Interviews / Musik

Gefragt: L’aupaire

Das Schöne an einem Festival ist immer, dass man sich mit neuen Künstlern auseinandersetzt, neue Entdeckungen und neue Ohrwürmer mit nach Hause nimmt. Wenn man einen noch unbekannten Künstler auch noch zum Interview trifft, setzt man sich gezwungenermaßen noch intensiver mit dem Künstler auseinander. So geschehen bei L’aupaire!

Ich durfte ihn am Freitag nach seinem Auftritt zum Interview treffen. Wir haben über Budapest, seine Musik und, ganz wichtig, seine Musiklieblinge gequatscht!

hdiyl: Ich habe vor dem Interview recherchiert und herausgefunden, dass du all dein Zeug gepackt hast und nach Budapest gegangen bist. Da stellt sich mir die Frage, warum Budapest? Die Stadt gehört ja nicht unbedingt zu denen, die bei vielen ganz oben auf der Liste steht?

L’aupaire: Meine Oma und mein Opa haben da eine Wohnung, seitdem der eiserne Vorhang gefallen ist. Das war nur ein Experiment aus finanziellen und logistischen Gründen. Man stellt sich vor, geil am Strand zu liegen oder in Schweden in einer Sauna. Wenn man mal durchrechnet, wie teuer das alles ist, kam es für mich nicht in Frage, da ich die finanziellen Mittel nicht hatte. Dann kamen Budapest und die Wohnung sehr gelegen. Die Stadt ist der Wahnsinn, ob ich da schreiben kann, wusste ich zuvor nicht. Ich wollte da hin und es ausprobieren. Nach einem Monat habe ich gemerkt, dass es eine gute Balance zwischen Stadtleben und Einsamkeit gibt. Ich hatte in der Wohnung komplette Ruhe, konnte mich auf die Musik konzentrieren und wenn ich nach drei Tagen die Schnauze voll hatte, konnte ich mich ins Leben stürzen und die Stadt einatmen. Das war sehr schön und ich mich habe daran gewöhnt.

hdiyl: Das ist natürlich praktisch, wenn die Familie dort eine Wohnung hat, das muss man nutzen. Du hast es gerade schon angesprochen: War es für dich einfach, dort deinen eigenen Stil zu finden? Wenn du das turbulente Leben direkt vor der Haustür hast und drinnen die Stille.

L’aupaire: Ich weiß gar nicht genau. Ich habe irgendwann mein eigenes komisches Leben geführt, ohne jegliches Tag- und Nachtgefühl. Es war gut, wenn Freunde zu Besuch kamen. Weil man komische Sachen etabliert hatte. Ich habe versucht, ganz viel Sport zu treiben, um halbwegs normal zu bleiben. Manchmal habe ich die Wohnung auch für eine Woche nicht verlassen und von Vorräten gelebt. Es war verrückt. Teilweise kann man in einer halben Stunde kreativer sein als in einer Woche. Es braucht auch diese Tiefphasen. Als Musiker hat man auch diesen Traum, dass es toll wäre, nur noch Musik zu machen und davon leben zu können. Der Traum ist in der Realität gar nicht mal so schön, weil man diese Tiefphasen hat, aus denen man sich wieder herauskämpfen muss. Ich liebe die Synergie aus beidem, die notwendig ist. Es war eine wichtige Zeit, um meinen Stil zu finden und mich selber kennenzulernen, aber es ist auch wichtig, mit anderen zu musizieren. Zum Verfeinern.

hdiyl: Hast du dich einsam in dieser Zeit gefühlt?

L’aupaire: Ja, auf jeden Fall. Das wollte ich auch. Das war wichtig dafür.

hdiyl: Du kommst diesen Sommer im großen Stil wieder zurück nach Budapest und spielst auf dem Sziget Festival. Wie ist das für dich?

L’aupaire: Das ist total krass. Das ist Wahnsinn. Ich versuche, keine Erwartungen zu haben. Doch wir fahren wieder dorthin und spielen dort. Ich habe, als ich 18 war, davon geträumt, mal als Künstler in Budapest, generell in Europa zu spielen. Damals sah die Welt ja noch ganz anders aus. Das ist wirklich ein total cooles Gefühl!

hdiyl: Zurück zu Deiner Musik – du schreibst deine Texte selber, arbeitest auch an den Melodien, aber am Ende braucht es manchmal einen Produzenten. Inwiefern ist Mocky (A.d.R. kanadischer Produzent, der schon für Peaches oder Feist produzierte) für deine Musik wichtig? Würdest du sagen, er verpasst dem ganzen noch mal einen Feinschliff?

L’aupaire: Das Produzieren übernehme ich selber. Ich hatte drei, vier Ideen, mit denen ich nicht weiterkam und Mocky dann dazustieß. Wir haben uns zusammen treiben lassen, als Freunde. Es kamen viele gute Sachen dabei raus. Natürlich ist es ein schöner Einfluss. Trotzdem würde ich sagen, dass der große Teil des Albums aus dieser Budapest-Zeit kommt. Mocky ist ein Wahnsinnstyp, es war super gut mit ihm zu arbeiten und ihn einfach dabei zu haben.

hdiyl: Ihr habt euch nach deinem Auftritt auf dem South by Southwest Festival kennengelernt, oder?

