter what you think or do or say, everything turns gray.
HDIYL: Wir sind immer auf der Suche nach neuer Musik, hast du irgendeinen Geheimtipp für uns?
Drangsal: Doomhound ist das neue Projekt von Philipp Hülsenbeck von Sizarr.
Und White Wine, die sollten sich alle Leute mal anhören, am besten sich live ansehen, da würde ich noch eher eine Empfehlung aussprechen.
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/ Text: Simon Strauß / Bild: Pressefreigabe /