Live / REIN & RAUS

So war das: Iceland Airwaves Festival

Reykjavik, die Hauptstadt Islands, wird einmal im Jahr zur Festivalmeile. Kennt man. Von Nürnberg.Pop, dem Reeperbahnfestival in Hamburg oder dem Way Back When in Dortmund. Eine wunderschöne Stadt ist das, mit einem pulsierenden Popkulturleben. Hier trifft sich die Welt, um beim Iceland Airwaves Festival an insgesamt fünf Tagen ein Conference- und Konzertprogramm aufzusaugen, das natürlich in seiner Masse viel zu umfangreich ist, um die ganze Breite mitzunehmen. Der (bezahlte) offizielle Teil wird zusätzlich durch ein (bezahl-freies) „Off Venue“ Programm ergänzt, im Rahmen dessen teils schon ab dem frühen Nachmittag in Klamottenläden, Kneipen, Hostels oder Bars gespielt wird. Die isländische Newcomer-Szene als integraler Festival-Bestandteil stellt sich hier vor, einige der Bands von Übersee spielen neben ihrer offiziellen „großen“ Show hier die eine oder andere „kleine“ Show im intimen Rahmen. So um die 40 Konzerte an 4 Tagen -ein Versuch, es kurz zu halten und nicht gar so begeistert rum zu kommen wie man eigentlich sein könnte.

MITTWOCH
Sekuoia
Sekuoia. Besser hätte das Festival nicht losgehen können. Entschleunigung made in Dänemark, live mit Gitarre und jeder Menge Elektronik dargeboten. Wer hier von Chill-Wave spricht, ist selbst schuld.
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Skelkur Í Bringu. Die Auftritte der Noisepunk-Band wurden im Vorfeld als „dangerous but loose“ angekündigt. 3 Songs nach Konzertbeginn ging ich wieder. Ich Lo(o)ser.
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Halleluwah. Eine von so einigen ElectroPop-Bands aus Island, die einen ähnlichen Schlag von Frontfrauen haben, die auf der Bühne wirken, als hätten sie das Björk-Gestik-College mit Auszeichnung abgeschlossen. Hilft halt auch nix wenn der Rest nur so halb stimmt.
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Mafama. So würden The Robocop Kraus vielleicht klingen, wenn sie aus Island wären.
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Geislar. Mein erstes Konzert im „Harpa“, dem großen Konzerthaus im Zentrum des Iceland Airwaves. Stark gespielte Mixtur aus Swing, Soul und Fiction, von einer relativ neuen, aus relativ bekannten isländischen Musikern bestehenden Formation rund um den Pianisten und Keyboarder Styrmir Sigurðsson und den ausgezeichneten Gitarristen Óskar Guðjónsson dargeboten.
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Júníus Meyvant. Wer den isländischen Künstler ob seines Auftrittes zum Beispiel beim Nürnberger Folk im Park Festival in die Singer / Songwriter Ecke gesteckt hat, verpasst was wenn er ihn sich nicht mit Band anschaut. Großes Soul-, und 60-Pop-Kino.
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Dikta. Islands im europäischen Ausland wohl mit bekannteste Indierock-Band langweilte, so ganz ehrlich geschrieben.
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Vök. Vök wollen sicht- und spürbar eine große Show liefern. Dann setzt das Saxofon ein, da wurde es unterirdisch. Und das Saxofon setzt gleich beim ersten Song ein. Muss man halt mögen.
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DONNERSTAG
AmabAdamA. Da schlendert man wenig ahnend an einem Innenstadt-Café vorbei, aus dem schallen Offbeats. Neugierig geworden tritt man ein und findet sich mitten in einer Eskalation wieder. Auf einer winzigen Bühne steht eine neunköpfige Reggaeband und macht Party für jung und alt, für die Schnapsleichen vom Vortag und die mit dem ersten Bier des noch jungen Tages.
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Tonik Ensemble
Tonik Ensemble. Dub, Broken Beat & Techno am Nachmittag, im Loungebereich eines Kinos. Das Publikum sitzt größtenteils und trinkt Kaffee. Unvorstellbar? Nein! Cool? Ja!
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French for Rabbits. Weil ihr Schlagzeuger noch ein halbes Jahr studieren muss, tritt das neuseeländische Duo plus Bassistin ziemlich reduziert auf und klang mehr nach charmantem Songwriter-Pop als nach Dream-Pop wie auf Platte. Hatte aber auch so was.
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When ´airy met fairy. Das Trio um die live stark nach Roisin Murphy klingende Sängerin Thorunn Egilsdottir hat ihren Keyboardständer vergessen und kommt sowieso mit der schmalen Technik vor Ort nicht so recht klar. Für einen guten Auftritt reicht es letzten Endes, ein echtes Alleinstellungsmerkmal in der Musik sucht man aber irgendwie trotzdem vergeblich.
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FURA. Die Kollaboration der Sängerin Björt Sigfinnsdóttir mit dem isländischen Produzentenduo Hallur Jonsson & Janus Rassmussen von Bloodgroup brachte die winzige Bar Ananas zum explodieren. Alleine diese Bässe hätten in Bayern dafür gereicht, die komplette Innenstadt zu sperren. In Reykjavik schien das übrigens normal zu sein, das mit den Bässen in der Innenstadt.
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Sykur. Wieder eine dieser ElectroPop-Bands. Dieses Mal gibt es aber mehr Disco und statt einer Björk-Gestik-College-Absolventin die ungemein starke Agnes Björt vorne dran, die ihrem mehrere Oktaven umfassenden Stimmorgan Großes entlockt und dazu noch eine Performance hinlegt, das einem ganz anders wurde. Das Reykjavik Art Museum mit seinem eindrucksvollen Ambiente vervollständigte ein mehr als rundes Gesamtbild.
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Fufanu. Das waren früher zwei Jungs, die Techno machen wollten. Den begannen sie irgendwann zu brechen indem sie ihn durch diverse Verzerrer jagten und zur Band um den wirklich unfassbar guten Sänger und Einar Örn (Sugarcubes) Sohn Hrafnkell Kaktus Einarsson wuchsen. Irgendwo zwischen den frühen The Hives, Joy Division und, ja, keine Ahnung, man sollte jetzt unbedingt „etwas ganz eigenem“ schreiben. Muss man live gesehen haben, Wahnsinn.
www.facebook.com/fufanumusic

