Live / REIN & RAUS

Nachbericht: Eurosonic Noorderslag Festival 2016

Jedes Jahr im Januar veranstaltet das kleine niederländische Städtchen Groningen ein großes Musikspektakel. Überall in der Stadt verteilt liegen die Spielstätten. Mal ist es ein Pub, der zur Bühne wird, ein Theater oder eben ein cooler Club. In manchen Café’s spielten schon nachmittags Bands, wie es schien. Überall hörte man Musik.

Das Eurosonic Festival ist mit das größte europäische Showcasefestival. Dieses Jahr fand es schon zum 30. Mal statt! Was für die ganzen Modemenschen die Fashion Weeks dieser Welt sind, ist das Eurosonic für die Musikmenschen. Entdeckt werden können hier neue Bands aus zig verschiedenen Ländern, die, wenn die Sterne gutstehen, 2016 ihren Durchbruch haben werden. Deswegen kann einen das Line Up leicht verunsichern, wenn man keine der Künstler kennt. Aber das ist ja das Schöne daran – es geht ums Entdecken.

Um die 300 Bands spielten verteilt auf vier Tage. Und manche Bands, die am Mittwoch bereits auftraten, spielten am Donnerstag auch noch mal. Gut so, denn zu viel läuft gleichzeitig. In Zahlen waren es 40 Venues, vier Tage und so um die 300 Bands.

Das hatte ich im Hinterkopf und legte mir grob einen Timetable an mit Bands, die ich nicht verpassen wollte. Im Nachhinein habe ich wahrscheinlich, ach bestimmt sicher, andere gute Bands verpasst, die mir hätten gefallen können. So ist auf eben auf einem Festival. Die Bands, die ich aber gesehen habe, könnten dieses Jahr zu meinen neuen Lieblingsbands gehören.

Alice On The Roof aus Belgien machte den Anfang am Donnerstag. Die Belgierin hat eine wunderschöne, klare Stimme und musikalisch war es auch nicht schlecht. Trotzdem war es nichts Besonderes, als hätte man es schon mal gehört. Ein grundsolider Auftritt eben.

Weiter ging es zu Honne aus England. Die Band wollte ich unbedingt sehen! Im Vorfeld hatte ich schon ihren Titel „Gone Are The Days“ gehört und war begeistert. Die Begeisterung hält immer noch an. Die beiden Jungs haben etwas Funkiges und Souliges an sich, das mich sehr anspricht. Ihr könnt euch ihre Musik ungefähr so vorstellen, als würde Chet Faker ab sofort das Tempo erhöhen und noch mehr Rhythmus reinbringen. Die sollte man sich auf alle Fälle merken!

Ein Geheimtipp aus Schweden ist Elias. Der gerade mal 20 jährige hat eine Stimme, da kann man glatt neidisch werden! Mit 13 Jahren hat er schon im Gospelchor gesungen und das hört man ihm an. Mich hat er mit seinem Auftreten stark an Seinabo Sey erinnert. Zum einen diese Kraft, die er ausstrahlt. Zum anderen sein Bühnenauftritt. Elias steht nicht im Spotlight, sondern eher im Dunkeln und seine beiden Backgroundsängerinnen sind etwas mehr im Rampenlicht als er. Sehr beeindruckend!

Wenn Seinabo Sey schon auf dem Eurosonic spielt, schaue ich mir die Knallerfrau doch noch mal an. Zu ihr muss ich eigentlich nicht viel sagen – sie ist einfach klasse! Die Stimme, das Auftreten, ihre Art, wie sie mit dem Publikum kommuniziert. Ich mag sie einfach. Leider hat sie am Anfang nicht „Pistols At Dawn“ gespielt. Das wäre perfekt gewesen! Sehr passend war ihre Venue – ein Theater. Seinabo stand im Publikumsbereich und hinter ihr konnte man die Logen sehen. Während das Publikum auf der eigentlichen Theaterbühne stand. Clever gelöst und mit die schönste Venue, die ich gesehen habe.