L’aupaire: Genau. Wir hatten diese Reise mit Mocky und dann kam die Anfrage für das South by Southwest ganz kurzfristig rein. Wir haben eine Amerikareise daraus gemacht, was eine sehr spontane und schöne Reise wurde. Verrückt.

hdiyl: Hast du Erfahrungen von dem Festival mitnehmen können?

L’aupaire: Die Erfahrung war, dass wir auf dem Festival gefühlt die kleinste Band waren. In Deutschland haben wir schon in größeren Venues gespielt und es wächst und gedeiht alles. Dann kommt man nach Amerika, 20-30 Leute waren nur da. Wir haben gemerkt, dass wir in Amerika noch mal von vorne anfangen müssen. Die Shows waren klein – Wohnzimmeratmosphäre eben. So wie wir es in Deutschland vor ein paar Jahren gemacht haben. Das ist ein Riesenland, in dem man sich so klein fühlt, und es war eine Inspiration für mich. Man ist wieder bei null, als Straßenmusiker, muss sich wieder hocharbeiten. Es hat seinen Reiz.

hdiyl: Bis jetzt gibt es von dir die „Rollercoaster Girl“ EP zu kaufen. Wann kann man mit einem Album rechnen? Für die ganzen Fans, die dich schon live erleben durften.

L’aupaire: Anfang nächsten Jahres soll es erscheinen. In den nächsten zwei, drei Monaten wird es komplett fertig sein und dann dauert es immer ein wenig. Es braucht seine Zeit, bis man alles vorbereitet hat. Es müssen Videos gedreht, Texte geschrieben und alles Drumherum geregelt werden.

hdiyl: Bist du zufrieden mit dem Album? Am liebsten würdest du es jetzt schon veröffentlichen, oder?

L’aupaire: Es sind die besten Songs, die jemals geschrieben wurden! Nein, ich mag sie sehr und habe fünf Jahre daran gearbeitet. Ich kann dafür gerade stehen. Es ist meine Vision und ich hoffe, dass es vielen Leuten gefällt.

hdiyl: Klar, es ist wichtig, dass man dahintersteht. Hast du Angst, als Künstler mal in die Situation zu kommen, dass du innerhalb eines Jahres ein neues Album veröffentlichen musst und du dich dann kreativ eingeschränkt fühlst aufgrund des Zeitdrucks?

L’aupaire: Ja. Ich glaube, ich habe Angst davor, in diese Mühle zu kommen. Es ist den größten Künstlern passiert, dass man in diesem Album-Tour-Album-Tour-Rhythmus steckt. Ich habe für mich gemerkt, ich kann auch in einer kurzen Zeit kreativ sein. Wenn die Voraussetzungen stimmen. Ich brauche Zeit, Ruhe, die passenden Leute – einfach mal das iPhone weglassen und sich eine Woche von der Welt verabschieden. Dann klappt es. Ich bin da ganz optimistisch. Es gibt abgesehen von Mocky viele Leute in meinem Umfeld, die wichtig sind. Meine Band, mein sehr guter Freund Jules, mit dem ich zusammenarbeite, oder mein Mischer Gino. Es sind Leute, von denen ich mir Input holen kann. Wer weiß, vielleicht gibt es in Zukunft noch weitere. Ich kann mir gut vorstellen, dass man auch kompensieren kann. Ich habe auch wieder ganz viel geschrieben und versuche, jeden Tag etwas zu schreiben.

hdiyl: Wir kommen auch schon zur letzten Frage: Hast du momentan ein Lieblingslied oder ein Album? Einen Ohrwurm, der dich um den Verstand bringt?

L’aupaire: Von den Songs, die dieses Jahr erschienen sind? So kommerziell? Radiomäßig?

hdiyl: Nein, einfach ein Lied oder Album, das dir total gut gefällt. Theoretisch könntest du auch deine eigene Musik empfehlen, das hatte ich auch schon.

L’aupaire: Was ich momentan wieder ausgepackt habe und mir sehr gut gefällt, ist David Lemaitre. Sein erstes Album und darauf vor allem „Megalomenia“ ist ein Wahnsinnssong, der ein tolles Gefühl transportiert. Das würde ich mir auf der PA (A.d.R.: Lautsprecher) da hinten wünschen. Gerade für den Moment. Ansonsten habe ich ganze viele Alben, die mich in meinem Leben begleitet haben. Wenn ich heute drei Alben auf eine Insel mitnehmen müsste, wären es „Kind of Blue“ von Miles Davis, „Grace“ von Jeff Buckley und „A Love Supreme“ von John Coltrane. Das ändert sich auch. Morgen könnten es schon wieder andere sein. Ändert sich jeden Tag vom Gefühl. Wird wahrscheinlich jedem so gehen.

Vielen lieben Dank noch mal an L’aupaire für das sehr sympathische Interview und Foto!

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Wer L’aupaire gerne mal live sehen möchte, hält sich den November frei. Denn da geht es wieder auf Tour und die Daten sind hier im Überblick.

Unsere Melt! Festival Nachberichte gibt es hier:

Nachbericht: Melt! Festival 2015
Melting away

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/ Text: Matilda Pfeil / Bild: Presse /