Blaue Blume. Die technisch betrachtet wahrscheinlich beste Indieband des Festivals (Indie hier im Sinne von 80s geschwängertem Disco-Pop-Soft-Rock) beeindruckt durch ein hohes Können an Instrumenten und Stimme.
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Sea Change. Der teils ziemlich experimentell versetzte Lo-fi-Electronica-Pop des norwegischen Trios um die kleine, kraftvolle Sängerin und Songschreiberin Ellen A.W. Sunde, übrigens nach dem gleichnamigen Album von Beck Hansen benannt, ist filigran und fordernd zugleich und wird am Ende des Konzertes sogar richtig noisig.
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Operators. Wolf Parade´s Dan Boeckner und seine neue Kapelle zelebrieren ihre Synth-Pop-Songs mit mächtig Wums. Ganz gut.
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FREITAG
Agent Fresco
Agent Fresco. Die Könige des isländischen ArtRock zeigen sich beim nachmittäglichen Konzert für die US-Radiostation KEXP (www.kexp.org) in der Lounge des (passenderweise) KEX Hostel in großer Form. Sänger Arnór Dan Arnarson erzählt zwischen den Songs rührende Geschichten zu den Texten und erntet auch damit zu Recht viel Applaus und Sympathiebekundungen. Da kann man sich auf jeden Fall schon auf die Deutschlandtermine im Dezember freuen.
www.facebook.com/agentfresco

Hide Your Kids. Indie-Nachwuchs, der sich weder stilistisch entscheiden kann ob Französisch (Phoenix), Skandinavisch (Shout Out Louds) oder 0815 Synth-Pop, noch so richtig in Form ist.
www.facebook.com/Hide.Your.Kids.official