Lydmor & Bon Homme ist ein Projekt vom einem der WhoMadeWho Jungs. Dazu gesellt sich noch die dänische Sängerin Jenny Rossander. Sie ist Lydmor. Und Tomas Høffding ist Bon Homme. Auch ähnlich wie bei Alice On The Roof: die Musik ist solide, hat mich aber nicht vom Hocker gerissen. Ihr Lied „Things We Do For Love“ kenne ich irgendwo her, da bin ich mir sicher. Getanzt haben sie wie im Musikvideo, obwohl Tomas eher Schlagzeug spielen musste und daher nicht so ausgefallen tanzen konnte.

Am Freitag habe ich nur zwei Bands gesehen, weil an dem Abend nicht so viele Auftritte waren, die ich unbedingt sehen musste.

Leyya aus Österreich standen bei mir ganz weit oben auf der Liste und haben mich letztes Jahr schon mit „Superego“ verzückt. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass sie erst kürzlich im Z-Bau gespielt haben. Hatte ich nicht auf dem Schirm, gut, dass ich sie mir jetzt auf dem Eurosonic angeschaut habe. Mir gefällt die Mischung aus der weichen, fast zerbrechlichen Stimme und dem harten und roughen Sound. Die Stimme klingt an manchen Stellen fast zu perfekt als wahr zu sein. Die vier wirken auf der Bühne alle etwas introvertiert, was passt, weil man sich dann eher auf die Musik konzentriert. Gut, der Gitarrist schlägt manchmal noch aus der Strenge und bewegt sich mehr als die anderen, aber das sei ihm vergönnt.

Gerade habe ich hier auf dem Blog noch über Jungle geschrieben und schon sehe ich Haelos, die auch aus dem Umfeld kommen. Zwei Schlagzeuger, eine Frau und ein Mann, und fertig ist die Besetzung bzw. so viel konnte ich sehen. Der Club war brechend voll. Verständlich. Sie haben etwas von Jungle, nur etwas düsterer und sie erinnern mich auch an Massive Attack und Portishead. Eine gute Kombination, die ich dieses Jahr noch öfter hören werde. Ein schöner Abschluss des Festivals.

Nächstes Jahr komme ich wieder, dazu hat es mir dieses Jahr einfach zu gut gefallen!

www.eurosonic-noorderslag.nl
www.facebook.com/Eurosonic-Noorderslag

/ Text: Matilda Pfeil / Bild: Pressefreigabe Eurosonic /

Ich geb jetzt auch noch einen kleinen Teil meines Senf’s dazu:

Im großen und ganzen hab ich das gleiche wie Matilda gesehen. Allerdings war ich von Alice on the Roof mehr begeistert als die Junge Kollegin. Hab leider nur viel zu wenig von dem Konzert gesehen, weil die Reisegruppe andere Pläne hatte.

Auch erwähnen muss ich den Auftritt von Lydmor & Bon Homme, dem Nebenprojekt von Who Made Who Bassist und Sänger Thomas Hoffding, die mich teilweise an Phantogramm erinnerten, die immer noch meinen All-Time-Favorite Auftritt im Club Stereo vor ein paar Jahren hinlegten. Großartiges Konzert!

Am Sonntag hab ich mich von der Reisegruppe etwas abgeseilt und bin mit Kollegen aus Berlin durch die Stadt gestreift und mir dabei das Konzert von der Antilopen Gang angeschaut. Die Jungs aus Düsseldorf und Aachen haben einen respektablen Gig hingelegt und gut Stimmung gemacht. Auch beim größtenteils nichtdeutschsprachigen Publikum.

Mein Fazit vom Eurosonic: Wunderschönes kleines Städtchen mit wahnsinnig vielen Bars, Kneipen, Club’s, Cafe´s und Spielstätten. Das Festival ist ein großes sehen und gesehen werden und perfekt um neue Kontakte zu knüpfen und Meinungen auszutauschen. Man sollte sich aber keine Illusionen machen, das man wirklich viel von den Bands und Künstlern sieht. Von 300 Konzerten konnten wir gerade mal 7 sehen. Schade! Aber trotzdem: Gerne wieder!

/ Jens Riedel /