Svavar
Svavar Knutur. Ein Klamottenladen. Shoppende Leute. Zwei Boxen im Eck. Der Gig ist für 5h angesetzt. Um 5h kommt Svavar. Packte seine Gitarre aus und fängt derweil schonmal zu plaudern an. Dann spielt er. Erzählte Geschichten. Und spielt. Die shoppenden Leute setzen sich hin. Andere kommen dazu. Seine kleine Tochter rennt auf ihn zu und wird umgehend als Body Guard vorgestellt. 30 Minuten später ist alles zu Ende. Und alle sind verzaubert. Toller Typ.
[Svavar Knutur kommt im Februar 2016 wieder auf Deutschlanddtour]
www.facebook.com/SvavarKnutur

Mr Silla
Mr Silla. Sigurlaug Gísladóttir, manchem vielleicht als Teil des Spektral-Electronica-Kollektives múm ein Begriff, verwandelt Raum und Zeit mit einer wahnsinns Stimme, Loopstation, Laptop und einem Begleitmusiker an Drumpad und Gitarre in verwunschen-schöne Welten aus Zauber und Klang. Schön!
[am 9.Dezember treten Mr Silla als Support von Soley im Erlanger E-Werk auf]
www.facebook.com/sillasilla

Sturla Atlas. Kinder HipHop mit Autotune. Raus hier. (Gebt mal Sturla Atlas bei Youtube ein, dann wisst ihr warum ich überhaupt da war, zum einen „Roll Up“, zum anderen „San Francisco“)
www.facebook.com/sturlaatlas

Toneron
Toneron. Gesang, Saxofon, Schlagzeug. Oder Erdbeben, Wasserfall und Vulkan. Das isländische Duo hat jedenfalls schon die Aufmerksamkeit des „Músíktilraunir“ Förderprojektes & Bandwettbewerbes (www.musiktilraunir.is) auf sich gezogen, aus dem schon unter anderem Of Monsters And Men oder Samaris in die weite Welt entsprungen sind.
www.facebook.com/toneronmusic

Odinn. Fieser, lauter Techno. Und das am frühen Abend. Deshalb gibt’s die Facebook-Seite und das Video des Künstlers auch nur spätnachts zu sehen. Manchmal. Tschuldigung, dieser Teil des Berichtes entsteht aber in den frühen Abendstunden. Also müsst ihr mir einfach mal glauben, dass das nichts anderes war als fieser, lauter Techno.

Good Moon Deer
Good Moon Deer. Kein Konzert, sondern ein Erlebnis. Ein Typ mischt mit Laptop und Controlpads Electronica und Frickelliges, dazu krasse Visuals und ein Impro-Performance-Kollektiv, das Fahnen schwenkt, auf Leitern klettert, Ball spielt, tanzt, springt, … Wahnsinnig. Gut.
www.facebook.com/GoodMoonDeer

Hjaltalin. Ach jeh. Die sind echt bekannt, ich weiß. Aber der Nickelback-eske Softrocker mit dem langen schwarzen Ledermantel und seine Freundinnen und Freunde, die da relativ exklusiv einige Songs des zu erwartenden neuen Albums vorstellen, gehen echt gar nicht. File under: Geschmacksache.
www.facebook.com/hjaltalinband

Milkywhale. Die Kollaboration zwischen dem Choreographen Melkorka Sigríður Magnúsdóttir und der Sängerin Árni Rúnar Hlöðversson ist teils witzig – vor allem als Hlöðversson auf der Bühne den Rockstar spielt. Andere Songs klingen wie Eurodance. Und schauen auch so aus. Aber wenn das der Plan war: Respekt. Hoffentlich bald auf dem (isländischen) Ballermann.
www.facebook.com/milkywhaledance

Perfume Genius. Fragile Schönheit trifft auf düstere Wucht, aufrichtige Pianoballaden auf rollende Popmonster, die innerhalb weniger Taktegleichermaßen majestätisch wie auch enorm experimentell werden können. Perfume Genius, begleitet von einer hervorragenden Band, wickelt sein Publikum spielerisch um die Finger. Und hinterlässt es verzückt-verstört.
www.facebook.com/perfumegeniusofficial

SAMSTAG
Dad Rocks!. Die IndieFolk-Band um den in Dänemark lebenden Isländer Snævar Njáll Albertsson macht kurz vor dem zwischen zwei Songs angekündigten Besuch der Blauen Lagune (die wohl bekannteste Touristenattraktion Islands) einen semi-akustischen Zwischenstopp im Barbereich des Tjarnarbarinn, wo sich erst Abends die Türen zum Club öffnen. In Anwesenheit der Familie des Sängers und Gitarristen treibt er seine Band energetisch zu einem nachmittäglichen Highlight, bei dem man sogar der sitzenden Hälfte des Publikums die Zuckungen im Tanzbein ansah.
www.facebook.com/dadrocks1

The Anatomy of Frank. Eine Platte auf allen Kontinenten aufnehmen will das Quintett aus Virginia. Hier stellen The Anatomy of Frank ihr erstes, in den USA entstandenes Werk vor, das logischer Weise „North America“ heißt. Gar nicht mal so amerikanischer, sagen wir Post-Folk, mit dem die Band am Ende des Konzertes irgendwo im Mittelmaß landet.
www.facebook.com/theanatomyoffrank

Úlfur Úlfur. Endlich. Isländischer HipHop. Ich verstehe kein Wort. Außer Motherf**ker. Das aber gleich mehrfach. Begleitet wird das derzeit wohl bekannteste Rapduo des Landes von den Agent Fresco Musikern. Das hat: richtig Spaß gemacht.
www.facebook.com/ulfurulfur

Morning Bear
Morning Bear. Live-Folk mit Cello, Gitarre und Gesang in einer der größten Buchhandlungen Reykjaviks. Ach ja.
www.facebook.com/MorningBearOfficial

Stafraenn Hakon
Stafrænn Hákon. Die Postrock-Keule des Festivals. Die „Bunk Bar“ platzte aus allen Nähten, die siebenköpfige Band konnte sich auf der winzigen Bühne zwar kaum bewegen, hatte aber vor Beginn des Gigs die Amps ordentlich aufgedreht. Das war echt laut.
www.facebook.com/stafraennhakon

Porches. Chorus-Pop ist der neue Indie-Pop. Zumindest bei Porches. Selten so Chorus-geschwängerte Gitarren gehört. Aber es ist echt gut was Aaron Maine´s von Pitchfork oder Stereogum bereits fokussierte Truppe live bringt und sich dabei spürbar über den regen Publikumszuspruch freut. Auf ihrer Facebook Seite hat die Band bei Genre übrigens „dark muscle“ eingegeben.
www.facebook.com/porchesporches

Soffia Björg. Sie bemühte sich stetig, eine Brücke zwischen isländischer Herkunft und traditioneller amerikanischer Musik zu bauen.
www.facebook.com/SoffiaBjorgMusician

Kiasmos. Die auf die vollständige Bühnenrückwand projizierten Slow Mo Visuals waren derart mächtig, das man dachte, man schwebt durch den Raum wenn man den Augenwinkel-Blick auf die Seitenwände der Venue ausschaltete. Auch sonst: eindrucksvoll!
www.facebook.com/kiasmos

Beach House
Beach House. Klar, ein bisschen unterschiedlich klingen sie schon, die sechs Alben von Beach House. Aber im Prinzip geht es um eine definierte Grundstimmung. Die mag man, oder man mag sie nicht. Wenn man sie mag, dann erliegt man ihr beim Konzert. Ich mag Beach House. Sehr.
www.facebook.com/beachhouse

SONNTAG
Flieger. Spitzen Band. Bloß leider ganz ohne Musik. Dafür gab´s rhythmische Motorengeräusche und Ansagen über Wetter und Rettungswesten aus dem Mikrofon. Tschüs Reykajvik.

// Text: David Lodhi //

www.icelandairwaves.is